Berlin den 9ten Octob. 1797.

Meine Freunde!

Gestern Abend machte ich durch einen glücklichen Zufall die Bekanntschaft eines sehr artigen jungen Mannes, Wohl einer der vier Brüder Laffert (vermutlich der drittgenannte), die 1801 in die mecklenburgische Ritterschaft aufgenommen wurden: Gotthard Wilhelm (v.) Laffert (1765-1814) auf Dammereez; Karl (v.) Laffert auf Groß Weltzien (1770-1840); Ludolph Friedrich (v.) Laffert auf Lehsen (braunschw.-lüneburg. Hof- und Kanzleirat in Celle, Besitzer seltener nordamerikanischer Baumarten); Ernst (v.) Laffert auf Schwechow.
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Herrn Laffert
- der eben aus Amerika herkomt. Sie können denken, welche Freude mich überflog, aus dem Munde eines Mannes, der Sie erst vorigen Junius glücklich und munter verließ, die beßten Nachrichten von dem Nachdem Fritz von La Roche bereits 1780 als Offizier des französischen Regiments "Royal Deux-Ponts" zwei Jahre in Amerika verbracht hatte, wanderte er 1792 zusammen mit seiner Familie nach Amerika aus. Doch schon 1797 kehrte er mittellos zu seiner Mutter Sophie von La Roche nach Offenbach zurück, die, um ihren Sohn finanziell unterstützen zu können, den Amerika-Roman "Erscheinungen am See Oneida" (Leipzig 1798) verfasste. (Diese Angaben sind dem Aufsatz von Konstanze Bäumer entnommen: Die Bettina-Siedlung in Texas, in: Heinz Härtl und Hartwig Schultz (Hrsg.): "Die Erfahrung anderer Länder", Beiträge eines Wiepersdorfer Kolloquiums zu Achim und Bettina von Arnim. Berlin [u.] 1994, S. 356). - Während Hirt den vorliegenden Brief schrieb, muss sich Fritz von La Roche bereits auf der Rückreise nach Europa befunden haben. Auch seine Frau kehrte nach Europa zurück und kam bei ihrer Schwester in Nieule unter. Sophie von La Roche, die voll auf Seiten ihrer verlassenen Schwiegertochter stand, schreibt am 17.10.1797 an dieselbe: "Meine liebe und würdige Tochter! Ich werde Ihnen den Schmerz nicht schildern, den mir Ihr Brief vom 17. August aus Philadelphia bereitet hat. O meine Elsy! Ein Blitz, der in mein Haus geschlagen hätte, hätte mich nicht mehr in Schrecken versetzen können. Nach den Briefen, die Herr Hess gebracht hatte, war ich in vollkommener Sicherheit, und nun dieser schreckliche Umsturz! Den detaillierten Brief, von dem Sie sprechen, habe ich nicht erhalten, meine Freundin! So sehe ich mich in einem Abgrund von Schmerzen und zerreißenden Unsicherheiten, meine schätzbare Elsy. Und die unglücklichen Kinder, und das durch meinen Sohn! Es gibt keinen Ausdruck für meinen Schmerz, der um so größer ist, als Sie hinzufügen, ich solle etwas für meinen Sohn tun, den Sie nicht wieder sehen können. O meine Elsy! Er hat sich also schwer persönlich an Ihnen vergangen, sonst hätte Ihr Herz und Ihr Charakter es nicht zugelassen, daß Sie sich von ihm trennten. Meine Freundin, ich bin sicher, daß er es ist, der im Unrecht ist. […] Wie froh bin ich, daß ich nicht mit Ihnen die Reise nach Italien gemacht habe, daß ich es zurückgewiesen habe, Ihnen diese Unkosten zu machen. […] O meine Tochter! Meine liebe und tugendhafte Elsy! Schreiben Sie mir bald. Ich weiß noch nichts von - wie soll man ihn nennen, denjenigen, der Sie ins Unglück brachte, der mir mein Grab schaufelt […]" (zitiert nach: SvLR-Briefe, 1985, Nr. 230, S. 364-365).
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Schicksaal
meiner unvergeßlichen Freunde zu erfahren. - Ich schreibe Ihnen dieß in der Überzeugung, daß ich auch nicht ganz von Ihnen vergeßen bin, und daß das große Weltmeer, welches die beiden Hemiphaeren trennet, nicht ganz Fritz von La Roche hielt sich vor seiner Ausreise nach Amerika mit seiner Familie 1792 in Rom auf.
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Ihr Andenken an Rom und Hirt
weggewaschen hat. Sie haben sich also ganz dahin ergeben, im Schooße amerikanischer Frey frey heit Ihre Tage zuzubringen, und zu beschließen? - In der Überzeugung, daß die dortige Freyheit mehr werth ist, als unsere neuere europeische - die noch noch immerzu zu niederreißen fortfährt, ohne Aussicht, daß es je wieder zum ordentlichen Aufbauen kommen werde - kann ich Ihren Entschluß nicht mißbilligen - und am Ende wo sollte sich eine Familie unglücklich finden, welche die Zufriedenheit, und das innere Glück in Ihrer mitte, in ihrer wechselseitigen Liebe bewahret? - ich hatte noch immer Hoffnung, Sie noch einmal wo auf diesem Erdenrund | 2 zu begegnen; aber ich sehe iezt, daß dieß nur geschehen könnte, wenn ich mich zur Überfahrt nach der neuen welt verstehen würde. So wenig indeßen mein ieztiges Schicksaal über der Zeilemir auch Hofnung hiezu läßt, so kann man doch bey den iezigen Zeitumständen doch nichts als unmöglich betrachten: und der Himmel weiß, ob ich - da mich das Geschick aus meinem römischen Wohnsiz ausgeworfen hat - nicht durch einen zweyten Stoß von hier nach Philadelphia geschleudert werde.

Bis 1796 - im Frühjahr war Rom mein Wohnort, und die leztern Jahre her lebte ich da in einer mehr als erträglichen Lage. Bey dem ersten Einfalle der Franzosen verließ ich Italien - gleichsam mit der Vorempfindung alles de(?)ßen, was die Folge zeigte - zwar einzig in der Absicht, eine Tour durch Deutschland zu machen, und dann wieder auf meinen Standpunkt zurückzukehren. - Als ich nach Berlin kam, entschied sich meine iezige Lage ganz unerwartet. Man bot mir eine Zu Hirts Mitgliedschaften vgl. die Kabinettsordre von Friedrich Wilhelm II. vom 26.10.1796.
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Stelle bey der Akademie der Wißenschaften, und eine zweyte bey der Akademie der Künste
mit einem jährlichen Gehalt von 1800 Thalern an - zugleich mit dem Karakter eines königlichen Hofrathes. Ich schlug zu und nun ist Berlin schon seit einem vollen Jahre mein Aufenthalt. Meine Geschäfte sind wenige, und ganz litterarisch - so daß ich nach meiner ganzen Neigung wirken kann. Berlin zählet viele gebildete Leute von beiden Geschlechten, | 3 der Ton der Geselligkeit ist gut: und dieß muß ich als den Ersaz betrachten - für die Aufopferung des milden Klimas, der schönen Natur, und der Ansicht der herrlichen Monumente des alten u. neuen Roms. - Alles vereiniget zu besitzen, ist nicht möglich, und so kann ich mich eben durch meinen Tausch nicht unglücklich schäzen - Gesund an Leib, und Seele, und mit dem nöthigen versehen, gehe ich den stillen weg des Lebens fort, mehr als Zuschauer, als - als Theilnehmer. Das einzige, was ich noch nicht gefunden habe, ist Häuslichkeit, dieses Bedürfniß meines Gemüthes fange ich immer mehr an, stärker zu empfinden. Die Bücher, die mich umgeben, diese Gesellschaft hoher Todten, ist nicht hinreichend, die stillen Wünsche des Herzens zu befriedigen. Ich fühle, daß, wie je älter man wird, je mehr sehnet man sich nach einem Hausfreund: und das Gefühl sagt wieder, daß ein weiblicher beßer seyn würde, als ein männlicher. Dieß Gefühl liegt aber in mir noch dunkel: mein Auge hat die noch nicht erblickt, welche mich zu einer Annäherung bestimmen könnte. Nicht Liebe, sondern eh[e]liche Freundschaft, harmonische stille Häuslichkeit würde mich glücklich machen. - Sie vergeben, meine Freunde! daß ich Sie in einer so großen Entfernung von Zeit und Raum - so vertraulich über meine innerste Gemüthslage unterhalte, als wenn wir uns erst gestern verlaßen, und morgen wieder sehen sollten. - Leben Sie recht wohl! könnte ich doch dann und wann durch einen so angenehmen Bothen, wie Herr Laffert ist, erfahren, wie es Ihnen geht - wie Sie, und Ihre Kinder leben! groß und Schön soll die Kleine, die in Rom war, heranwachsen: und Wohl Schreibversehen statt "Elsy".
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Etzy
soll unter der Hand der sorgenden Mutter eine Blume unter den Mädchen geworden seyn - - Leben Sie wohl!

ich bin unwandelbar / Ihr Freund Hirt, königlich preußischer Hofrath.