Wörlitz, den 29. Juli 1797.
Gnädige Freundin!Wie nahe mir alles, was zu Ihrem Wesen gehört, meinem Gemüte sei; wie mächtig die
Eindrücke, welche Sie in der Seele Ihres Beobachters zurückließen, auf die Dauer
wirken, habe ich jetzt durch die Entfernung mehr als jemals erfahren; und
besonders in dem Augenblicke und dem bezauberten Orte, Zu Hirts Aufenthalt in Wörlitz vgl. den Brief an
A. H. Schütz, 12.07.1797.
[Schließen]wo ich mich seit einigen Tagen aufhalte. Das sympathetische Gefühl zeigte sich niemals stärker als in
Augenblicken, wo schöne und ungewöhnlich reizende Naturgegenstände das Gemüt
ergreifen. Die Mitteilung solcher innigen Gefühle wird gleichsam zum Bedürfnis,
und wenn der sympathisierende Gegenstand fehlt, so ist es natürlich, daß die
verschönernde Einbildungskraft dieselben in jedem Baum, in jedem durch Hecken
verschlossenen Orte und in jeder Welle des sich spiegelnden Sees sieht. Die Gräfin Lichtenau wurde 1753 als Wilhelmine
Encke, Tochter des Hornisten Johann Elias Encke, in Dessau geboren. Um
1762 zog die Familie nach Berlin.
[Schließen]Sie kennen die Zaubergärten von Wörlitz
; Sie haben Gefühl für das Naturschöne: versetzen Sie sich, ich bitte Sie,
einen Augenblick aus den Zirkeln der glänzenden Badewelt in diesen ländlichen Schauplatz. Im entferntern Grunde
werden Sie Ihren Philosophen wandelnd erblicken, tiefsinnig, aber innerlich
glücklich, weil ihn Erinnerungen selig verlebter Stunden umwallen. -
Darunter Lord Bristol.
[Schließen]Ein Schwarm froher Liebesgötter umgibt Sie jetzt - vielleicht werden Sie zuweilen ungestümer und
mutwilliger, als Ihrem Gemüte lieb ist. - Blicken Sie also, Freundin, einen
Augenblick in die Ferne, vielleicht gewährt Ihnen dies einen momentanen
Ruhepunkt. Doch ich breche ab; sonst könnten Sie denken, ich schwärmte.
Gewiß ist Wörlitz ein vorzüglicher
Aufenthalt; und man kann seinem gastfreundlichen Besitzer, der alles dieses schuf und noch täglich verschönert,
die Bewunderung nicht versagen. Auch die vortreffliche Vgl. die Anmerkungen zu dem Brief an A. H.
Schütz, 12.07.1797.
[Schließen]
Fürstin
sehe ich oft und unsere Hirt hatte sowohl mit der Fürstin Louise von
Anhalt-Dessau als auch mit der Gräfin Lichtenau einen kunsthistorischen
Kursus absolviert.
[Schließen]Gespräche über Rom
gewähren uns sehr erfreuliche Erinnerungen.
Meine Ausreise von Berlin ging
gerade Zu Hirts Aufenthalt in Jena und Weimar vgl. den
Brief an A. H. Schütz, 12.07.1797.
[Schließen]nach Jena und Weimar
. Ich traf zwar allda weder den Herzog, noch die Herzogin
Mutter, Vgl. An Goethe, 04.04.1789.
[Schließen]die ich ehedem in Italien
kennenlernte: aber ich fand allda manche andere vortreffliche Menschen, worunter ich
Goethe und Herder auch Vgl. u.a. An Goethe, 04.04.1789.
[Schließen]schon aus Rom her
kannte, so daß es mir nicht möglich war, mich wieder sobald, als ich anfänglich
vorhatte, davon zu entfernen. Die Tour nach Pyrmont lag mir nahe am Herzen: aber ich fühlte zu sehr meine
Nichtigkeit. Ich sah in meinem Geiste, wie sich dort die Menge um Sie drängt -
wie alles groß und vornehm ist - und so faßte ich Stärke, mir den teuern
Augenblick, Sie dort in Ihrem vollen Glanze zu sehen, zu versagen.
Künftigen Mittwoch reise ich von hier nach Berlin zurück: nur in Potsdam will ich ein paar Tage verweilen, um die dortigen
Kunstsachen auf den Königlichen
Schlössern wiederzusehen und auch Hier könnte entweder das Schloss auf der
Pfaueninsel gemeint sein, das von 1794 bis 1797 errichtet wurde. Die
Gräfin Lichtenau war an der Planung des Schlosses beteiligt und
bestimmte im Wesentlichen die Inneneinrichtung, die Möblierung und die
Dekorationen. Oder aber die Erweiterungsbauten am Marmorpalais am Ufer
des Heiligen Sees: 1797 wurde mit der Angliederung zweier Seitenflügel
rechts und links der Vorderfront begonnen.
[Schließen]den neuen Bau in Augenschein zu nehmen. Mit erneuter Kraft werde ich dann wieder meinen
Studien leben und einen frischen Kurs mit meinem jungen Antiquar, dem
liebenswürdigen Prinzen Wilhelm
, anfangen.
Nach der öffentlichen Sage dürften wir Sie vor Ende August in Berlin nicht sehen. Gerne opfere ich der
Erwartung, wenn ich Sie nur in meinem Geiste glücklich und vergnügt weiß, und
Der König stirbt am 16. November 1797.
[Schließen]die Gesundheit Ihres großen Freundes, unsres Herrn, so dabei
gewinnt, daß wir uns noch auf eine lange Reihe von Jahren seiner Erhaltung
erfreuen können.
Leben Sie wohl, meine herzliche Freundin, und gedenken Sie dessen, der nahe oder fern mit unwandelbaren Gesinnungen verbleibet,
der Ihnen ewig ergebene Hirt.