Berlin den 6 ten Jan. 1798.
Ich danke für Ihr leztes durch Freund Sander mir eingehändigtes Brief erschlossen: [Von Böttiger, vor
06.01.1798].
[Schließen]Schreiben. Es freuet über der Zeilemich, daß Vgl. An Böttiger, 12.12.1797; im Folgenden ist
Hirts Entwurf zu einem
Denkmal für Friedrich den Großen gemeint.
[Schließen]die Ihnen neuerlich übersandten Sachen Ihnen dort einigen Spaß machen; und mich bis iezt mit einer so
nachsichtigen Kritik beurtheilen. Dort glaubt man, es würden der Fenster zu
wenig zu seyn, hier verurtheilte man mich,
weil ich überhaupt Fenster in der Cella angebracht habe, indem man glaubte, die
Alten hätten bey ihrem Tempelbau nie dergleichen Beleuchtungen angebracht. Ich
mußte hierüber eine förmliche Widerlegung einreichen. übrigens kalkulirte ich
beflißentlich, kein zu grelles Licht in dem Innern zu haben, da alles von Weißem
Marmor etc. ist. Für das Nichtanbringen der Pilaster habe ich auch gegründete
Ursachen, theils auf das Verfahren der Alten, theils auf die Natur der Sache
sich stüzend.
Daß wir uns wieder in der Encaustik begegnen, ist sehr lustig. Mit Vergnügen
werde ich dasjenige erwarten, was Sie bereits
hierüber bekannt machten, u. noch sonst in Ihren Papieren
aufgezeichnet haben. Sie wünschten, daß wir dieses Feld trennen könnten: aber
wie soll dieß angehen? denn es ist aus der Geschichte selbst, wovon das Ganze
über die verschiedenen Arten der Mahlerey bey den Alten herausfließt, so wie ich es bereits entwickelt habe. Doch
das weitere, wenn ich Ihre Ideen hierüber werde gesehen haben. - À propos: eben
fällt mir über der Zeilebey, was Sie besonderes Böttiger behauptet, dass es keine eigenständige
etrurische Kunst gegeben habe; diese von den Griechen erlernte und
entlehnte Kunst bleibe griechische Kunst: "Diese von einem Kenner des
Alterthums nur mit einem bescheidenen Vielleicht
vorgebrachte Muthmassung, hoffe ich bei der Erklärung einzelner Vasen zu
einem Grad von Wahrscheinlichkeit erheben zu können, die auch die
Zweifler überzeugen wird. Der Gang der griechischen Kunstkultur ist
kürzlich folgender: Erste Periode. In Ionien und
auf den Inseln. Ionische Kunst. Zweite Periode.
In Sicilien und Grossgriechenland. Dorische Kunst. Dritte Periode. Im Mutterlande; Athen, Korinth, Sicyon,
Aegina. Attisch-Korinthische Kunst" (Griechische Vasengemälde, Ersten
Bandes Erstes Heft, S. 31).
[Schließen]in einer Note der griechischen Gemälde geäußert
haben, u. worüber ich Sie schon Zu Hirts Besuch in Weimar vgl. An A. H. Schütz,
12.07.1797.
[Schließen]in Weimar
zu Rede stellen wollte: nemlich über Ihre ältern Kunstperioden. Nehmen
Sie sich in Acht: Sie versprechen viel, und ich habe mächtige Gründe zu
fürchten, daß Ihr Versuch unterliegen möchte. Indeßen bin ich nur desto
neugieriger zu erfahren, wie Sie nur einigermaßen Ihre Hypothese stüzen werden.
Die Sache hat Schein, aber ich zweifle, ob sie Grund habe. Könnten Sie mir nicht
vorläufig einige Ideen hierüber mittheilen? –
| 2
Kürzlich stattete der Minister einen Bericht an den König über den Zustand der Kunstakademie ab. – unser wahrhaft junger Salomon bestätigte in Pleno dieses Institut – und damit in dem Berichte selbst auch Meldung war über das zu errichtende Monument von Friedrich II. , und zugleich über der Zeileüber den Vorschlag der Vereinigung der Kunstwerke des Königlichen Hauses: so war die Antwort, daß Er den edlen Zweck des Leztern nicht verkenne, aber daß dieß, und das erstere – die Errichtung des Monumentes - keine von am linken Randden Dringenden Sachen wären; folglich man hiezu noch Zeit zu fernerer Überlegung nehmen könnte, zumal da für iezt dringendere Geschäfte seine Aufmerksamkeit forderten. – wenigstens ist doch die Sache nun einmal angekommen; und wer sollte nicht von einem solchen Könige – von dem bißher jeder Schritt mit consommirter Weisheit bezeichnet ist – hoffen? –
Vgl. auch An Böttiger, 31.10.1797.
[Schließen]Mit der Replique über Laokoon
haben Sie es gut gemacht. Von Goethe, 30.01.1798.
[Schließen]Ich erwarte Briefe von
Göthe
, und ich bin sehr begierig, ob er sich mit einem Worte wird verlauten
laßen. Indeßen da wir nun einmal in dieser Materie sind, so wünschte ich sehr,
daß man sich ein für allemal darüber verständigen könnte; und daher ist mir
alles, diese Materie betreffend, wichtig. Mayer meinet also, wir würden uns verstehen, wir wir uns
sprechen könnten: dieß ist wenigstens etwas. Aber gewiß ist es, daß es etwas
sonderbares ist mit dem Deutschen Genius: unerschütterlich hängt er an der
Parthey, die er einmal gefaßt hat. Dieß war mir wieder so auffallend durch den
neusten Aufsaz von Fernow im Deutschen Merkur (von dem Sie mir wohl auch ein Wort
vorläufig hätten sagen können, denn es ist das beßte, was ich bißher von
Fernow kenne; und die Materie ist
die nemliche der Hirts Aufsätze "Laokoon" und "Nachtrag über
Laokoon" wie auch Goethes Schrift "Ueber Laokoon".
[Schließen]Laokoonte. Es ist gerade, als wenn sich alle Menschen das Wort gegeben hätten, den
einmal gangbaren
Lessingschen Kram
aufzustuzen. Auch scheinet es mir, als wenn Kant mit seinen Jüngern die nemliche Ideen in seine Skolastik
aufgenommen habe, und dadurch freylich ein nicht so leicht heilendes Übel
entstanden ist. – Dieser Fernowische
Aufsaz hat viel gutes, recht gut gesagt. Aber das ewige trennen, und
begränzen da, wo alles in einander läuft, ist eine der eklichsten Sachen, die
ich kenne, und das zu nichts als Hirngespinsten führet, welche
| 3 für
den Geist ächter Kunst nicht eine Feige werth sind. Einem gutmüthigen deutschen
Gelehrten ist in der Rücksicht auch manches zu vergeben: aber wie man noch
solche Grundsäze proniren kann, wenn man das Alterthum von Angesicht zu
Angesicht gesehen hat, begreiffe ich nicht. - Das Ideal- und Geniewesen hat viel
Unheil und Verwirrung verursachet: und wie ist es möglich, daß Fernow in
Rom
noch behaupten kann, – Dazu heißt es in Fernows Aufsatz: "Das Verfahren
des bildenden Genius im Erzeugen und Schaffen neuer Gestalten ist, wie
jede Zeugung der Natur, ein dem Verstande unbegreifliches Geheimniß; es
ist ein dynamischer Effekt der Einbildungskraft oder vielmehr der ganzen
Seele des Künstlers, und beruht in der durch keine Mühe zu ergründenden,
geschweige zu erlernenden Fähigkeit, für jeden gegebenen Karakter eine
ihm entsprechende Bildung in dem magischen Spiegel der Fantasie mit
höchster Klarheit und Bestimmtheit erscheinen zu lassen, und sie so
lange vor dem Blicke des Geistes festzuhalten, bis die Hand das geistige
Urbild sichtbar nachgebildet hat. / Eben darum ist aber auch nichts
thörichter, als dieses Geheimniß, das nur dem Genie zugänglich ist,
durch eine geometrische Ausmessung der, an den verschiedenen
Kunstidealen enthaltenen Proporzionen entziffern zu wollen. Die
karakteristische Gestalt muß in der Einbildungskraft des Künstlers
entstanden seyn; er muß das Urbild seines Werks bestimmt und vollendet
in seiner Seele tragen. Zirkel und Maaß sollen im Gefühl, im Auge des
Künstlers liegen, und nur zur Ueberzeugung für seinen eigenen Verstand
mag er sie prüfend und berichtigend an seinen Entwurf legen. So, denke
ich, schufen die alten griechischen Meister ihre Götter- und
Heldenideale voll hoher Schönheit und Individualität; so schuf Michael
Angelo's kühner Geist jene Riesenbildungen in der Sixtinischen Kapelle
und zeichnete sie mit dem unverkennbaren Stempel der Originalität seines
Genius. Mag immer der Lehrling mit Zirkel, Maaßstab und Senkbley das
Fundament seines Studiums gründen und befestigen; mag er den verborgenen
Geist der Kunst durch die Formel des Einmahleins beschwören; der Meister
in der Kunst muß dieser Schulübungen nicht mehr bedürfen; er wird nach
keinem Recept der Proporzionen, von alten Kunstwerken abgeschrieben,
Gestalten voll Karakter und Leben bilden" (a.a.O.; S. 223-225).
[Schließen]die Alten hätten nie gemessen, seyen nie methodisch bey Hervorbringung
ihrer Werke verfahren, sondern alles wäre bloß Schaffungskraft
und so weiter gewesen? – hätte Fernow nur einigen
Begriff von der modernen Kunstgeschichte - von der Weise, wie sich ein Leonardo, Michelangelo, oder Raphael bildete, und durch welche Wege sie zu dem kamen, was sie
hervorbrachten, so würde ihn dieß allein von seinen Träumereyen, und Geniewesen
in denjenigen Künsten heilen, welche die langsamste, u. duldsamste Bildung, die
denkbar ist, voraussezen. Doch genug hievon!
Über Gentz's Zur Huldigungsfeier der Stände und Untertanen für
den neuen König am 6. Juli 1798 in Berlin.
[Schließen]Decoration kann ich Ihnen wenig sagen, denn ich habe sie nicht gesehen. soviel weiß
ich von ihm selbst, daß nichts ordentliches zu machen war, und es daher der Mühe
nicht lohnet, davon zu sprechen. was man bewunderte, waren die vielen Lichter,
von welchen man nichts sah. übrigens ist eine Evtl. gemeint: Beschreibung der für das
Huldigungsfest bestimmten und ausgeführten Verzierungen. In: Jahrbücher
der preußischen Monarchie, 2, 1798, S. 467-476. - Berlinisches Archiv
der Zeit und ihres Geschmacks, August 1798, S. 189-202: "VII. Der 6ste
Julius 1798, der Tag der Feyerlichen Huldigung zu Berlin". Vermutlich
ist hier von den Planungen für dieses Fest die Rede.
[Schließen]Beschreibung davon herausgegeben, u. wenn ich sie erhasche, so will ich dieselbe Ihnen
übersenden.
Vgl. An Böttiger, 18.11.1797.
[Schließen]Die Gräfin von
Lichtenau betreffend weiß man nichts, als daß sie die Freyheit hat, Im Neuen Garten in Potsdam.
[Schließen]im Garten
spazieren zu gehen, von ihren eigenen Leuten bedient ist, ihre Mutter bey sich hat, u. der Hofmeister ihres Sohnes ihr Gesellschaft leistet. Ihre
Detention ist übrigens Vgl. An Böttiger, 12.02.1797.
[Schließen]in einem der Häuser des königlichen Gartens, das sie immer bey ihrem Aufenthalte dort bewohnte. was man übrigens über
die Sache höret und schreibet, ist das Abgeschmackteste, und niedrigste,
lügenhafteste Zeug, was sich denken läßt. – Ihr Bildniß von der Angelica ist wie vorher im Marmorpalais in Potsdam
[Schließen]in den königlichen
Zimmern
.
Sie vergeßen nicht, abgeredter Maßen die Zeichnungen etc. dann an die Fürstin von Dessau zu senden - und mich bald wieder mit einem Ihrer Briefe zu erfreuen –
Ihr Hirt. –