Berlin den 18ten Nov. 1797.
Friedrich Wilhelm II. entschlief vorgestern: Friedrich Wilhelm III. regiert. –
Die gräfin v. Lichtenau ist
Unmittelbar nach dem Tod von Friedrich Wilhelm
II. wurde seine frühere Mätresse von seinem Nachfolger in Arrest
genommen und zuerst in ihrem Potsdamer Haus festgesetzt sowie ihr
Vermögen eingezogen und ihre Briefe beschlagnahmt und gegen sie ein
Hochverratsprozess angestrengt. Obwohl die von Friedrich Wilhelm III.
dafür eingesetzte Untersuchungskommission sie in juristischer Hinsicht
freisprach, wurde ihr Besitz enteignet und sie 1798 (bis 1800) auf die
Festung Glogau verbannt. - Zu den Prozessakten siehe das von Sonja
Ginnow an der BBAW bearbeitete Editionsprojekt.
[Schließen]in Verwahrung zu Potsdam: Die Lichtenau besaß in Berlin ein Palais Unter
den Linden (das frühere Palais Görne, später Niederländisches Palais)
und ein Palais in Charlottenburg, direkt an der Spree gelegen und von
einem großem Park umgeben (vgl. dazu: Hagemann: Wilhelmine von
Lichtenau, S. 77 ff. und 100 ff.
[Schließen]
ihre Häuser hier
und in
charlottenburg
sind bewacht, und alles obsignirt.
Sachen von Rom kommen zu laßen, ist
ohne viele Umstände, große Unkosten, und langen Aufenthalt, nicht möglich. Im NTM 1797, 3. Bd., S. 183-184, ist ein Brief
von Wilhelm Uhden abgedruckt (Rom, den 22. August 97), in dem das Werk
von Visconti angezeigt wird: "Das einzige Werk, was in unserm verödeten
Rom bald erscheinen wird, ist von Viskonti, nemlich seine Erläuterung
der, in den Ruinen der alten Stadt Gabii gefundenen Monumente. Ungefähr
die Hälfte des Werks ist schon gedruckt, und die Kupfer dazu vollendet;
also dürfte es wohl noch vor Weyhnachten erscheinen können."
[Schließen]Daß Visconti etwas
besondres über die Scavazioni di
Gabii schrieb, ist mir neu: und eines Monumentes wegen wäre ich
selbst neugierig, das Buch zu sehen. Ich über der Zeileerwarte
schon immer Aus dieser Zeit sind keine Briefe von Zoega an
Hirt überliefert.
[Schließen]Briefe von Zoega
: vielleicht schreibt er mir etwas näheres. Von Neapel hatte ich gestern lange Nicht überliefert; vermutlich war darunter auch
ein Brief von J. H. W. Tischbein.
[Schließen]Briefe: worin unter andern dasjenige, was selbst Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Neapel.
Antiquarische Nachrichten. In: Neuer Teutscher Merkur, 1797, 3. Bd., S.
185-186. - Der Brief ist datiert: Neapel, den 1. August 97.; darin heißt
es u.a.: "Daß Italien das schöne Bild, die Verklärung von Rafael,
verliert, müßte jeden Italiäner schmerzen, wenn er nur irgend Gefühl
hätte. Es ist ein unersetzlicher Verlust, nicht allein für Rom, sondern
für ganz Italien. […] Die Franzosen haben in Ober-Italien den
Kunstwerken unbeschreiblichen Schaden zugefügt. So ließ Buonaparte das
Refektorium, worin das Abendmal des da Vinci die Bewunderung aller
Kenner machte, einigen hundert Kriegsgefangenen zur Wohnung anweisen,
wodurch das herrliche Werk, das schon durch die Zeit einigen Schaden
erlitten hatte, ganz zu Grunde gegangen ist."
[Schließen]der im merkur abgedruckte
Brief von
Tischbein sagt, bestätigt wird. Seine
Homerischen Platten gehen
nahe an fünfzig: Münster u. Tatter loben sie sehr: und das Urtheil
dieser beiden gilt. Italinsky lieferte die Legenden für die ersten
drei Bände, während Hamilton die Einleitungen zu den ersten beiden
Bänden verfasste. Der vierte Tafelband enthält keinen Text.
[Schließen]
Italinski ist mit der
Erklärung des 3
ten
Bandes fertig: und soll nun bald mit Untersuchungen der ältesten Völkergeschichte zum
Vorschein kommen, welche durch Neuheit und Gründlichkeit gleichstarke
Aufmerksamkeit erregen werden. Nb. er ist nicht bloß Philologe; sondern Italinsky war studierter praktischer Arzt.
[Schließen]sein Hauptfach war gröstentheils Naturkunde. –
| 2
Mit der Während seiner Italienreise 1796/97 hatte Johann
Heinrich Meyer extra für Goethe eine Kopie des Wandgemäldes angefertigt
und sie bei Uhden in Rom deponiert. Im Juli 1797 hatte Meyer Uhden
gebeten, die Kopie nach Stäfa zu übersenden (siehe Erhard Roß: Goethe,
die Antike und Wilhelm Uhden. In: Goethe-Jb 1987, S. 370-371). Goethe
empfing die Aquarellkopie zusammen mit Meyer, der ihn auf seiner
Schweiz-Reise begleitete, am 17. Oktober 1797 in Stäfa. An Cotta
schreibt Goethe, [Stäfa], 17. Oktober 1797: "Besonders wichtig ist die
Copie des antiken Gemähldes der sogenannten Aldobrandinischen Hochzeit,
die im eigentlichsten Sinne mit Kritik gemacht ist, um darzustellen, was
das Bild zu seiner Zeit gewesen seyn kann und was an dem jetzigen, nach
so mancherley Schicksalen, noch übrig ist. Er hat dazu noch einen so
ausführlichen Commentar geschrieben, der alles enthält, was noch über
die Vergleichung des alten und leider so oft restaurirten Bildes, seiner
gegenwärtigen Copie und einer ältern Copie von Poussin, nach der die
Kupferstiche gemacht sind, zu sagen ist. Das Bild selbst, von einem
geschickten Meister zu Titus Zeiten mit Leichtigkeit und Leichtsinn auf
die Wand gemahlt, nunmehr, so viel es möglich war, nachgebildet und
wieder hergestellt vor sich zu sehen, sich daran erfreuen und sich über
seine Tugenden und Mängel besprechen zu können, ist eine sehr reizende
und belehrende Unterhaltung. Das Bild ist 8 Fuß lang, 3 1/2 Fuß hoch,
und die Figuren sind nicht gar 2 Fuß Leipziger Maß; die Copie ist in
allem, sowohl in der Größe als den Farben, den Tugenden und Fehlern, dem
Original möglichst gleich gehalten" (Goethe WA, IV, Bd. 12, Nr. 3667, S.
338-339). Goethe beförderte die Kopie in seinem eigenen Gepäck nach
Weimar, wo sie am 16. Januar 1799 aufgezogen und gerahmt wurde (Goethe.
Begegnungen und Gespräche. Hrsg. von Ernst und Renate Grumach, Bd. 4, S.
471). Das Bild wurde im Empfangs- und Musiksalon ("Junozimmer") seines
Hauses am Frauenplan aufgehängt, wo es sich noch heute befindet. (Siehe:
Willy Handrick: Die "Aldobrandinische Hochzeit". Kopie eines antiken
Gemäldes in Goethes Kunstsammlung. In: Goethe-Jb 1963, S. 142-166; auch:
Goethe Tagebücher, Bd. II,2, hrsg. von Wolfgang Albrecht und Edith Zehm,
2000, S. 589).
[Schließen]
Kopie
der Aldobrandischen
Hochzeit bin ich nicht zufrieden: Louise von Anhalt-Dessau vermerkt am 11. März
1796 in ihrem Tagebuch: "Wie gewöhnlich auch diesen Tag angefangen und
zu Hirt, der uns zur Villa Alldobrandini führte [...] dann die
sogenannte Aldobrandinische Hochzeit, die sehr berühmt ist und
eigentlich eine alte Mauer Mahlerey, die jezt hinter Glas behalten wird,
großen Effect macht und doch, wenn man sie in der Nähe besiehet, so
ist's, als wäre es mit einem Besen gemahlt. Der Mahler Meyer aus Weimar
war gerade damit beschäftigt sie zu Copieren." (Tagebücher, Bd. 1, S.
200).
[Schließen]ich sah sie noch neben dem Original aufgestellt. Andere Künstler, besonders der junge Freund v. Göthe, Büry würde sie ungleich beßer gemacht haben. Indeßen ist es
hinreichend gut für die Der Kommentar Meyers, den Goethe gegenüber Cotta
erwähnt (siehe die vorige Anmerkung), fand Eingang in Meyers Abhandlung
in dem 1810 gemeinsam mit Böttiger herausgegebenen Werk "Die
Aldobrandinische Hochzeit" (siehe die Anmerkung unten).
[Schließen]
Erklärung
. Aber was für eine Erklärung für eine so oft erklärte Sache? - ich sehe
eine Hochzeit, und weiter nichts; und nichts ist vorhanden, was das Bild zu der
Hochzeit eines Peleus oder eines andern machte. Es ist nichts, als Hochzeit im
ausgedehntesten Sinne des Wortes, und ein hingeschmiertes Gemälde zur Decoration
etwa eines Schlafgemaches eines jungen Brautpaares. - Ich sage, ein hin auf die Mauer hingeklekstes
verzierungsgemälde, wie unsere Arabeßken Stubenmahler iezt thun: mit dem
einzigen unterschiede, daß bey den Alten die Mauer, und grundierung derselben
beßer als bey uns, war, u daß die Sujets
beßer u. analoger zur Sache gewählt waren, u. daß verhältnißmäßig der Troß der
Künstler bey den alten beßer mit den Pinseln umzugehen wußten, als unsere
eingegüldeten Mahler, u. Anstreicher. Nb. noch muß ich
erinnern, daß der gute Mayer auch,
gleich andern Kopisten, die
| 3 Bêtise begangen hat, den grünlichten
Grund oben mitzumahlen, obwohl dieß ganz moderne Restauration ist, und das
antikeke Bild hört in der höhe mit der Linie der
Architektur auf. - iezt sieht es aus, als wenn die Hochzeit nicht im Innern,
sondern unter freyem Himmel - etwas an
einer Gartenmauer oder Zaune – vorgehe. – Nur ein paar Worte meiner Erklärung:
(eingehüllte Braut mit Proenba. Hochzeiter wie ein Dämon aus der jüdischen Mythologie, der u.a.
wiederholt die Eheschließung der Sara verhindert.
[Schließen]asmodi , begränzt auf die Pucelage laurend. – Dienende Mädchen, die Braut zu
entkleiden, zu waschen, zu salben - eine Brautliedsängerin, die eine
Cytharspielerin begleitet etc. - Ich bitte, machen Sie eine nach Ihrer
schmakhaften art braune oder gelbe Sauce hiezu, und Sie werden für die
Toiletten, und ich gestehe es Ihnen, auch für meinen Gaumen einen sehr
intereßanten Böttigers Erklärung des Bildes einschließlich
einer Kupfertafel erschien erst 1810: Die Aldobrandinische Hochzeit.
Eine archäologische Ausdeutung von C. A. Böttiger. Nebst einer
Abhandlung über dies Gemälde von Seiten der Kunst betrachtet, von H.
Meyer. Mit einem Kupfer. Dresden 1810 (gedruckt auf Grundlage seiner
Vorlesung).
[Schließen]
Aufsaz
liefern. Es ist dabey sicher über
Bett, ameublement, Waschgefäße, Kleidungen, Haarpuz, und was weiß ich, so viel
schönes zu bemerken: und wenn man dabey Ihren tiefforschenden Geist, und leichte
Hand hat - so muß das Gericht für Kenner u. nichtKenner ragoutant werden. -
Hiemit den Vermutlich der Brief von Goethe an Böttiger,
Zürich, 25. Oktober 1797 (Goethe WA, IV, Bd. 12, Nr. 3670, S. 343-346).
Darin schreibt Goethe u.a.: "Ich freue mich für Hirt daß sein Vorschlag
angenommen ist, wenn der König nur lang genug lebt daß der Grund auf den
Boden kommt und die Säulen aufgestellt sind. Uns verlangt sehr eine
Zeichnung zu sehen. Grüßen Sie ihn schönstens und danken ihm vorläufig
für seine Bemühung." – Denkbar ist auch ein früherer Brief Goethes
an Böttiger, so der vom 19. Juli 1797, dem sein Laokoon-Aufsatz beilag
("Hierbey kommt mein Versuch über den Laokoon, vielleicht fällt Ihnen
noch etwas zu Gunsten der aufgestellten Idee ein."; ebd., Nr. 3607, S.
197), oder derjenige vom 20. Juli 1798, in dem es heisst: "Hierbey
übersende das Käfighaus des Varro mit der Abhandlung, welche Sie Freund
Hirten zurückbringen werden. Zugleich lege ich eine etwas steife doch
unterrichtende Beschreibung des Igler Thurms bey, vielleicht finde ich
auch noch die flüchtige Zeichnung zu einiger Rectification des in Pokock
ganz falsch abgebildeten Monumentes" (ebd., Nr. 3608, S. 198).
[Schließen]
Götheische Brief zurück: den ich lezlich beyzulegen vergaß. Die Noten zum
Schillerschen Almanach hat
Sander noch
| 4 nicht
erhalten.
Was es iezt mit den Zu den Denkmalsentwürfen für Friedrich den Großen
vgl. 1797-09-26-a-Böttiger.
[Schließen]Monumentenwerden wird, wißen die Götter: wahrscheinlich steigt Friz mit Stiefeln u. Sporn zu Pferde. -
Danken Sie der Herzogin - der Guten -
für das huldvolle Andenken - Ich hoffe in meiner künftigen Excursion Hirt hatte Anna Amalia bei seinem Aufenthalt in
Weimar im Juni/Juli 1797 nicht angetroffen, da diese nach Bad Kissingen
gereist war. - In einem Brief von Louise von Göchhausen, wohl an
Böttiger, undatiert [nach 16. November 1797?], heisst es über einen "H."
in "B.", womit vermutlich Hirt in Berlin gemeint ist: "Die Herzogin
dankt Ihnen zwar sehr für die gütige Mittheilung, ist aber - wie Sie
leicht denken können – ganz und gar nicht mit H. zufrieden. Sie jammert
darüber daß ihm die Berliner verdürben. p / Heute ist einer unserer
Kammerh[erren] H. v. Eglofstein, nach B. geschickt um den König das
Gegenkompl[iment] zu machen. Der Leg[ations] Rath Weiland begleitete ihm
u. wird sich dort etwas verweilen, warscheinl. um das Terrain zu
sondieren p." (SLUB Dresden, Mscr. Dresd. h 37, 4°, B. 87, Nr.
5).
[Schließen]glücklicher zu seyn, als vorigen Sommer. - Die Hirts Aufsatz "Ueber den Kunstschatz des
Königlich-Preuszischen Hauses".
[Schließen] December stücke
vom Archiv werde ich senden.
Süvern hatte in Jena u.a. bei Schiller und Fichte
und danach in Halle bei Friedrich August Wolf studiert und war 1796 als
Lehramtskandidat an das neu gegründete philologisch-pädagogische Seminar
Friedrich Gedikes in Berlin gekommen. 1796 erschien von ihm "Pindari
carmen primum in psaumidem sive Olympicorum quartum: cum commentarii
specime" (Lemgo 1796); 1797 "Aeschylos Sieben gegen Thebe" (Halle
1797).
[Schließen]
Süvern
sagte mir gestern Abend, Es konnte kein Brief von Süvern an Böttiger mit
dieser Datierung ermittelt werden. Überliefert ist ein Brief vom
23.12.1797 (SLUB Dresden, Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd. 197, Nr.
132).
[Schließen]er würde heute schreiben.
Schreiben Sie bald etwas über die Laokoons : und walten Sie übrigens über Ihren traut und treulich
ergebenen Hirt.