Herr v. Brinkmann, bißher
schwedischer Chargé d'affaires am hiesigen Hoffe, und welcher nun in der
nemlichen Qualität nach Frankfurt
u. Rastadt reiset, wünschet, Ihnen
bey seiner Brinckmann hielt sich eine Woche in Weimar und
Jena auf; gut dokumentiert durch Goethes Tagebuch und seinen
Briefwechsel. Nachdem er am 17. Februar 1798 bei Goethe angefragt hatte,
besuchte er diesen am Morgen des nächsten Tages ("Da ich […] auf einer
Reise nach Paris begriffen bin, so glaube ich daher nicht unterlassen zu
müssen Ihre Befehle für Humboldts selbst abzuhohlen"; Brinckmann an
Goethe, 17.02.1798; zitiert nach: Goethe Begegnungen und Gespräche IV,
S. 400). Am 18. Februar reiste er nach Jena, um Schiller zu treffen; am
20. Februar ist er bei Goethe zu Mittag eingeladen. Goethe schreibt am
Tag darauf an Schiller: "Brinkmann war sehr erfreut mit Ihnen einige
Stunden vertraulich zugebracht zu haben. Seine lebhafte Theilnahme an so
vielen verdient wirklich eine gute Aufnahme, gestern aß er mit mir und
ich hatte ihn zwischen unsere zwey liebenswürdigen Schriftstellerinnen
[Anna Amalia von Imhoff und Caroline von Wolzogen] placirt, wo er sich
außerordentlich gut befand. Eigentlich scheint er mir aber eine rechte
Natur für ein so großes Element wie Berlin zu sein" (zitiert nach:
Goethe-Tagebücher, Bd. II,2, 2000, S. 602). Am 21. Februar sind
Brinckmann und Goethe Gäste an der fürstlichen Tafel (Fourierbuch
21.02.1798, HStA Weimar). Eigentlich wollte Brinckmann am 22. Februar
abreisen, doch Goethe bewog ihn, noch einen Tag zu bleiben und lud ihn
zum Tee. Am 21. Februar schreibt er an Schiller: "Unsern Schweden […]
habe ich noch morgen zu bleiben beredet. Unsere Frauen in Weimar
bedürfen gar sehr solcher fremden Erscheinungen […]. Gewiß sind diese
Naturen sehr wünschenswerth weil sie zur affirmativen Seite gehören und
doch immer Talente in der Welt supponiren müssen, wenn ihr Talent gelten
soll" (Goethe WA IV, Bd. 13, S. 76). Brinckmann antwortet (o. D.): "Ich
bin auf das lebhafteste durch die herablassende Güte gerührt, deren Sie
mich würdigen, u. es ist keine Frage, daß ich gerne einen Tag länger in
W. bleibe, wenn ich dabei das Glück habe Ihr Gast zu sein. Ich gedenke
Morgen nach Jena zu gehen u. würde alsdann Ihre gütige Initazion auf den
Dienstag Mittag oder Abend mit Freuden annehmen" (GSA Weimar,
Eingegangene Briefe 1798, 82). An Luise von Berg berichtet er am 25.
Februar 1798 über seinen Weimarer Aufenthalt: "Von da [Naumburg] kam ich
ohne alle weitere Abentheuer in Weimar an, wo Göthe u. Herder die
vorzüglichsten Gegenstände meiner Aufmerksamkeit waren, u. ich bin
unendlich durch ihre nähere Bekantschaft befriedigt worden. Ihre Kritik
über Herrman u. Dorothea läßt mich beinah befürchten, daß Sie den
Verfasser nicht so unbedingt wie ich für das größte Genie des
Jahrhunderts halten, aber es ist unmöglich, daß er Ihnen nicht auch als
einer der mächtigsten Heroen der Literatur erscheinen solte. Die
Persönlichkeit dieses Mannes etwas mehr in der Nähe zu studiren mußte
mir also unendlich wichtig sein; nur zweifelte ich an dem Gelingen
meines Wunsches, weil man mir G. oft als steif u. Ministermässig
geschildert hatte. Da ich immer bei einer ersten Bekantschaft der Art,
die Plattitüde derjenigen am meisten befürchte, die uns so gerne
introduziren, um sich selbst geltend zu machen; so schlug ich alle
dergleichen Anerbietungen aus, u. schrieb G. blos ein Billet, worin ich
ihm sagte, es könne keiner mehr als ich das Unbescheidene darin fühlen,
wenn jeder unbedeutende Reisende sich zu einem grossen Manne
hinzudrängte, daß ich mir aber schmeichelte, bei dieser Gelegenheit
seine Güte gegen unsre gemeinschaftlichen Freunde geltend machen zu
dürfen, u. wünschte daher sehr seine Befehle an Humboldts selbst
einzuhohlen. - Hiedurch gewann ich das Glück gleich auf der Stelle von
ihm als ein alter Bekanter eingeladen u. behandelt zu werden, u. da
unser erstes Gespräch ein par Stunden dauerte, verließ ich ihn mit einem
Enthusiasmus, der sich eher nachempfinden als beschreiben läßt. Nicht
daß G. beim ersten Anblick die Leichtigkeit u. Gewandtheit eines
Weltmans zeigte; im Gegentheil er mag oft verlegen sein, aber die
unglaubliche Superiorität seines Geistes, die aus wahrer Erhabenheit human wird; der in sich vollendete
Mensch, der frei u. unabhängig von jedem Vorurtheil, wie jedem
Verhältnis, das ganze Thun u. Treiben der Welt so entschieden aus dem
höchsten Gesichtspunkt betrachtet; das Selbstgefühl einer seltenen
Kraft, welches eben deswegen die edle Gutmütigkeit des Löwen bewirkt;
mit Einem Wort, das allumfassende seines intellektuellen u. moralischen
Scharfblicks - hat mich in unserm ersten Gespräch so elektrisirt, daß
meine religiöse Bewunderung seines Genies sich in wahre Andacht gegen
den Menschen verwandelt hat. Bei dieser Stimmung können Sie sich
vorstellen, wie es auf mich wirken mußte, da G. mich auf das
freundschaftlichste auszeichnete, u. mir Gelegenheit gab ihn täglich zu
sehen. Wir wurden bald so bekannt, daß wir schon, ich möchte sagen vertraut zusammen plauderten, wenn dies Wort in dieser
Verbindung mir nicht noch immer ein wenig impertinent klänge. Der
gesellschaftliche Scherz nemlich, u. der rücksichtlose freiere Witz, ist
an G. noch eine sehr glänzende Seite, von der ich ihn vorzüglich bei
einem Diné kennen lernte, das er ausdrücklich mir zu Ehren gab, u. das
aus sehr ausgewählten Personen bestand. Es ist unmöglich ihn in dieser
jovialischen Stimmung nicht höchst liebenswürdig zu finden, u. selbst
Xenien gegen mich würde ich ihm bei einem
solchen Göttermahl willig verzeihen. Uebrigens versicherte er mich
selbst, er habe mir eigentlich aus Bosheit diese Fête gegeben, um sich
selbst dadurch eine zu bereiten. Er hatte nemlich blos zwei Damen dazu
gebeten, die mich kennen lernen wolten; die Verfasserin der Agnes von
Lilien, u. ein schönes junges Mädchen von seltenem Genie, ein Fräulein
v. Imhof, von der ich Ihnen noch mehr sagen werde. Um mich nun, wie er
meinte, nicht zu Athem kommen zu lassen, hatte er die Plätze durch
gelegte Zettelchen vorgeschrieben, u. mir den meinigen zwischen diesen
beiden weiblichen Genien angewiesen. […] / Ich wolte in W. nur 2 od. 3
Tage bleiben, u. es wurden 6 draus, wovon aber beinah 2 wieder zu einer
kleinen Reise nach Jena u. nach Osmanstedt abgingen, um Schiller u.
Wieland zu sprechen. An erstern gab mir Göthe einen Brief mit […] /
Herders alle beide, Göthe, Frl. Göchhausen, Frau v. Wolzogen u. Frl.
Imhof bildeten einen kleinen Kreis, aus dem ich mich sehr ungern
losgerissen habe. Wir berechneten alle Möglichkeiten recht oft beisamen
zu sein, u. ein freundlicher Genius muß es Ihnen u. der liebenswürdigen
Frau v. B[erg] zugeflüstert haben, wie lebendig Ihr Andenken unter uns
gewesen […] / Ich wolte vorigen Donnerstag [22. Februar] früh ganz
zuverlässig von dort wegreisen. Meine Pferde waren schon bestellt u.
alles angeordnet, als Göthe mich nach dem Abschied von den
Fürstlichkeiten noch bei Seite zog, u. sagte: 'Nun lassen Sie noch ein
vernünftiges Wort mit sich sprechen. Dieser Abschied ist recht gut; aber
Sie bleiben noch einen Tag incognito, u. ich geb' Ihnen einen Thee, wie
Sie ihn in ganz Paris nicht wieder bekommen sollen. Es ist schon alles
angeordnet; Sie werden keine Einwendungen machen. Die Fr. v. Wolzogen
giebt Ihnen auch noch ein Diné, u. Sie sollen Ihre Freunde noch Einmal
recht orndlich geniessen" (GSA Weimar, Nachl. Berg-Voß 7; zitiert nach:
Goethe-Begegnungen und Gespräche, Bd. IV, S. 401-402).
[Schließen]Durchreise in Weimar
persönlich bekannt zu werden, und hat daher gegenwärtige Adresse von mir
verlangt.
Als Freund der W. v. Humboldt hatte die Weihnachtstage 1789 in
Begleitung seiner damaligen Verlobten und späteren Frau Caroline von
Dacheröden in Weimar zugebracht und hatte dort Goethe kennengelernt.
1794 zog die junge Familie nach Jena, oft besucht vom Bruder A. v.
Humboldt; der enge persönliche Verkehr mit Schiller in Jena und dann
auch mit Goethe währte bis 1797, dann ging die Familie W. v. Humboldt
für vier Jahre nach Paris.
[Schließen]
Familie v. Humboldt
, und überhaupt als ein Mann von liberalem Geiste, der selbst verschiedene
glückliche Von Brinckmann waren u.a. erschienen: Gedichte. 2
Bde., Leipzig 1789, und Beiträge in Schillers Musen-Almanach
1798.
[Schließen]Versuche in den Musenkünsten gemacht hat, bedarf derselbe keiner weitern Introduction.
Die schöne Welt bedauert, in ihm einen der aimabelsten Gesellschafter zu
verlieren, und auch ich leide durch seinen Abgang einen individuellen Verlust,
nemlich meine gewöhnliche Hirt spielte oft und gerne Schach. 1803 ist er
Mitbegründer des Schach-Club in Berlin mit der Mitglieds-Nr. 4. - Zum
"Schach-Club" vgl. Hans und Barbara Holländer: Schadows Schachclub. Ein
Spiel der Vernunft in Berlin 1803-1805. Ausstellungskatalog Staatliche
Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. Berlin 2003. - Diess.: Der
Schach-Club von 1803. In: Motschmann, Uta (Hrsg.): Handbuch der Berliner
Vereine und Gesellschaften 1786-1815, Berlin 2015, S. 20-215.
[Schließen]Schachparthie nach dem Mittageßen.
Sie erlauben mir beyzusetzen, daß mir Daniel Berger und Hans Christian Genelli.
[Schließen]nebst zwey andern die Ein abfälliges Urteil über Hirts Tätigkeit an der
Berliner Kunstakademie teilte August Wilhelm Schlegel in einem Brief an
Goethe mit, Dresden, 18. Juli 1798: "Bey der hiesigen Akademie [in
Dresden] scheinen wie in Berlin, und wie es überhaupt das Loos der
Akademien seyn mag, die Sachen ziemlich auf dem Kopfe zu stehen. Dort
soll Hirt die Anlagen der Künstler untersuchen und sie auf den
richtigsten Weg zur Bildung führen; hier ist Seidelmann Direktor
geworden, der nichts eignes zeichnen, geschweige denn mahlen kann" (Digitale Edition der Korrespondenz August Wilhelm
Schlegels).
[Schließen]neue Organisirung des Kunststudiums sowohl der hiesigen Academie, als
der gesammten provinzialzeichnungsschulen ist übertragen worden. Auch habe ich
Heynitz schreibt am 18. Januar 1798 an Hirt: "Da
des Königs Majestät die Anlage, und Errichtung eines Musæi, so nützlich
solches auch seyn mögte, bis auf günstigere Zeiten auszusetzen befohlen,
dabey aber geäußert haben, daß es gantz gut seyn würde, einen
vorläufigen Plan dazu auszuarbeiten, welcher, bis zum Augenblick der
Ausführung, vollkommen reifen und diese erleichtern könnte, So ersuche
ich den Herrn Hofrath Hirt, einen solchen Plan dazu auszuarbeiten und
mir zu seiner Zeit zu weiterer Beförderung vorzulegen" (Stock, 1929, Nr.
20, S. 83). - Zur Ausführung des Auftrags siehe Hirts Gutachten vom
22.09.1798 "Ueber die Errichtung eines Kgl. Museums der Antiken, und
einer Kgl. Gemäldegallerie (GStA PK, I. HA, rep. 76 alt III Nr. 62, Bl.
3r-v, und Beilage Bl. 4r-24v).
[Schließen]den individuellen Auftrag, Vgl. dazu:
AdK/1798-09-22-Ueber-Einrichtung-eines-Kunstmuseums; mit
Sacherläuterung.
[Schließen]die Riße für ein zu errichtendes
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Museum, worin alle Kunstwerke des
königlichen Hauses sollen gesammelt werden, zu entwerfen. Sie sehen
hieraus, daß unser neuer König
keinesweges abgeneigt ist, die Aufnahme der Künste in seinen Landen zu
befördern. Ich wünschte wohl - da doch die Sache etwas ernsthafter, und im
großen soll betrieben werden, über manches mich mit Ihnen unterreden zu können.
Indeßen wenn Sie es erlauben, und in der Folge sich eine Schicklichkeit hiezu
zeiget, werde ich Ihnen das Ensemble meiner Ideen hierüber zuschicken.
Der Architekt Gentz hätte iezt Muße
zur Bearbeitung der Ideen für die innere Decoration des Vgl. An Goethe, 02.12.1797.
[Schließen]
herzoglichen
Schloßes
; und erwartet daher Ihre nähere Verfügung.
Berlin den 31ten Jan. 1798