Berlin den 8ten März 1800.
Leider sehe ich, daß ich Ihnen, mein lieber Freund, wieder Brief erschlossen: [Von Böttiger, November
1799].
[Schließen]seit dem November eine Antwort schuldig bin. Allein Sie wißen schon, daß Sie mit einem saumseeligen Schreiber zu thun
haben, der doch im Grunde an Niemand lieber, als an Sie, schreibet.
Mich freuet es, daß Sie einiges in Hirt hatte seine Aufsätze "Ueber die Mahlerey bey den Alten",
seine Stellungnahme zur Etablierung einer
Bauakademie (vgl. Amtliche Schriften, 15.02.1799) und "Ueber die Einrichtung eines Königlichen
Museums der Antiken und einer königlichen Gemäldegallerie"
geschickt; vgl. An Böttiger, 15.08.1799.
[Schließen]meinen Papieren gefunden, das Sie intereßiren konnte; und es ist mir angenehm, daß
H. v. Wollzogen dießelben auch
hat durchblättern wollen. Seine Erinnerung, daß es für den Architekt wesentlich
sey, sich in der Steinmezkunst geübt zu haben, ist allerdings gut; doch glaube
ich, ist es viel wesentlicher und hinreichend, daß der junge Architekt Übung im
Modellmachen erlerne, sey es in Thon, Gips, Holz, oder Pappe, denn der Architekt
ist es, welcher die Muster dem Steinmezen vorlegen muß. Praktische Übung im
Steinhauen bedarf der Architekt übrigens wohl nicht.
Was Sie selbst über das Alter des Schiffbemahlens erinnern: möchte ich wohl, daß
Sie gelegentlich der Sache näher nachspürten. Hirt geht in seiner ersten Abhandlung "Ueber die
Mahlerey bey den Alten", die er am 1. August 1799 in der Akademie der
Wissenschaften las, ausführlich auf die Enkaustik ein und zitiert
Plinius (Naturalis Historia): "Es ist bekannt, dass es vor Alters zwey
Arten in Encaustik zu mahlen gegeben hat, nehmlich mit Wachs und auf
Elfenbein, vermittelst des Griffels, bis man anfing die Schiffe zu
bemahlen. Dann kam die dritte Art hinzu, nehmlich das Wachs am Feuer
aufzulösen, und den Pinsel zu gebrauchen. Diese Mahlerey an den Schiffen
leidet weder durch die Sonne, noch das Meersalz, noch durch die Winde"
(S. 214-215).
[Schließen]Nach den Worten des Plinius
sollte man glauben, daß das Encaustik auf Schiffe sehr neu sey. Es wäre
daher sehr intereßant, etwas zu finden, daß uns zu glauben autorisirte, daß die
frühere Schiffsmahlerey (etwa bey den Phoeniziern) wirklich Bestand gegen Sturm,
und Salzwaßer gehabt habe, und ob die Temperatur der Farben mit Oel schon früher
bekannt gewesen sey. Ich kann es mir kaum denken: sonst glaube ich nicht, daß
man je darauf verfallen seyn würde, Wachs damit zu mischen. Ich selbst werde
auch noch mehr hierüber nachspüren, besonders da ich noch Zeit habe, bis die
Abhandlung gedruckt wird, das wohl
noch ein paar Jahre anstehen könnte. –
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H. Rode hat mir schon vor längerer Zeit eine Widerlegung über meine Abhandlung der toskanischen Bauart zugesandt: und etwas später auch manche Einwürfe gegen meine Darstellung des varronischen ornithon's . Beyde werden im hiesigen Baujournal gedrukt, zugleich mit einer Replik: wodurch die Rodischen Gegendarstellungen überwogen seyn möchten. - Mir ist leid, daß er bey dieser Gelegenheit eine ganz falsche bekannte Leseart wieder in Text, den er iezt drucken läßt, aufgenommen hat. - Piranesi's magnificenza Romani ist eitel Prunk. Als Architekt ist er gar nicht zu betrachten, und seine Kupfer beynahe gar nicht zu gebrauchen für den, der die monumente nicht kennet, weil er alles so unreif, übereilt und beflißentlich lügenhaft giebt.
Möglicherweise ist hier Böttigers Aufsatz "Pallas
Musica und Apollo der Marsyastödter" (Attisches Museum 1796, I) gemeint.
Wieland hatte darin eine Stelle als falsch kritisiert. Dazu schreibt
Böttiger in seinem Beitrag über Wieland in "Literarische Zustände und
Zeitgenossen": "Den 24. Decembr. 96. […] Spinfüßeleien nennt Wieland seine scharfen Kritiken über
kleine historische Unrichtigkeiten. So rügte er meine fehlerhafte
Benennung des Octavianus in einer Anmerkung zum 2ten Stück des attischen
Museums, wo von Apollo Tortor die Rede ist, u. ich von der coena
δωδεκαθεοι sagte, August habe ihr als Apollo
beygewohnt. Dieß sei um so unverzeihlicher, da Octavian als August sich
solcher ὑβρις gewiß nie schuldig gemacht habe,
weil ihm alsdann von Mäcenas und Agrippa schon der Kopf zu Recht gesetzt
worden. Dieß habe er in seiner Anmerkung im Horaz bewiesen. Hierbey
ereiferte er sich, daß man trotz seiner Deductionen den Horaz immer noch
für einen Schmeichler, die Faustina immer noch für eine Hure hält"
(zitiert nach: Klaus Gerlach und René Sternke (Hrsg.): Karl August
Böttiger: Literarische Zustände und Zeitgenossen, Taschenbuchausgabe,
Berlin 2005, S. 210). - Es kann jedoch ebenso - in Anlehnung an Wielands
Ausspruch - eine Kritik Böttigers an einer fehlerhaften Darstellung in
einem Aufsatz eines Dritten gemeint sein. - Gegenüber Christian Gottlob
Heyne erwähnt Böttiger diesen Begriff ebenfalls; hier ist er auf den 3.
Band seiner "Griechischen Vasengemälde" bezogen: "Das gütige Lob, was
Sie meinen Vasenerklärungen geben, soll mich nicht stolz machen. […]
Ach, wenn Sie wüßten, unter welchen traurigen Zerstreuungen und
Unterbrechungen ich diese antiquarischen Spinnfüßeleien, wie sie Wieland
nennt, gewöhnlich zusammenstückeln muß; Sie würden Nachsicht mit mir
haben." (Böttiger an Heyne, 22. Juni 1800: Briefwechsel Böttiger, S.
100).
[Schließen]Ihr mythologisches Spinnfüßelein war mir ein sehr angenehmes Geschenk, so wie alles, was ich in dieser Art
von Ihnen sehe u. lese. Mit großem Vergnügen las ich heute noch Ihren Aufsaz über die Neujahrslampe, und Ihren
Beytrag der Gartenkunst der Alten. Ich
bewundere Sie immer, und kann nicht begreiffen, woher Sie Zeit zu allem finden.
Ich wünschte sehr, daß Sie Ihre weitern Forschungen über die Gartenkunst Im März-Heft des NTM 1800.
[Schließen]fortsezten.
Es freuet mich, daß Sie die Das 3. Heft erschien 1800 bei dem neuen Verleger
Georg Christ. Keil in Magdeburg. Der Vorbericht ist datiert: "Weimar,
den 1sten May 1800". – Eine von Böttiger und Tischbein geplante
Fortsetzung, an der beide bis 1801 arbeiteten, wurde nicht realisiert.
In Böttigers Nachlass in der SLUB Dresden befindet sich ein von Böttiger
verfasster Plan zu "Neues Tischbeinisches Vasen-Werk", datiert: Weimar
den 28 August 1800 (vgl. dazu ausführlich: Briefwechsel Böttiger-Heyne,
Anm. zu Brief 96, Z. 28).
[Schließen]
Vasenerklärungen fortsezen wollen
. Das 3. Heft enthält "Auszug aus Hrn. Hofrath
Hirts Vorlesung über die verschiedenen Arten zu mahlen bei den Alten in
der Berliner Academie der Wissenschaften den 1. August 1799" (S.
24-28)
[Schließen]Gerne erlaube ich Ihnen zu gebrauchen, was ich über die Vasenencaustik gesagt habe
. Auch möchte ich gerne mit Beyträgen behülflich seyn: aber wahrlich es
ist etwas schwer, bey mir auf etwas sicheres, und auf eine bestimmte Zeit zu
rechnen. Ich habe noch eine so große Menge von Arbeiten vor mir und je mehr man
voranschreitet, desto mehr häufen sich Schwierigkeiten, besonders wenn man etwas
bestehendes vollendetes liefern möchte. Ich arbeite immer fort ununterbrochen so
viel es möglich ist, an meinen architektonischen Sachen. Bis ich da nicht etwas
voran bin, mag ich nicht gerne an anderes denken.
| 3 Von Goethe habe ich damals auf "Über das
Vogelhaus des M. Terentius Varro" und "Über die toskanische Bauart und nach
Vitruv"; vgl. An Goethe, 22.08.1799.
[Schließen]meine kleinen übersendungen einen höflichen Von Goethe, 04.11.1799.
[Schließen]Brief gehabt: aber von den Papieren, welche er von Ihnen verlangen sollte,
sagte er nicht ein Wort. Über die kunstästhetischen Prinzipien des
"Schönen" und des "Charakteristischen", abgehandelt an der
Laokoon-Gruppe.
[Schließen]über unsern Streit schreibet er gelaßen, und scheinet es, als eine Große Nebensache zu
behandeln. übrigens obwohl ich wohl ein Im Buchdruck wurden bis ins 19. Jahrhundert die
Druckbogen mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnet (außer J, U und
W). Ein Alphabet entspricht daher 23 Bogen.
[Schließen]Alphabet hierüber zusammengeschrieben habe, werde ich doch nichts für iezt bekannt
machen. Kommt Zeit, kommt Rath! übrigens ist das Betragen gegen Sie die lezte
der Schwachheiten eines großen Mannes. Er sagt mir, daß er mit allem Ernst u.
Kraft die Propylæen fortsezen werde. Die
gegebenen Proben vom Mahomet sind
vortrefflich. - übrigens schwimmen die Aufsäze in dieser Zeitschrift bis iezt
noch in der allgemeinen Oberflächlichkeit umher, und wenn sich die Herrn
Verfaßer auch im Innern der Propylæen zu seyn wähnen, so halten sie wenigstens ihre Leser, als
ungeweihte, biß iezt unter der Traufe. Ich bin zwar nicht der Meinung der
Ramdohrischen
In der "Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek",
Bd. 55, 1800, 1. St., S. 302-304, findet sich eine Rezension "Propyläen.
Eine periodische Schrift, herausgegeben von Göthe. Erster Band.
Tübingen, bey Cotta. 1798. Zweyter Band. 1799.", unterzeichnet mit dem
Autorenkürzel "So."
[Schließen]
Kritik in der
allgemeinen deutschen Bibliothek
– aber ich bin ihres Aesthetisirens müde, oder wünschte wenigstens, daß
ihre Ideen deutlicher gegeben würden: die Ideen schweben immer im Nebel; und
nicht jeder ist ein Oedipus, um
Räthsel zu lösen.
Der hyperboreische Esel war ein
herrliches Produkt: und Zur Figur des Karl heißt es darin: "Die Rolle des
Karl ist einzig und allein, und zwar wörtlich aus den bekannten und
berühmten Schriften der Herren Gebrüder Schlegel gezogen. Alle die
goldenen Sprüchlein dieser Weisen sind sorgfältig unterstrichen worden,
theils, damit man nicht glauben möge, ich wolle mich mit fremden Federn
schmücken, theils weil – wie gleichfalls Einer ihrer goldenen Sprüche
behauptet – in der wahren Prosa Alles unterstrichen sein muß".
[Schließen]Persiflage scheint die über der Zeileächte
Waffe zu seyn, die Aufgedunsenheit dieser
Herrn anzupacken. Es ist nun wieder ein Band Athenæum unter der Preße. – Bury schrieb uns vor einiger Zeit, Aus Weimar, vgl. Von Goethe, 04.11.1799.
[Schließen]er wollte hieher kommen: Aber da es nicht geschehen, weiß ich nicht, was er weiter beginnen wird.
Von Tischbein weiß ich nichts, als
daß er Christian Gottlob Heyne schreibt am 27. November
1799 aus Göttingen an Böttiger: "Tischbein geht zwischen hier u. Cassel.
Jetzt hat er seinen Neveu hier u. läßt seine Zeichnungen radiren"
(Briefwechsel Böttiger-Heyne, S. 93). Und Georg Tatter berichtet an
Georg Zoëga, Hannover, 15. Mai 1800: "Tischbein theilt seine Zeit
zwischen Göttingen und Cassel und lebt und webt mehr wie jemals in seinem Homer und in seinem
Thierphysionomiksystem" (Zoëga-Briefe, Bd. IV, 2013, Nr. 827, S.
227).
[Schließen]abwechselnd in Cassel und
Göttingen
seyn soll. – Wie verhält es sich denn mit derHerder hatte für die dann "Adrastea" genannte Zeitschrift
ursprünglich den Titel "Aurora" vorgesehen; nahm aber davon Abstand, als
er erfuhr, dass bereits eine Zeitschrift "Aurora. Deutschlands Töchtern
geweiht" angekündigt werde. Eine "Ankündigung einer neuen Zeitschrift
'Aurora', herausgegeben von J. G. Herder" war am 20. Mai 1799 von Herder
geschrieben worden. Günter Arnold hat im Herder-Nachlass einen Entwurf
zur 'Aurora' gefunden (nach: Gerhard Sauder: Die Darstellung von
Aufklärung in Herders 'Adrastea' und die Kritik Schillers und Goethes.
In: Andre Rudolph, Ernst Stöckmann (Hrsg.): Aufklärung und Weimarer
Klassk im Dialog, S. 171f.). - Vgl. Günter Arnold: Geschichte und
Geschichtsphilosophie in Herders 'Adrastea'. In: Impulse 7 (1984), S.
224-261. - Ders.: 'Den besten Begriff einer Sache gibt ihr Ursprung'.
Herders Entwürfe zur 'Adrastea'. In: Editio 14 (2000), S. 144-158. -
Auch: Otto Stammeier: Herders Zeitschrift 'Adrastea'. Diss. München
1950.
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Aurora von Herder
? bis iezt habe ich nicht davon vernommen. wer ist denn der Stifter des Janus ? selbst habe ich noch nichts davon gelesen.
Empfehlen Sie mich der guten Herzogin: meine herzlichen Grüße an das Herdersche Haus , und Wollzogen.
Ich bin von HerzenIhr Hirt
Ich bitte den Nicht ermittelt.
[Schließen]Einschluß gelegentlich "Behörde […] Der gehörige Ort, der Ort, an
welchen eine Sache hin gehöret" (Johann Christoph Adelungs Auszug aus
dem grammatisch-kritischen Wörterbuche, Bd. 1, 1793, S. 676).
[Schließen]an Behörde zu übersenden.