Berlin den 26ten Sept. 1797.
Daß ich ein saumseliger Schreiber bin, da
ß
s
wißen meine Freunde schon lang: daß ich es indeßen gegen meinen mir so
liebgewordenen Freund Böttiger so wenig als möglich seyn möchte, werden Sie mir
glauben, weil ich es Ihnen versichere. Für's erste also Dank für Brief erschlossen: Von Böttiger, vor
26.09.1797.
[Schließen]Ihren Brief, und den Vermutlich Goethes Laokoon-Aufsatz; siehe
unten.
[Schließen]Einschluß. ich antwortete nicht so gleich, weil ich zum theil sehr – doch nicht wie
unser Wohl Goethe gemeint.
[Schließen]
Weimarer Freund – doch sehr die Zeit her beschäftiget war, theils einiges mehrere bericht
ige
en
wollte. –
Leider! bin ich seither Hirt und Böttiger waren am 4. August gemeinsam
von Dessau nach Potsdam abgereist und hatten die königlichen
Kunstschätze in den Potsdamer Schlössern besichtigt.
[Schließen]noch nicht wieder in Potsdam gewesen, obwohl ich schon zweymal die Pferde dahinzugehen bestellt hatte: also
ein andermal mehr hievon: – Die Fürstin v
Dessau
Brief erschlossen: Von Louise von Anhalt-Dessau,
vor 26.09.1797. - Böttiger hatte sich Ende August erneut inWörlitz
aufgehalten; Louise von Anhalt-Dessau erwähnt in ihrem Tagebuch zwei
Begegnungen mit Böttiger am Vormittag und am Nachmittag des 28. August
(Tagebücher LvAD, Bd. 1, S. 315).
[Schließen]schrieb mir sehr viel hübsches, Sie betreffend, und Sie haben sehr bey ihr gewonnen.
– Sachverhalt unklar. Ob hier ein in Wörlitz oder
Dessau befindliches Bild von Gerard de Lairesse gemeint ist oder eines
aus der Dresdner Galerie oder aber aus den Berliner und Potsdamer
Schlössern, konnte nicht ermittelt werden.
[Schließen]Das Bild von Lairesse
kenne ich: weiß aber auch nichts näheres über die Vorstellung.
Goethes Laokoon-Aufsatz, den er als Antwort auf Hirts in den "Horen"
veröffentlichten Laokoon-Aufsatz geschrieben hatte. Der Aufsatz wurde
bereits im Juli 1797 niedergeschrieben, aber erst im Oktober 1798
veröffentlicht. Böttiger hat Hirt eine Manuskriptfassung zugeschickt,
wie er auch Hirts Entgegnung darauf, den "Nachtrag über Laokoon", vor
dem Druck an Goethe gelangen ließ (vgl. Goethe an Schiller, 17. Januar
1798: "Zugleich erhalten Sie einen Nachtrag von Freund Hirt über seinen
Laokoon. / Böttiger hat, nach seiner beliebten Art, meinen Aufsatz über
diese Materie an ienen Freund verrathen und dieser ist dadurch in die
größte Bewegung gesetzt worden, wie der Nachtrag ausweist" (Goethe WA,
IV, Bd.13, Nr. 3717, S. 28).
[Schließen]Den Aufsaz v. Göthe
mit dem meinigen u. dem Briefe
erhalten Sie nächstens - ich habe alles fertig, aber nicht in ordnung
geschrieben. Sagen Sie mir übrigens doch bald, Goethe befand sich auf seiner dritten Reise in
die Schweiz (30. Juli bis Ende November 1797). Er besuchte u.a. seine
Heimatstadt Frankfurt, den Rheinfall, Zürich, Stäfa und bestieg den
Gotthard, jedoch ohne - wie es sein Wunsch war - nach Italien
weiterzureisen.
[Schließen]wann Göthe
zurückkomt – ich kaufte indeßen Das Gemälde wurde lange Zeit von Goethe wie auch
von seinem Sekretär Christian Schuchardt, der die erste Zusammenstellung
des Goetheschen Kunstbesitzes veröffentlicht hatte, für eine Arbeit von
Domenico Zampieri, gen. Dominichino gehalten (vgl. Christian Schuchardt:
Goethes Kunstsammlungen, Erster Theil, Jena 1848, S. 327, Nr. 8). In der
Goethehaus-Monographie von 1996 (Gisela Maul, Margarete Oppel: Goethes
Wohnhaus. München, Wien 1996, S. 78, Nr. 5) wird es dem Maler Paul Bril
(1554-1626) zugeschrieben. Heute hält man allerdings einen unbekannten
italienischen Künstler für wahrscheinlicher. - Das Bild ist im Großen
Sammlungszimmer des Goethehauses am Weimarer Frauenplan ausgestellt.
(Freundliche Auskunft von Frau Dr. Bettina Werche vom Goethehaus
Weimar).
[Schließen]die Landschaft v. Dominichino
, vielleicht etwas zu theuer,
G
i
ch werde sie auch bald abschicken, u. sollte sie dort nicht gefallen,
oder zu theuer scheinen, so schickt man sie mir wieder zurück.
An Tischbein schrieb ich noch nicht:
Ein solcher Brief ist nicht bekannt und kann auch
nicht sicher erschlossen werden..
[Schließen]wird aber geschehen: gestochen sah ich den Möglicherweise ist ein Probeheft von Johann
Heinrich Wilhelm Tischbeins Zeichnungen zur Odyssee gemeint. Das erst
1801 in Göttingen von Christian Gottlob Heyne und Tischbein
herausgegebene Werk "Homer nach Antiken gezeichnet" enthält auch mehrere
Zeichnungen zur "Fabel vom Cyclopen Polyphem", u.a. "Polyphem hält einen Erschlagenen von
den Gefährten des Ulyss, und Ulyss reicht ihm den Becher" ("Odysseus und
seine Gefährten machen den auf einem toten Gefährten tretenden Polyphem
betrunken").
[Schließen]
Ulyss in Polyphem's Höhle
noch nicht: ich kenne aber zwey antike Monumente, ja drey - diese Mythe
vorstellend.
| 2
Gestern als am Geburtstage unseres Königes hatten wir öfentliche Versammlung in der Akademie der Künste. Es wurden mehrere Reden
verlesen. erstlich vom Minister Heinitz – der die Versammlung er mit einer Anrede Anrede
eröffnete - 2
tens
stellte verlas der Secretär (der geheime
Rath Mölter) das Summarium von dem,
was die Akademie das Jahr durch gethan,
und geleistet hat etc. 3
tens
las der geh. Rath Langhans über
Neben den Entwürfen von Langhans und Hirt (siehe
unten) wurden noch Entwürfe von Johann Gottfried Schadow, Johann
Heinrich Gentz und Friedrich Gilly eingereicht.
[Schließen]die eingereichten Projekte für das Monument Friedrichs II
, und endlich ausführlich über In der "Beschreibung derjenigen Kunstwerke,
welche von der Königlichen Akademie der bildenden Künste und
mechanischen Wissenschaften in den Zimmern der Akademie dem Königl.
Marstalle auf der Neustadt den 26. September und folgende Tage […]
öffentlich ausgestellt sind" (Börsch-Supan, 1971, Ausstellung1797, Nr.
309, S. 55-56) ist das Modell von Langhans beschrieben: "Grundriß,
Aufriß und Profil eines runden Tempels, dessen Untersatz 3 Stufen
bilden, über welchem sich 12 Ionische Säulen im Zirkel erheben, die eine
runde Kuppel tragen. Die Säulen sind nach dem Porticus des Philipp von
Macedonien auf Delos geformt […] Die Kuppel ist nach dem Pantheon zu Rom
gearbeitet […] Die Säulen werden von Granit, die Capitaler von Marmor
ausgeführt […] Dieses Monument wird auf Sr. Majestät Befehl am Anfange
der Linden zwischen dem Pallast des Prinzen Heinrich K. H., der
Bibliothek und dem Opernhause errichtet werden."
[Schließen]
sein eigenes, als das
zuerrichtende, wovon ein Modell in Gips aufgestellt war. 4
tens
Beim Druck der Gedächtnisrede ist vermerkt:
"Wegen Unpäßlichkeit des abwesenden Verfassers ward diese Rede am
Geburtsfeste des Königs in der öffentlichen Sitzung der Akademie vom
Herrn Oberconsistorial-Rath Dr. Gedike vorgelesen."
[Schließen]verlas Gedike
das Eloge vom seeligen Direktor
Rode, das Ramler geschrieben hatte. 5
tens
las ich über den königlichen
Kunstschaz, und über die Vereinig
end
ung
desselben in ein Museum,
und eine Gallerie – und zwar in Berlin selbst (dieser Aufsaz erregte allgemeine sensation) 5
tens
Der Druck der Rede im "Berlinischen Archiv der
Zeit" beginnt mit den Sätzen: "Die folgende Abhandlung wurde von dem
Verfasser bei der zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs
veranstalteten öffentlichen Sitzung der Königl. Akademie der bildenden
Künste und mechanischen Wissenschaften am 25sten September 1797
vorgelesen. Sie wird den Lesern hier gegeben, wie sie die Zuhörer
empfingen. Veranlassung und Ort rechtfertigte indeß damals die Kürze,
und hießen dasjenige gut, was dieser Abhandlung an der Ausführlichkeit
fehlt, die ein Gegenstand, wie dieser, nicht allein verdient, sondern
fordern darf, und welche man jetzt, wo jene Hindernisse wegfallen, mit
Recht erwarten zu können glauben mag. - Allein es lag dem Verfasser
daran, ehe er diese Ideen, die, nach seiner Meinung, über alle Fächer
der Kunst, alle Gegenstände und Behandlungsarten derselben ein Licht
verbreiten, weiter ausführte, sie dem Urtheil derer vorzulegen, denen
Gegenstände dieser Art werth sind, und die ein Recht haben, entscheidend
darüber zu sprechen."
[Schließen]las Rambach
einen hübschen Aufsaz über den Werth der
schönen Künste
– oder wie er sonst seinen Aufsaz betitelt. – Die Sizung dauerte von 10.
bis 1. Uhr. unter einem großen Gedränge von Menschen. – Die Die in der Regel alle zwei Jahre stattfindende
Berliner Kunstausstellung. In den Jahren 1797 und 1798 fanden
nacheinander zwei Ausstellungen statt.
[Schließen]Ausstellung, die heute dem Publikum eröfnet worden, ist dieß Jahr sehr reich an allen
Arten Kunst und Handwerksprodukten - auch ist einiges erträglich dabey. – Eben
werde ich zum Könige gerufen, mit dem
Befehl Vgl. [Anonym]: Zeichnungen und Entwürfe zu dem
auf Seiner Majestät des Königs allergnädigsten Befehl Höchstdero
verewigtem Oheim dem hochseligen Könige Friedrich dem II zu errichtenden
Monumente. Vom Herrn Hofrath Hirt. In: Beschreibung derjenigen
Kunstwerke, welche von der Königlichen Akademie der bildenden Künste und
mechanischen Wissenschaften in den Zimmern der Akademie dem Königl.
Marstalle auf der Neustadt den 26. September und folgende Tage […]
öffentlich ausgestellt sind. Berlin 1797, S. 59-61, Nr. 311 (zitiert
nach Börsch-Supan, 1971, Bd. 1): "a. enthält den Grundriß eines
länglichten Tempels, mit einem Vortempel, oder Pronaon. Ganz um das
Gebäude laufen freye Säulengänge. / b. fig. I. der geometrische Aufriß
von einer der zwey Hauptansichten. Auf dem Architrav steht die Inschrift
- im Giebelfelde ist en bas-relief die Apotheose des Verklärten
vorgestellt - der Genius der Unsterblichkeit trägt ihn auf seinen
Flügeln nach dem Olymp; zwey Adler - Embleme von Preußen und Brandenburg
- begleiten den Zug: dabey ist die Stadt Berlin und der Spree-Fluß
gebildet. Über der Mitte des Giebels schwebt eine Victoria auf den
Tempel ihres Lieblings herab - sie hält in einer Hand die kriegerische,
und in der andern die Bürgerkrone - Auf den Seiten sind Trophäen
errichtet. / fig. 2. stellt den Durchschnitt des Tempels der Breite nach
vor: / In der Mitte steht der König - als Heros, und deswegen nackt
gebildet - auf einem Piedestale - er hält in der linken den Zepter, die
rechte väterlich ausstreckend. / Zur Seite sieht man zwey von den zwölf
großen Basreliefs, welche die Hauptthaten des Verewigten vorstellen: -
Über diesen sind drey kleine Reliefs, drey der vornehmsten Provinzen des
Reichs bezeichnend. / c. ist ein Durchschnitt des ganzen Gebäudes nach
seiner Länge. / 1) sieht man einen der zwey Kandelabers, welche des
Nachts den Tempel von außen erleuchten sollen. / 2) im Pronaon sieht man
zwey von den sechs großen Tafeln, auf welchen die wesentlichsten Thaten
des Verklärten verzeichnet werden sollen. / 3) im Tempel sieht man
wieder vier von den großen Basreliefs, und sechs von den kleinern. / d.
fig. I. stellt eine perspektivische Zeichnung des Gebäudes vor. / fig.
2. ist der Situations-Plan in dem Lustgarten mit Bäumen umpflanzt. / e.
Entwurf eines Basreliefs in dem Giebelfelde der andern Hauptansicht: Es
stellet die Königliche Familie vor, welche den Manen des Verklärten
Opfer bringt. / Auf dem Architrav steht der Name des Erbauers mit dem
Regierungsjahre. / Die Idee des Erfinders wäre, das Gebäude ganz von
blaulichen schlesischen Marmor zu errichten: nur die Statüe des Königs,
und die Basreliefs mit den Inscriptions-Tafeln würden von weißem Marmor
gemacht. / Die Decke im Innern würde von Holz, und vergoldet - der
Fußboden von Mosaik, oder auch von Marmor - die Victoria von getriebenen
Kupfer und so auch die Trophäen. Die Deckung von außen müßte auch von
Kupfer seyn." - Böttiger teilt die Nachricht am 2. Oktober 1797 Goethe
in der Schweiz mit (Goethe RA 2/987), der am 25. Oktober 1797 darauf
antwortet (WA, IV, Bd. 12, Nr. 3670, S. 344).
[Schließen]meine Zeichnungen vom Monumente
mitzubringen, und auch meine
| 3gestrige Rede. es ist acht Uhr.
um neun Uhr muß ich auf dem Schloße
seyn. Nachher mehr. –
Es ist halb eilfe: ich bin zurück. Der König erinnerte sich gar nicht, mein Projekt vorher gesehen zu haben: er war
allein mit der Gräfin von
Lichtenau. Ich mußte mich sezen, alles erklären, und der
König wird sogleich an Minister
schreiben, daß das mein Projekt, so wie
ich die weitere angabe treffen werde, Hirt hatte den Lustgarten vorgesehen.
[Schließen]an dem Plaze, den ich wählte, ausgeführt werde. Soviel
mündlich. Es ist zum Erstaunen, wie der Mann in den Sinn des Ganzen eingriff –
ich konnte gerade so mit ihm sprechen, als wenn ich es
Ihnen vorlegte – so unbefangen, natürlich – und so leicht ward alles begriffen –
selbst Siehe die obige Beschreibung.
[Schließen]der nakte Heros sehr natürlich gefunden, weil auf dem Architrav stehe – dem verklärten
Geiste – und im Felde des Giebels die Apotheose angebracht sey –
Ich schreibe confus, weil mich die Überraschung mein Blut etwas zu sehr in Wallung gesezt hat. Meinen gestrigen Aufsaz übergab über der Zeileich vor dem Könige der Gräfin, welche ihm denselben ganz vorlesen wird. So viel für iezt – nach eilf uhr muß ich auf der Akademie seyn, weil mein kleiner Prinz Wilhelm die Ausstellung mit mir sehen will: vielleicht kommen auch noch andere Prinzen mit. Diesen Abend ehe der Brief abgeht – seze ich noch etwas bey.
Bis halbzwey war ich auf der Akademie
: es war auch der Kronprinz da, u. später kamen auch die
zwey Prinzessinnen
. Ich machte also den Cicerone, und mußte dem Kronprinzen auch so viel es sich thun
ließ, eine Idee von meinem Monumente geben,
| 4 Das ich,
sogleich bey meiner Rückkunft vom Könige wieder in der Akademie neben den andern habe aufhängen laßen. - über das
weitere werde ich Sie zu seiner Zeit benachrichtigen. - Legen Sie mich der
besten Hier wohl die Herzoginmutter Anna Amalia
gemeint.
[Schließen]
Herzogin
zu Füßen, und sagen Sie Ihr, daß ich mich Ihrer Genesung herzlich freue.
Von Hirts Monument für Friedrich II.
[Schließen]Die Zeichnungenwerde ich nicht ermangeln zu übersenden; entweder die großen selbst oder
aber kleinere Kopien. hierüber muß ich nun selbst das Nähere abwarten. -
Mit der Hier das 2. Heft von Böttigers "Griechische
Vasengemälde mit archäologischen und artistischen Erläuterungen und
Originalkupfern" (Weimar 1798) gemeint. Darin ist jedoch kein Aufsatz
von Hirt enthalten. Vgl. dazu auch: An Böttiger, 31.10.1797; An
Böttiger, 12.12.1797.
[Schließen]Abhandlung zum 2
ten
Heft
werde ich zu seiner Zeit Wort halten. Hausaddresse ist nicht nöthig auf
meine Briefe zu sezen.
Beyde unsere gelehrten Gesellschaften fangen wieder an in beßere Ordnung zu kommen. Es sind wirklich seitdem schon einige gute Arbeiten vorgekommen.
Was ich Sie bitten muß, nichts von dem, was ich Ihnen schreibe, drucken zu laßen, oder wenigstens es nicht in einer sch speziellen Nachricht über der Zeilezu geben.
Sie haben die Achtung bey allen, die Sie hier kannten, zurükgelaßen – Deßwegen öfters Nachfrage nach Ihnen geschieht.
Empfehlen Sie mich
den Herders
, Hier sind wohl auch noch Herders Sohn Gottfried
(1774-1806), seit 1796 Arzt in Weimar, der gerade geheiratet hatte und
mit im Haus der Eltern wohnte, wie auch Bertuchs Sohn, der Journalist
und Schriftsteller Karl Bertuch (1777-1815) mit gemeint.
[Schließen]
Bertuchs
– Wieland – und so vielen
andern dort – besonders aber auch Ihrer
Frau – die Ihnen wie ich höre, einen so hübschen jungen gebracht hat. – Adieu! denken Sie
Ihres Freundes
Ich sah eben in der Allgemeinen
Literatur Zeitung
Hirt bezieht sich auf eine Kunstdebatte, die über
mehrere Jahre hinweg zwischen zwei Lagern von in Rom lebenden deutschen
Künstlern und Kunsttheoretikern geführt und in deutschen Zeitschriften
ausgetragen wurde. Die Auseinandersetzung zwischen Fernow und Müller begann mit Fernows Bericht
"Ueber einige neue Kunstwerke des Hrn. Prof. Carstens", der im Juni-Heft
des Neuen Teutschen Merkur 1795, S. 158-189 (Fortsetzung im 2. Stück
1796), erschienen war. Fernow hatte darin die Werke von Asmus Jakob
Carstens als Beginn einer neuen "Epoche der Kunst" hervorgehoben,
während er den anderen zeitgenössischen Künstlern einen "verderbten
Geschmack" und "erschlafften Geist" attestiert hatte. Friedrich Müller
und seine Freunde entgegneten mit einem Aufsatz, den sie über Friedrich
Bury an Goethe schickten: "An bey folgt eine Bitte worzu ich von einigen
Künstlern Aufgefordert wurde es Ihnen zu übersenden, nemlich eine Cridic
von Müller, über die Fernowische beschreibung von Ca[r]stens welche im
Deutschen Mercur erschienen ist, da ich schon zu verschiedenen malen
gesagt hab, daß eine solche beschreibung dem Künstler, mehr zur Schande
als zur Ehre gereicht, denn wehr seine Arbeiten sieht, überzeugt sich
bald daß derjenige welcher die beschreibung gemacht gar keine
Kunstkentnißen besässen hat; da nun Müllers Cridic mehr durch würkliche
Kunstkentnißen als durch Schmehungen wieterlegt ist, nehm ich keinen
Anstand es Ihnen zu Schiken, und bitte Ihnen in Müllers Nahmen es so
bald wie möglich im Mercur Einrüken zu lassen, und gefälligst ein
Exemplar darvon zu Schiken" (Bury an Goethe, Rom, 7. Januar 1797;
zitiert nach: Bury-Briefe, S. 90). Goethe antwortet am 28. April 1797:
"Sagen Sie Herrn Müller für den überschickten Aufsatz Dank, wir werden
denselben in die Horen setzen, weil man in dem Merkur wohl nicht gerne
einen Aufsatz eingerückt hätte, der so manches niederschlägt, was man
bisher in diesem Journal mit vieler Behaglichkeit vorgetragen hat. Es
ist schade für Herrn Fernow daß er, bey so schönen Anlagen, die man ihm
nicht absprechen kann, sich mit seinen Urtheilen dergestalt übereilt,
und, ohne vollständige Kenntniß, so manches äußert, womit denn freylich
der ältere Kenner, der einen weitern Kreis durchlaufen hat, nicht
zufrieden seyn kann" (Goethe WA, Abt. IV, Bd. 12, Nr. 3537, S. 112-113).
Müllers Aufsatz wurde tatsächlich in den "Horen" gedruckt: "Schreiben
Herrn Müllers Mahlers in Rom über die Ankündigung des Herrn Fernow von
der Ausstellung des Herrn Profeßor Carstens in Rom" (1797, 3. Stück, S.
21-44; 1797, 4. Stück, S. 4-16). Bury bedankt sich bei Goethe: "Müllers
Aufsatz ist mit vielem vergnügen hier geleßen worden, wie abgeschmakt
hat sich Fernow wieter in einem Theil im D. Merkur gezeigt, über die
Urtheilen von Hackert, A. Kauffman etc. ich kann es nicht begreifen wie
man solche Aufsätze drucken laßen kann, indem dieselben wieter alle
Wahrheiten sind" (Bury an Goethe, Rom, 13. Januar 1798; zitiert nach:
Bury-Briefe, S. 95). - Goethe hatte im Vorfeld der Veröffentlichung am
18. März 1797 an Johann Heinrich Meyer geschrieben: "Durch Bury habe ich
einen Aufsatz von Müllern in Rom gegen Fernow und Carstens erhalten, es
ist viel gutes darinn, wir wollen ihn wenn er gereinigt ist in die Horen
setzen und so wird auch auf diese Weise der Krieg fortgesetzt, denn man
muß nun einmal für allemal immer auf denselbigen Fleck pochen" (Goethe,
WA, Abt. IV, Bd. 12, Nr. 3509, S. 73); woraufhin Meyer am 13. Mai 1797
geantwortet hatte: "Es wird zwar eine zu späte Erinnerung und Bitte
seyn, das Müllerische Werk contra Fernow und Carstens einer recht
strengen Prüfung zu unterwerfen, weil ich weiß, daß in diesen Kriegen
nicht Wahrheitsliebe, sondern Leidenschaften die Treibfedern sind; denn
in Rom ist das ganze Künstlerchor jetz in zwey Parteyen getheilt, die
sich hassen, verfolgen, schmähen, beleidigen und manchen Unfug treiben.
Die Billigkeit im Urtheilen ist ihre Stärke schon ehemahls nicht gewesen
und jetz noch weniger als ehemahls; auch ist mir kund, wie in Schenken
und Kaffehhäusern man sich schon der mächtigen Verbündeten in
Deutschland rühmt. Ziehen Sie deswegen bloß den Nutzen davon, der sich
von dieser Schrift ziehen läßt, aber übrigens wenn Sie gesonnen sind wie
ich oder meine Motive weiter mündlich hören wollen, so bin ich
versichert, Sie werden des Volks eben so bald müde seyn, als ich es
geworden bin, und sie fahren lassen" (Goethe-Meyer-Briefwechsel, Bd. 1,
S. 443-444). - Fernow wollte sich in der "Allgemeinen Literatur-Zeitung"
zur Wehr setzen und schrieb dazu an Johann Pohrt, 10. Juni 1797: "Bis
jetzt habe ich nur den ersten Theil des Müllerschen Schreibens gegen
Carstens u. mich in Händen, u. bin auf den Rest im 4. Stk. der Horen
begierig, das ich auf 14 Tagen zu erhalten hoffe. Er hat seine Sache
noch besser gemacht als ich ihm zugetraut hätte, indessen leuchtet seine
hämische Seele auf allen Seiten so sichtbar hervor, daß auch der
Unbefangene u. mit der ganzen Sache Unbekannte, leicht einsehen wird,
wer von uns beyden der Sünder ist. Ich habe gestern meine Antwort oder
vielmehr Erklärung über diesen Brief aufgesetzet, obgleich ich den
Beschluß desselben nicht kenne. Aber in der ersten Hälfte ist ja doch
das Wesentliche seiner Beschuldigungen enthalten. Sobald ich auch jene
kenne, werde ich meine Antikritik an die Expedizion der allg. D. Litt.
Zeitung absenden, um sie ins Intelligenzblatt rücken zu lassen. Ich mag
Wieland nicht zumuthen, sein Journal zu dem nichtswerthen Streit
herzugeben, u. da ich bisher mit den Horen nichts zu thun hatte, so will
ich mich jetzt nicht der Zurückweisung aussetzen, da ich schwerlich
glaube, daß man meine Erklärung darin aufnehmen möchte! Du wirst sie
also wohl in einigen Monathen in der Lit. Zeitung finden u. wie ich
hoffe damit zufrieden seyn. Sie ist gerade u. derb, wie man mit
schlechten Menschen sprechen muß, u. ich habe H. Müller in sein
eigenthümliches Licht gestellt, wozu ich viel interessante Daten in Rom
sammeln konnte. Auch H. Makko u. Bury wirst du als Ungenannte darin
finden. Ich bitte Dich, mir in der Folge zu melden, was Du über Müllers
Brief u. meine Erklärung urtheilen hörst. Ich hätte für mich allein
nicht geantwortet, wenn nicht Carstens eigentlich der Angegriffene u.
ich nur das Stichblatt wäre. Seinetwegen hielt ich es für nöthig zu
antworten, damit Müllers Brief ihm auf keinen Fall schade" (Fernow,
Römische Briefe an Johann Pohrt, S. 246-247). Vgl. auch Fernow an Pohrt,
Rom, 27. Mai 1797: "Daß Müller, erbittert auf das Lob, welches ich den
Carstensschen Werken vor 2 Jahren öffentlich im Merkur beygelegt habe,
etwas gegen mich schreiben werde u. wirklich geschrieben habe, wußte ich
schon seit einem halben Jahre; ich wußte es auch, als er im letzten
Winter durch die 3. Hand das Stück des Merkur von mir leihen ließ, daß
es zu diesem Zweck seyn sollte, u. gab es ihm ohne Rückhalt, damit er
seinen Willen habe u. nicht denke, daß ich mich vor ihm fürchte. Blos
die Nachricht, daß sein opus in den Horen eingereiht sey, war mir in
deinem Briefe neu, ich erwarte das 3. Stück der Horen in 8 oder 14
Tagen. Meine Antwort ist fertig ohne daß ich es gelesen habe, u. ich
will es blos lesen, ehe ich sie abschicke. Du wirst sie mit wenigen
Zeilen in der Literaturzeitung dereinst finden. Ich hoffe, er wird mir
nicht wieder kommen" (ebd., S. 244). Doch "Carstens beruhigte sich,
sobald er die Schrift [von Müller in den Horen] gelesen hatte, durch die
Überzeugung, daß sie zu boshaft und zu hämisch sei, um auf verständige
Leser einen Eindruck zu machen, der ihm nachtheilig sein könnte, und so
fand auch der Verfasser jede Vertheidigung des Künstlers, dem er
eigentlich diese Kränkung zugezogen hatte, nach reiflicher Überlegung
unnöthig" (Carstens, Leben und Werke von K. L. Fernow. Hrsg. und erg.
von Herman Riegel. Hannover 1867, S. 152). - Fernow schreibt an Pohrt,
Rom, 5. August 1797: "Deine Nachrichten über den Eindruck den Müllers
Brief bey verschiedenen Männern, die eben nicht auf den Kopf gefallen
sind, in Deutschland gemacht hatte, lassen mich hoffen, daß mehrere
Ehrenmänner so denken werden. Ich sende mit der heutigen Post meine
Erklärung zum Einrücken in die Allg. Litt. Zeitung, ab. Sie ist nur kurz
u. ganz gemäßigt. ich denke, daß ich mehr Ehre davon habe, die sache auf
sich beruhen zu lassen, als wenn ich seine Eiterbeulen u. faulen
Geschwüre vor dem Publikum aufdecken wollte. Denn was ich von Müllern
sagen müßte, um ihn in sein eigenes Licht zu stellen, würde allen, die
ihn nicht kennen für Impertinenz u. Schandschrift gelten. Ich will mich
mit seinem Schimpf und Schmutz nicht besudeln. Dein Brief hat mich
völlig zu dieser Art die Sache zu nehmen bestimmt, etwas mußte ich
sagen, um zu zeigen daß ich den Brief kenne. Ich hoffe du wirst mein
Benehmen billigen u. mit Dir alle vernünftigen Leute" (Fernow, Römische
Briefe, S. 260-261). Ins Intelligenzblatt der ALZ Nr. 112, Mittwoch, 13.
Sept. 1797, Sp. 943-944, lässt Fernow folgende "Erklärung, Hrn. Mahler
Müllers Brief, im 3ten und 4ten Stück des laufenden Jahrganges der Horen
betreffend" einrücken, auf die Hirt im vorliegenden Brief anspielt: "Ich
hege eine zu richtige Meynung von dem aufgeklärten Publikum der
Monathschrift, in welcher Hrn. Müllers, wider Hrn. Carstens und mich
gerichteter Brief eine Aufnahme gefunden hat, als dass ich es für nöthig
hielte, Hn. C. oder mich gegen die beleidigenden Angriffe desselben zu
vertheidigen. Ton und Inhalt jenes Briefes kündigen die Absicht seines
Verfassers deutlich genug an und überheben mich jeder Rechtfertigung.
Ueber die Güte und Schlechtheit eines Künstlers, als solchen, lässt sich
nur streiten und entscheiden, wenn man seine Werke vor Augen hat. / In
Rom, wo dies sowohl bey Hn. Carstens als Hn. Müllers Arbeiten der Fall
ist, weiss jeder aus eigener Ueberzeugung, was er von beiden zu halten
hat, und denen Freunden der Kunst, welche aus Deutschland nach Rom
kommen, stehen die Studien beyder Künstler offen. Hier mag also Hr.
Carstens, durch seine Arbeiten, das Gute, welches ich, - und Hr. Müller durch die seinigen das Schlechte, was
ervon Hn. Carstens, von dessen Kunstwerken
und von meiner vor länger als zwey Jahren im D. Merkur gegebenen Anzeige
derselben gesagt, entweder bestätigen oder der Lüge strafen. / Nicht
Furcht vor Hn. Müllers blitzender Aegide - die nicht die Aegide
Minervens zu seyn scheint, - und vor der durch Wissen vulkanisch
gerüsteten Faust, womit er Hn. Carstens und mir drohet, sondern Achtung
für die gute Sitte hält mich ab, in dem Amphitheater der deutschen
Autorenrepublik, wo es nicht an rüstigen und geübteren Kämpfern fehlt,
den von Hn. Müller mir zugemutheten Faustkampf anzutreten und seinen
Brief nach Würden zu erwiedern. Von meiner Seite hat Hr. Mahler Müller
völlige Freyheit über mich und meine Kunsturtheile fernerhin zu denken,
zu schreiben und drucken zu lassen, was sein Genius ihm eingiebt, ich
werde seinen bekannten Talenten nichts übelnehmen. Doch wünsche ich, um
seiner eigenen Ehre willen, dass er jene Göttergaben, wenn er wirklich
damit ausgerüstet ist, künftig lieber zur Hervorbringung guter Kunstwerke, als zu verläumderischen
Schmähbriefen anwenden möge. / Rom, den 2ten August, 1797. Fernow." -
Weiteres ist in der ALZ dazu nicht erschienen. - Zu der
Auseinandersetzung vgl. auch Fernow an Wieland, 16. Juni 1797
(Wieland-Briefwechsel, Bd. 13, hrsg. von Klaus Gerlach) und Meyer an
Goethe, 4. August 1797: "[…] Diese Nachrichten melden auch, daß sich
Fernow mit Macht contra Müller zum Federkrieg bereitet, seine und
Carstens' Ehre zu retten, und den Gegner hingegen um die seine zu
bringen vermeint" (Goethe-Meyer-Briefwechsel, Bd. II, S. 21). - Die
Debatte klingt auch in Fernows Aufsatz an: "Ueber den Mahler Kavalluzzi"
(NTM 1797, Bd. 2, August, S. 334-338). - Hirt las in der "Gesellschaft
der Freunde der Humanität", deren Mitglied er war, mehrmals aus Fernows
Abhandlung "Ueber die Bestimmung und Grenzen der dramatischen Malereien"
vor (29.09., 06.10., 17.11.1798); am 18.08.1799 auch "Über den Zweck der
bildenden Künste von Fernow" (Sitzungsprotokolle, Landesarchiv
Berlin).
[Schließen]
daß Herr Fernow sich sehr kräftig gegen Herrn Müller erklärt hat
. Ersterer hat nicht unrecht:
Müller ist schief an Kopf u.
Herz.