Weimar den 3 November / 1806.
Ihren lieben und gehaltvollen Brief empfang' ich mitten unter den Nach der verheerenden Niederlage Preußens in der
Schlacht bei Jena rückten französische Truppen, teils marodierend und
brandschatzend, in Weimar ein; auch Goethe wurde bedroht und fürchtete
um Leib und Leben. In seinem Tagebuch vermerkt er: 10. Oktober 1806:
„Starcker Truppenmarsch durch die Stadt und die Gegend. [...] Prinz
Louis kam um.“ - 14. Oktober: „Früh Kannonade bey Jena, darauf Schlacht
bey Kötschau. Deroute der Preußen. Abends um 5 Uhr flogen die
Kanonenkugeln durch die Dächer. Um ½ 6 Einzug der Chasseurs. 7 Uhr
Brand, Plünderung, schreckliche Nacht. Erhaltung unseres Hauses durch
Standhaftigkeit und Glück“ - 15. Oktober: „Marschall Lannes im Quartier
und General Victor. Bey Hofe wegen Ankunft des Kaisers. Nach Hause.
Beschäftigt mit Sicherung des Hauses und der Familie.“ - 17. Oktober:
"Der Kaiser ging ab. Zur Einquartierung den chef de bataillon Dupuis“ -
Am 19. Oktober heiratet Goethe Christiane Vulpuis, die ihn standhaft vor
den Franzosen beschützt hatte (WA III, Bd. 2, S.173-175). - Am 3.
November schreibt Goethe an F. A. Wolf: „Ich habe erst den General
Victor, dann die Marschälle Lannes und Augereaux im Hause gehabt, mit
Adjutantur und Gefolge. Für 40 Personen Betten mußten in einer Nacht
bereitet seyn und unser Tischzeug ward als Leinlaken aufgedeckt. Was
daran alles hängt, können Sie sich leicht vorstellen“ (Goethe,
Begegnungen und Gespräche, Bd. 6, S. 160). Falk berichtet, dass Goethes
„wehmütige Stimmung [...] mit jedem Tag zunahm“ und er erwog, mit Frau
und Sohn zu seiner Mutter nach Frankfurt zu fliehen (ebd., S. 160).
[Schließen]Kriegsunruhen. Was ist nicht seit demHirts Brief ist vom 4. Oktober datiert.
[Schließen] 6ten October, von dem er datirt ist, alles vorgegangen, und schon hat sich der Strom, der bey uns durchbrach,
auch bis über Sie weggewälzt. Gerade in einem solchen Augenblick ist es ein
schöner Trost, wenn man auf's neue überzeugt wird, daß nichts in der Welt
beständiger ist, als frühe, auf Wissenschaft und Kunst und gründliche Thätigkeit
gegründete Verhältnisse, und daß nichts erfreulicher bleibt, als mit seinem
redlichen Streben dem aufrichtigen Streben anderer von Zeit zu Zeit wieder zu
begegnen. Nehmen Sie Für die Ernennung zum auswärtigen Mitglied der
Preußischen Akademie der Wissenschaften; vgl. An Goethe, 04.10.1806. -
Hirt teilt in der Gesamtsitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften
am 20. November 1806 den Dank Goethes für dessen Aufnahme als
auswärtiges Akademiemitglied mit (Archiv der BBAW, PAW (1700-1811),
I-IV-35, Bl. 20).
[Schließen]meinen lebhaften Dank, daß Sie meiner in den academischen Versammlungen gedenken wollen und
sagen Sie mir mit einem Worte, ob es nöthig und schicklich ist, daß ich
unmittelbar danke, und an wen ich mein Schreiben zu richten hätte; oder ob Sie
sich zum Dollmetscher meiner Empfindungen, besonders in den gegenwärtigen
verworrenen Zeiten wohl machen möchten. Ihre Aufsätze zu studiren ist mir immer
eine sehr angenehme Unterhaltung, so wie ich Ihr
Bilderbuch mit sehr vielem Antheil aufgenommen, mich darin gern alter
Zeiten erinnert und mich daraus über manches belehrt habe. Lassen Sie uns in
diesen kritischen Momenten treu, wie immer, zusammenhalten und wo möglich noch
eifriger wirken. Was ächt ist, muß sich eben in einem solchen Läuter-Feuer
bewähren. Erhalten Sie mir ferner Ihr Andenken und das Andenken der trefflichen
Männer, mit denen Sie in Verhältniß stehen.
Noch an der Seite meinen Dank für das übersendete
Hummelsche Werk, Vgl. An Goethe, 04.10.1806
[Schließen]dessen wir in unserm Neujahrsprogramm mit Vergnügen gedenken
werden.