Berlin den 8 Dec. 19.

Theuerster Freund!

Eine seit Wochen her anhaltende Unpäßlichkeit, von der ich noch nicht ganz genesen bin, ließ mir erst heute zu, in meiner unordentlichen Buchsammlung Ihre Vasengemälde hervorzusuchen, wo ich nicht wenig durch Ihren Aufsaz – In lateinischer SchriftMedea u. die In lateinischer SchriftPeliaden – überrascht ward. Anfänglich konnte ich nicht recht faßen, was Sie in Ihrem Briefe andeuten wollten – so sehr war mein Gedächtniß in Fehl. Iezt bey dem Wiederlesen Ihres Aufsazes traute ich meinen Augen kaum. Wie ist es möglich, so sehr von seinem Gedächtniße verlaßen zu seyn! – Ich weiß also die Sache nicht anders zu lösen, als durch das hier beygefügte "Nachschrift. / Jedem das Seinige! – Ich glaubte, der erste zu seyn, vorstehende Monumente durch den interessanten Mythus der Medea und der Peliaden erläutert zu haben. Allein ich täuschte mich. – Nach der Uebersendung des vorstehenden Aufsatzes an den Herausgeber werde ich von demselben freundlichst erinnert, daß das letztere der beiden Monumente bereits in den Vasengemälden von C. A. Böttiger (1ten B. 2ter Heft S. 164. Weimar 1798.) nach diesem Mythus gedeutet sey, unter der Aufschrift: Medea beredet die Töchter des Pelias zum Vatermord. – Ehre, wem Ehre gebührt! Ich gestehe, daß der Fehler meines Gedächtnisses um so unverzeihlicher ist, da ich die Hefte in meiner Sammlung selbst besitze. Jetzt las ich den vielfach ausgestatteten Aufsatz wieder mit großem Vergnügen. Dürftig dagegen erscheinen meine Andeutungen. – Indessen hielt ich doch für das beste, alles, wie ich es schrieb, stehen lassen zu müssen, weil es den Freunden der alten Kunst wichtig seyn mag, zwei so schöne Denkmale über denselben Gegenstand mit einander zu vergleichen. Auch sehe ich, daß die Erklärung meines Freundes, und die meinige in Einigem von einander abweichen. Der frühere Erklärer nimmt die Figur mit dem Schwerdte für Medea selbst, – ich bloß für eine der Peliaden, die ihre Schwestern zu dem Entschlusse antreibt. So bleibt den Freunden des Alterthums die Wahl, sich für die eine oder die andere dieser Ansichten zu entscheiden. / Berlin, den 8 Decembr. 1819. / Hirt." (Amalthea, Bd. 1, S. 167-168).
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Postcriptum, das Sie dem Ende meines Aufsazes beyzufügen die Güte haben werden.

Ferner sprechen Sie mir auch von einem paar vasengemälden unter denen von In lateinischer Schrift Millin, welche In lateinischer Schrift Neptun u. In lateinischer SchriftAmymone vorstellen sollen. Ich kenne hievon nur Hirt bezieht sich in seinem Aufsatz "Neptun und Amymone" auf ein Gefäß aus der Heigelinschen Vasensammlung: "Die vorliegende Zeichnung ist von einem Griechischen Gefäß in gebrannter Erde entnommen, welches die Form eines gewöhnlichen Kraters hat. Es ward 1790. in einem Grabe zu S. Agata dei Goti, 35 ital. Meilen von Neapel, entdecket, welches Herr Heigelin, dänischer Consul allda, hatte öffnen lassen. Ich war eben damals, als der Fund überbracht wurde, bei dem Besitzer gegenwärtig, und ich ward nicht wenig durch die Neuheit des Gegenstandes überrascht, den ich darauf wahrzunehmen glaubte. Auf den Wunsch des Besitzers gab ich die Erklärung davon, die er handschriftlich in dem Gefäße selbst beilegte. Hier erscheint das Gefäß zum erstenmal gestochen, und die Auslegung abgedruckt" (Amalthea, Bd. 2, 1822, S. 277). Weiterhin beschreibt er eine Vase aus der Lambergschen Vasensammlung in Wien: "Wie viel es aber darauf ankomme, daß der Forscher Gelegenheit finde, vieles zu vergleichen, ergiebt sich aus folgendem. Im Jahr 1793. war ich in Wien, und besah allda die reiche Vasensammlung des Grafen v. Lamberg. Mit nicht geringer Freude entdeckte ich darunter auch die Fabel der Amymone, aber ganz verschieden und weit anders, als in der Vorstellung auf dem Heigelinschen Gefäß zu Neapel. Auf dem in Wien [...] ist der Vorgang als ein Raub behandelt" (ebd., S. 281).
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das in meinem Aufsatze angezeigte
. Hat In lateinischer SchriftMillin vielleicht noch anderes edirt, was mir nicht bekannt geworden ist? - Ich kenne nur seine zwey großen Prachtbände, u. den Band über die Gefäße von Canosa. Zeigen Sie mir doch an, was Sie hierüber gefunden haben; oder wenigstens Am Schluss des Aufsatzes findet sich der Hinweis: "Noch bemerken wir, daß uns seitdem eine dritte Zeichnung von einem Griechischen Gefäß vorgekommen ist, was denselben Gegenstand vorstellt, aber von dem Herausgeber (Siehe Peintures des vases antiques par M. Millin T. II. XX.) nicht erkannt ward. Die Zeichnung hat vier Figuren. Amymone sitzt mit ihrem Wassergefäß über einer Quelle aufgestellt, und Neptun neben ihr scheint durch Versprechungen und die Ueberredungskunst die schöne Königstochter zu gewinnen. Daher scheint auch Merkur, der Gott der Rede, hier einen Platz gefunden zu haben. Die vierte, weibliche Figur, scheint wieder Venus zu seyn, obwohl kein Zeichen sie näher characterisirt" (ebd., S. 282). Es folgt S. 283-301 ein Beitrag Böttigers "Weitere Ausführung der Amymone-Fabel und des Mythos vom Poseidon, als Zusatz zu obigem Vasengemälde". – Im "Vorbericht" zum 2. Band der "Amalthea" schreibt Böttiger ergänzend: "Einen zweiten Zusatz erlaubte ich mir der Amymonefabel auf einem Vasengemälde, welches Hr. Hofr. Hirt mir schon vor zwei Jahren zu diesem Gebrauch überlassen hatte, beizufügen. Ich wünsche, daß meine Ansichten sowohl über die durch satyrische Tänze und bacchische Festspiele auf Vasengemälde vielfach modifizirten Mythen, als auch über den Dreizack und den dreifachen Gebrauch, den man in der griechischen Vorwelt davon machte, die Prüfung unbefangener Alterthumskenner bestehen und von ihnen gebilligt werden mögen. Hier bemerke ich nur noch nachträglich, daß in den Sophisten des Plato, wo Sokrates die Entheilungsmethode der Sophisten ironisch durchnimmt, der ganze Fischfang in die Netz- und Umstellungsfischerei und in die verwundende durch den Dreizack eingetheilt wird, woraus die weite Verbreitun des Harpunirens der Nacht- und Tag-Fischer an den griechischen Küsten zur Gnüge erhellt. Wenn wird man uns einmal eine Technologie der alten Welt in dem Sinne geben, in welchem einst Joh. Beckman in Göttingen sie dachte und durch seine Beiträge zur Geschichte der Erfindungen redlich vorbereitete, aber aus Mangel tiefer eingehender Sprachkenntniß nicht ganz gestalten konnte; wie sie Freret einst entwarf und Goguet zu seiner Zeit zu geben anfing, mit allem, was die neueste antiquarische Sach- und Sprachkunde und die ihr zur Seite stehende Kunstarchäologie zur Versinnlichung darbietet? Der unvergleichliche Polyhistor Schneider in Breslau äußerte noch bei seinem letzten Besuch in Dresden, so etwas sey, wie er bei seiner Untersuchung über die Spinnerei und Weberei [...] der Alten sich zu überzeugen Gelegenheit gehabt, durchaus nicht die Sache eines einzigen Menschen; aber die historischen Sectionen der Akademien der Wissenschaften hätten die Verpflichtung auf sich, durch Vertheilung unter einzelne Mitglieder und durch Preisfragen ein solches Werk encyclopädisch zu Stande zu bringen" (Amalthea, Bd. 2, Leipzig 1822, S. XXV-XXVI).
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fügen Sie selbst meinem Aufsatze bey, was Sie darüber ausgemittelt haben.

In Rücksicht der andern Aufsäze, die ich Ihnen zu übersenden versprach, bin ich noch nicht zu weit, um es über der Zeileiezt thun zu können. Seitdem dieselben geschrieben sind, ist manches von andern über Ähnliches geschrieben worden, u. so bedürfen sie einiger Anmerkungen, und Erläuterungen, welche zu schreiben mich bis iezt meine Unpäßlichkeit hinderte. Indeßen werde ich mich sxxgxs ohne weitere Zögerung an die Sache machen, und Ihnen dann einen Theil zusenden, Ihnen gänzlich überlaßend, wieviel Raum s über den ursprünglichen Text geschriebenS ie denselben der "Amalthea".
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im 1 ten Hefte
gönnen wollen.

Was Sie mir von In lateinischer SchriftWelker schreiben, befremdet mich. Ich habe nicht das Geringste gehört; und doch sollte ich glauben, daß, wenn eine Veränderung mit ihm stattgefunden hätte, man hier etwas Näheres davon wüßte. Wolf habe ich seitdem nicht gesehen. | 2 Zwar weiß ich, Wolf hatte eine Sommerwohnung im Tiergarten; vgl. An Goethe, 04.07.1809.
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daß er über der Zeilewieder in der Stadt wohnt
, und Vorlesungen hält. Ich werde aber Ihren Auftrag nicht vergeßen. Gestern

Gestern Abend war Vgl. die Anmerkung im Brief an Böttiger, 15.11.1819.
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die griechische Gesellschaft
, die den In lateinischer SchriftPausanias liest, bey mir, wo viel von Ihnen u. Ihrer neuen Zeitschrift die Rede war. Boeck u. Buttmann dachten Ihrer freundlichst; und man meinte allgemein: daß Sie einzig der Mann wären: eine solche Zeitschrift bey dem Publikum in Gang zu bringen.

Vgl. An Böttiger, 08.01.1820.
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Noch in diesem Monate erhalten Sie eine neue Sendung
von
Ihrem ergebnen

Hirt.