Mein verehrtester Herr College!
Wir hatten die Hoffnung, Sie vorigen Herbst bey uns in Berlin zu sehen, und bedauerten sehr, daß
es nicht geschah. Sie übersandten uns indeßen Die Ernennung von Boeckh, Buttmann,
Schleiermacher und Hirt zu ordentlichen auswärtigen Mitgliedern der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 4. März 1820.
[Schließen]die Diplome, mit denen Ihre
Akademie uns beehrte, und wofür ich Ihnen in's besondere meinen Dank abzustatten habe.
Mit Vergnügen habe ich gesehen, daß Sie auch Antheil
an der Böttingerschen
Amalthea
nehmen. Thiersch untermauert seine Auslegung der
Giebelfiguren mit den Gesängen des Pindar, "von denen ein großer Theil
sich auf Sieger aus Aegina bezieht. [...] Ueberall aber ist es Aeakus
und seine Nachkommenschaft, sind es der Ruhm und die Thaten derselben
bis auf den Pyrrhus herab, welche der Dichter preiset, und deren Lob er
zur Verherrlichung ihres Stammlandes zu erneuern für Pflicht achtet.
Dieses bestimmter hervorzuheben, führen wir die Gesänge einzeln an,
zugleich mit Rücksicht auf das übrige Lob, was dem Eilande ertheilt
wird. Da sein Ruhm durch die Entdeckung der Bildsäulen, deren
Untersuchung uns beschäftigt, in unsern Tagen gleichsam neuaufgelebt
ist; so wird es nicht am unrechten Orte seyn, zu zeigen, in welchem
Lichte der größte lyrische Dichter die Insel erscheinen läßt" (Amalthea,
Bd. 1, Leipzig 1820, S. 149 ff.). Zitiert wird aus den Olympischen (8),
den Nemeischen (3-8), den Pythischen (8) und den Isthmischen Oden (5, 6
und 8). - Von Thiersch erschien zur gleichen Zeit "Die Bearbeitung des
Pindar", 2 Bde., Leipzig 1820.
[Schließen]Sie haben Aegina mit Ihrem
Pindar schön
ausgestattet, und ich bin neugierig zu sehen, was Sie
über die Bildwerke selbst sagen werden. Thiersch hatte am Schluss seines Aufsatzes auf
eine genauere Darstellung verwiesen, die in einem folgenden Band
erscheinen sollte: "Warum wir aber aus den zahllosen Thaten der Aeakiden
in dem östlichen Giebel gerade den Kampf des Telamon gegen Laomedon
vorgestellt glauben, und hierin dem Veteran der Archäologie, Hirt,
beitreten, in dem westlichen Giebel aber den Kampf des Aias, des
Telemaniden, um den Leichnam des Achilleus erblicken, soll in einem der
folgenden Theile dieser Zeitschrift ausführlich dargelegt werden"
(Amalthea, Bd. 1, 1820, S. 160).
[Schließen]Denn noch kann ich die Gründe nicht ahnen, welche Sie haben mögen, in
der Figur, die mir
Patroclus
zu seyn schien, eher den
Achilles
zu erblicken.
In der "Amalthea" erschienen keine weiteren
Artikel von Thiersch.
[Schließen]Ich hoffe, daß wir es in dem künftigen Stücke erfaßen werden. Man hört noch nicht, daß die Aegineten in München
angekommen seyen. Gern möchte ich sie einmal dort aufgestellt sehen, zugleich
mit den andern vom Kronprinzen
angekauften Schätzen, welche ein herrliches Ganze machen müßen. Manches
gestaltet sich in dieser Hinsicht in Deutschland beßer. Auch wir haben Hoffnung, unsere zerstreuten
Denkmäler bald in einem
Museum
vereiniget zu sehen, Antiken u. Gemälde. Vgl. auch: An
Marianne von Preußen, 23.10.1820.
[Schließen]Der gröste Theil des Baues hiezu ist beendigt; und kürzlich erhielt ich den Auftrag vom
Könige, alles aus den
königlichen Sammlungen auszuwählen, was ich eines öffentlichen Museum's
| 2 würdig finden würde, und ich bin
iezt vorläufig mit dem Vgl. Hirts
Denkschrift zur Einrichtung des Museums
[Schließen]Ordnen auf dem Papier beschäftigt. -
Sie werden in der
Amalthea
gesehen haben, daß ich auch anfieng, Der erste Teil des Aufsatzes im ersten Band der
"Amalthea" enthält Hirts Vorlesungen in der Akademie der Wissenschaften
zu Berlin vom 3. Oktober 1805 und vom 19. Juni 1806.
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meine frühern akademischen
Abhandlungen über die frühere Kunstgeschichte der Alten
drucken zu laßen, und Der zweite Teil des Aufsatzes, "Ueber die
griechische Bildkunst", gedruckt im 2. Band der "Amalthea" 1822, enthält
die Akademievorlesungen vom 5. Februar 1807, vom 2. Februar 1808 und vom
29. September 1808.
[Schließen]der zweyte Band die folgenden enthalten wird. Sie werden darin manche Ansichten anders gestellt finden, als in Ihren
Abhandlungen. Indeßen sind bey so schwierigen Untersuchungen Verschiedenheiten
der Meinungen nicht zu vermeiden. Ich scheue die Einwürfe nicht, und da wir alle
nur das Wahre oder Wahrscheinlichste suchen, so können Discussionen nicht
anders, als wesentlich hiezu beytragen. Das Fatale bey der
Amalthea
ist, daß sie so erbärmlich durch Vgl. die Druckfehlerliste, die Hirt am 25.11.820
an Böttiger schickt.
[Schließen]Druckfehler entstellt ist.
Der Druck meiner Geschichte der Baukunst bey den
Alten, welche in zwey Quartbänden erscheinen wird, beschäftigt mich
gegenwärtig sehr. Es ist eine Arbeit von mehr als 30 Jahren. Indeßen weiß ich
nicht, ob ich großen Dank damit bey Gelehrten und Künstlern einärnten werde.
Karl Friedrich Wiebeking: Theoretisch-practische
bürgerliche Baukunde, durch Geschichte und Beschreibung der
merkwürdigsten antiken Baudenkmahle und ihrer genauen Abbildungen
bereichert. 4 Bde., München: Zängl, 1821-1826
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Ihr Waßerbaumeister in München,
der Ähnliches und noch Ausgedehnteres
vorhat
, scheint sich die Sache leichter zu machen. Doch man laße jedem sein
Steckenpferd. -
Ich weiß nicht, ob Sie die kleinen Schriften von mir, und von Buttmann über das Zeitalter des Curtius gesehen haben. Manche habe ich für meine Meinung gewonnen, und zwar von den Bedeutendsten. Übrigens gönne ich auch hierin jedem gerne seine Meinung. Manches mag hierüber noch in den öffentlichen Blättern erscheinen. Ich hatte | 3 ein Exemplar für Ihre Herkunft aufbewahrt, aber iezt weiß ich nicht, wie ich es Ihnen zukommen laßen soll.
Vergeben Sie, werthester Collega! diese krause Epistel; aber An Sekretar
Thiersch, 18.11.1820.
[Schließen]da ich einmal an Ihre Akademie
zu schreiben hatte, fühlte ich ein Bedürfniß, mich einmal wieder mit Ihnen zu unterhalten,
besonders da die Hoffnung dies mündlich zu thun getäuscht wurde.
Berlin den 18 ten Nov. 20.