Berlin den 28 ten May 1810.
Mein theuerster alter Freund!Bey mir heißt es: beurtheile mich nicht nach meinem Thun, sondern nach meinen
Gesinnungen! sonst erscheine ich als ein schlechter Geselle. Es sind bereits
neun Monate seit den vierzehn Tagen, die ich mit meinen Genoßen in Dresden verlebte, und zu deren Erheiterung
Sie so vieles beytrugen. 2 Briefe erschlossen: [Von Böttiger, vor
28.05.1810].
[Schließen]Zwey Briefe erhielt ich seitdem außer [!] Ihrer Hand - und von mir noch kein Zeichen des Lebens - Gut ist
es, daß Wolf der Bote seyn will, um
Ihnen von mir Nachricht zu bringen.
Erstlich sage ich Ihnen meinen lebhaften Dank für Ihre wahrhaft
freundschaftlichen Bemühungen, und das Intereße, das Sie an meinen
litterarischen Produkten nehmen. Manches ist bereits von andern darüber gesagt
worden, wovon aber nicht alles erfreulich klingt, nicht so viel der Einwürfe und
Gegenbemerkungen wegen, als wegen der Mancanza de'buoni
Spiriti, um dergleichen Materialien zu beurtheilen. Besonders In den Göttingischen gelehrten Anzeigen waren
Rezensionen zu Hirts „Der Tempel Salomon's“ (GGA, 40. St., den 10. März
1810, S. 390-397) und zu „Der Tempel der Diana zu Ephesus“ (GGA, 41.
St., den 12. März 1810, S. 401-408) erschienen.
[Schließen]hätte ich etwas Gründlicheres in den Göttingischen Anzeigen erwartet. Nicht überliefert. Briefe erschlossen: [An
Weinbrenner, vor 28.05.1810]; [Von Weinbrenner, vor 28.05.1810]
[Schließen]Mit Weinbrenner habe ich
seitdem ein paar Briefe gewechselt. Übrigens kenne ich die Weinbrennerischen Prinzipien oder Nicht-prinzipien zu gut und
schon von alters her, als daß ich erwarten dürfte, etwas gründliches pro oder
contra von ihm im Publikum erscheinen zu sehen. Eine Rezension zu Hirts „Die Baukunst nach den Grundsätzen der
Alten“ erschien in der JALZ , Jg. 7, 1810, Bd. 2, Nr. 120,
den 24. Mai 1810, Sp. 353-360, und Nr. 121, den 25. Mai 1810, Sp.
361-362; unterzeichnet „-gl-“, d. i. C. L. Stieglitz.
[Schließen]Noch hat sich die Stimme der Weimarer Kunstfreunde über das größere
Werk nicht vernehmen laßen. Dem Weinbrenner habe ich
Privatim über sein Theater, so wie auch über
seine architektonische Schule
geschrieben. Weinbrenner veröffentlichte außerdem „Ueber die
wesentlichen Theile der Säulen-Ordnungen und die jetzige Bauart der
Italiäner, Franzosen und Deutschen" (Tübingen 1809).
[Schließen]Daß er aber seitdem
| 2 etwas publizirt habe, ist mir nicht bekannt.
Ihre Aldobrandinische Braut war für mich eine angenehme Erscheinung, und ich bewunderte die Gewandtheit, und die vielen neuen Deutungen, und intereßanten Seiten, welche Sie diesem so viel besprochenen Gegenstande abzugewinnen wußten. Übrigens bleibt die nähere Enträtselung dadurch schwierig, da in den Nebensachen manches verdorben, und was noch schlimmer ist, manches mit neuerm Pinsel übergangen ist, und dann hat allerdings Zoega sehr recht, daß die römischen Wandmahler (tectores) keine Leute von eigener Erfindung waren; sie nahmen auf eine ähnliche Weise, so wie iezt die unsrigen, Gegenstände früherer Künstler mit Auslaßungen und Zusäzen, wie es kam, schon zufrieden wenn die Wand bunt aussah, und das ganze das Zimmer(?) einen erfreulichen heitern Effekt machte. Dergleichen Wandgemälde sind daher die unzuverläßigsten Führer in allem dem, was zu einem bestimmten archæologischen Resultat führen soll. Dagegen waren die griechischen Töpfer(?) welche zwar auch nur Ideen früherer Künstler nahmen ganz andere Leute. -
Eine neue Zusendung kann ich Ihnen für diesmal nicht machen. Ich war zwar nicht
unfleißig, aber zum Druck ist noch nichts ganzes da. Ich vollendete ein paar
Abhandlungen, welche ich in der Akademie
vorlas: Hirt las am 5. Oktober 1809 in der Akademie der
Wissenschaften „Sur le mausolés d'Artémise“; am 11. Januar 1810 trägt er
in der „Philomatischen Gesellschaft“ „Über das Mausoleum der Artemisia“
vor und am 13. April 1811 in der „Gesellschaft der Freunde der
Humanität“ „Ueber das Mausoleum“.
[Schließen]Über das Mausoleum
, und dann Hirt trägt ausserdem am 19. Mai 1810 in der
„Gesellschaft der Freunde der Humanität“ „Über die Ägyptischen Pyramiden
und über ihren Bau insbesondere“ vor; dasselbe am 7. Juni 1810 in der
„Philomatischen Gesellschaft“.
[Schließen]
über den Bau der Ägyptischen
Pyramiden
. Dabey schrieb ich eine ziemlich weitläufige Recension über den Schneiderschen
Vitruv
Die Rezension ist nicht bekannt. - Auf
Schneiders Vitruv geht Hirt noch 1830 ein in seiner Besprechung von „M.
Vitruvii Pollionis architectura: textu ex recensiome codicum emendato
cum exercitationibus notisque Johannis Poleni et commentariis variorum,
additis nunc primum studiis Sominis Stratico [...] 1828-1829“, in:
Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Jg. 1830, Bd. 2, Dez., Nr. 113,
Sp. 897-904, und Nr. 114, Sp. 905-907
[Schließen]für
Schneider
selbst. Die Resultate davon werden in den “ Eine 'cura posterior' (lateinisch: eine spätere
Besorgnis) ist eine feststehende bildungssprachliche Redensart für ein
Problem, das im Augenblick nicht vordringlich ist und Verzug verträgt
(getrost auf später verschoben werden kann)“ (Wikipedia).
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curae posteriores
erscheinen. Ich bin iezt ganz mit meiner geschichte der architektur beschäftigt. Die Aegypter haben mir viel zu thun gegeben,
Hirt liest ausserdem am 2. Januar 1811 in der
„Philomatischen Gesellschaft“ „Über den allmählichen Anbau u Waßerbau
vom alten Ägypten“ sowie am 5. Dezember 1811 „Über den Wasserbau der
Babylonier“.
[Schließen]besonders ihr Waßerbau, worüber ich
| 3 ich [!] nächstens eine besondere Abhandlung der Akademie
vorlegen werde.
Herrn v.
Ramdohr, der iezt auf einer Ramdohr reiste 1810 als faktischer
Geschäftsträger Preußens am Vatikan nach Italien; im Juli 1814 wurde er
offiziell zum preußischen Geschäftsträger ernannt und blieb bis zum
Sommer 1816 Ministerresident in Rom; danach lebte er als preußischer
Gesandter in Neapel.
[Schließen]neuen Reise nach Italien
begriffen ist, sah ich verfloßenen Winter öfters. Wir sprachen viel über
das Aesthetische der bildenden Künste, wozu Karl Ludwig Fernow war in der Nacht vom 3. zum 4.
Dezember 1808 gestorben. In seinem Nekrolog schreibt Karl August
Böttiger: „Seine literarischen Verdienste und Ehrenkränze wurden theils
im Felde der Kunstkritik, theils in der Grammatik erworben. Er hatte
einst schon in Rom für seine dort befindlichen teutschen Landsleute,
Künstler und Kunstgenossen, in teutscher Sprache eine Aesthetik gelesen,
zu welcher er damals gleich große Vorarbeiten machen mußte. Die
trefflichsten Aufsätze in den drei Bänden artistischer und kritischer
Abhandlungen, wovon der letzte erst in voriger Ostermesse erschien, aber
gewiß schon in aller ächten Kunstfreunde Händen ist, sind nur als
einzelne Bruchstücke und Glieder eines organischen Ganzen anzusehen, das
einmal unter der Benennung einer Aesthetik für Künstler erscheinen
sollte. Darum gab er ihnen die Aufschrift: römische Studien [Römische
Studien. 3 Bde., Zürich 1806-1808]. [...] Uebrigens ist es mehr zu
wünschen als zu hoffen, daß sich in seinem literarischen Nachlaß
wenigstens eine Skizze zu jener Aesthetik für Künstler, die sein Jahre
lang gepflegter Lieblingsgedanke war, nebst einzelnen Ausführungen
vorfinden möge. Eine systematische Tabelle über die schönen Künste
überhaupt, wie er sie am Ende seiner Vorlesungen in Jena an seine
zahlreichen Zuhörer austheilte, soll im ersten Stück des künftigen
Jahrgangs dieser Monatsschrift geliefert und so wenigstens der
Vergessenheit entrissen werden. / Die neue Ausgabe von Winkelmanns
teutsch geschriebenen Werken, wovon die ersten zwei Bände nun wirklich
erschienen sind, kann man ein größeres Sühnopfer für die Manen des
antik-fühlenden und schreibenden Schöpfers der Kunstgeschichte nennen,
als jenes von Azara in Marmor dargebrachtes im römischen Pantheon. [...]
Den vier Heroen des goldenen Zeitalters Italiens, den Dante und Ariosto,
Michel Angelo und Rafael wollte Fernow biographische Denkmale stiften
und gedachte dabei noch auf eine andere Weise, als Roscoe es gethan hat,
dem Zeitalter des Lorenzo und Leo X. neue und für uns Spätlinge noch
immer lehrreiche Seiten abzugewinnen. Dant[e]' s dichterische Laufbahn
liegt selbst mit der letzten Feile vollendet, zum Druck bereit. Ariost
aber ist (bei H Geßner in Zürich) wirklich in diesem Augenblick schon
abgedruckt“ (NTM, 1808, 3. Bd., S. 281, 283-84, 300). - Fernow und
Ramdohr hatten sich 1789 in Celle kennengelernt.
[Schließen]die Fernowschen
Schriften, Nicht bekannt.
[Schließen]die er recensiren wollte, Anlaß gaben. Ich weiß nicht, ob er irgendwo etwas darüber bekannt
machte; denn mir komt sehr wenig Neulitterarisches unter die Hände, da ich weder
Als „Museum“ bezeichnete sich eine
gesellig-literarische Form der Lesegesellschaften, die im 18. und
beginnenden 19. Jahrhundert in vielen Orten des Deutschen Reiches
verbreitet war. In Berlin gab es das von Rudolph Werkmeister in der
Jägerstraße 25 seit Mitte April 1808 bestehende „Museum“ mit fünf
Räumen, einschliesslich eines Konversationsraumes, sowie einem Saal, in
denen er „100 deutsche und französische Zeitungen und Journale, alle neu
erscheinende[n] bedeutende[n] wissenschaftliche[n] Werke und
Flugschriften, außer diesem noch die vorzüglichsten encyclopädischen
Werke, zum Nachschlagen, und mehrere gute Landkarten“ bereitstellte.
Zusätzlich war „auch im Thiergarten für den Sommer ein Lokale zu einem
Museum eingerichtet“ (Vossische Zeitung Nr. 26 vom 16. April
1808).
[Schließen]im Museo
, noch in Kommerziell betriebene Leihbibliotheken mit
speziellen Leseräumen oder mit angeschlossenen Journallesezirkeln gab es
mehrere in Berlin, u.a. 1806 Wilhelm Vieweg, Spandauerstr. 58; H.
Schmidt, Am alten Packhof 4; Leihbibliothek von Friedrich Kralowsky in
der Jägerstraße 25 (vgl. Johann Daniel Philipp Rumpf: Berlin oder
Darstellung der interessantesten Gegenstände dieser Residenz. Ein
Handbuch für Fremde und Einheimische. Berlin 1793, S. 124; Friedrich
Nicolai: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl.
Residenzstädte Berlin und Potsdam [...]. Berlin 1799, S. 190f; Johann
Christian Gädicke: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. [...]
Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 292 und
355).
[Schließen]Journalzirkeln abonnirt bin.
Was sagen Sie zur Ankündigung der Farbenschrift von Goethe?
Ich bin äußerst neugierig darauf. - Winckelmann's Werke. - Die Ausgabe war von Fernow
begonnen worden und wurde nach dessen Tod (Dezember 1808) von Johann
Heinrich Meyer und Johannes Schulze fortgeführt. Zum genannten Zeitpunkt
lagen drei Bände vor.
[Schließen]Geht die Ausgabe Winkelmann's
vorwärts? - noch habe ich bis iezt nichts davon gesehen.
Brief erschlossen: [Von Millin,
01.12.1809.
[Schließen]Von Millin erhielt ich
verfloßenen Winter einen sehr freundlichen Brief mit einigen Abdrücken seines
Gemmenwerkes. Ich bin ihm noch die Antwort schuldig.
Buttmann reiset diesen Sommer mit seiner ganzen Familie nach dem Rhein. Heindorf lebt auf einem sehr entfernten Garten, und ich bin auf meiner Stube eingeschloßen, kaum glaubend, daß sich für mich so viel Zeit finden werde, um mich davon diesen Sommer zu entfernen, so sehr mich auch der Hang treibt, einen Monat bey Ihnen in Dresden zuzubringen.
Mehreres für iezt nicht, da Sie, was Sie wünschen, beßer von Wolf hören werden.
Der Ihrige Hirt.Vergeßen sie mich nicht bey Böttigers Frau Karoline Eleonore und seine Söhne
Karl Wilhelm (geb. 1790), Moritz (geb. 1797) und Gustav (geb.
1799)
[Schließen]Ihrer Familie.