Ew Königlichen Hoheit verzeihen meine schwache Hand, daß ich mich einer Andern bediene, um die interessanten Fragen zu beantworten die Höchst Dieselben mir machen. Bevorworten muß ich, daß die Zeichnungen, so wie die Abfassung der Schrift, sehr klar gemacht sind.
Was die 1825 waren bei dem Ort Fließem in der Nähe von
Bitburg Reste eines Mosaikfußbodens entdeckt worden, die zu einer
ehemals römischen Villenanlage gehörten (Villa Otrang) Das Landgut
bestand u.a. aus einem Herrenhaus, mehreren Bädern, einer
Heizungsanlage, einem Tempelbezirk sowie einem Gräberfeld und
Wirtschaftsgebäuden (Lit.: Christian Wilhelm Schmidt: Baudenkmale der
Römischen Periode und des Mittelalters in Trier und seiner Umgebung.
Lfg. 4/5: Die Baudenkmale der römischen Periode. Lfg. 4, H. 1: Die
Jagdvilla zu Fliessem: in 6 Kupfertafeln, wovon 5 colorirt sind,
dargstellt; wozu ein Heft mit erläuterndem Texte. Trier 1843. - Heinz
Cüppers: Römische Villa Otrang. Mainz 1997). - Der Kronprinz hatte den
Mosaikfußboden im November 1833 besichtigt und war davon sehr
beeindruckt. Die Fragen, die er Anfang des Jahres 1837 an Hirt richtet,
galten vermutlich der Vorbereitung einer weiteren Reise des Kronprinzen
in die Rheinprovinzen (vgl. Conradin Simons: Reise Sr. Kgl. Hoheit des
Kronprinzen von Preußen durch Rheinland-Westphalen im Herbst 1833. Aus
öffentlichen und Privat-Mittheilungen redigirt. Iserlohn 1834). Im
Herbst 1838 besichtigte er die römische Siedlung erneut. Im gleichen
Jahr erwarb die preußische Regierung das Gelände und ließ Schutzbauten
über den Mosaiken errichten. Vgl. dazu die Erläuterungen in D, S. 301,
302.
[Schließen]Localität der Ruinen und der Nahme des Dorfes
In lateinischer SchriftFliessem
betrift, so bin ich der Meinung, daß noch der alte Nahme in denselben
stecke und
In lateinischer Schriftad flexum
geheissen habe, daß Die alte Römerstraße von Trier nach Köln.
[Schließen]die Heerstrasse sich dahin zog beweisen die Meilenzeiger welche man in der Gegend
gefunden hat, wahrscheinlich machte der Weg eine bedeutende Wendung oder Biegung
allda, und daher der Nahme
In lateinischer Schriftad flexum
: wobei besonders
| 2 das
In lateinischer SchriftM
am Ende zu bemerken ist, und so mag der Ort Bei der römischen fahrenden Post hießen die
Stationen "mansio" oder "mutatio". "Mutatio war der Ort, wo Zugtiere
gewechselt werden konnten, mansio der Ort, wo auch Gelegenheit zur
Erholung und zum Übernachten war. Der Abstand der mansiones betrug
regelmäßig 20-30 Meilen (28-42 km), die mutationes, von denen 1-3 auf
eine Mansio gingen, waren 5 bis 10 Meilen (7-14 km) voneinander
entfernt" (Handwörterbuch des Postwesens. Hrsg. von Wilhelm Küsgen, Paul
Gerbeth, Heinrich Herzog, Laurenz Schneider, Gerhard Raabe:. Berlin
1927, S. 172).
[Schließen]eine Postwechslung (In lateinischer SchriftmuIn lateinischer Schrifttatio) zu gleich mit einem Miethshaus (In lateinischer Schriftmansio) gewesen sein
Betrachten wir hiernach die vorhandenen In lateinischer SchriftRuinen, so
gewahren wir nur Uberreste von Bade Anstalten jeder Art wie wir dieselben bei
den Alten kennen, theils auf trockenem wege zum schwitzen theils auch warm, lau,
kalt zu baden als Hirt beschreibt im 3. Band seiner "Geschichte der Baukunst bei den Alten"
(1827) verschiedene Arten der Heizung: "das Hypocaustum, die Suspensurae
Caldariorum, durch gewöhnliche Ofen, durch Kaminofen", weiterhin "Die zu
erheizenden Räume: der laue Badesaal seltener. Grösse, Beleuchtung,
Verhältnisse und Einrichtungen der Badesäle. Baptisteria" sowie "Räume
zum Schweisstreiben" (S. 239 ff.).
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In lateinischer SchriftSuspensurä caldariorum
oder Nach Sprengel (Geschichte der Medizin, T. 2, S.
23) "Tropfbäder", nach anderen "Badezimmer mit einem von unten erwärmten
hohen Fußboden" (Valerius Maximus 9, 1, 1., Plinius 9, 168, Macrobius
Saturnalia 3, 15, 3). - "Man hat sich viel herumgestritten über die
sogenannten Hängebäder balineae pensiles; man dachte gar, es seien Bäder
mit schaukelnder Bewegung oder Douchen; es will mir scheinen, sie wären
nicht wesentlich von den eben beschriebenen Dampfbädern verschieden.
Nach der Beschreibung von Palladius waren die Hängebäder mit Hohlräumen
umgebene Gemächer über einem Feuerheerde [..]. Man lese nur Vitruvs
Beschreibung; er gibt an, dass die suspensurae der warmen Badezimmer von
Ziegelpfeilern über dem Ofen getragen würden. Sergius Orata [...] wird
von mehreren Seiten als Erfinder der Hängebäder (suspensurae balneorum
nach Seneca) angegeben" (Bernhard Maximilian Lersch: Geschichte der
Balneologie, Hydroposie und Pegologie oder des Gebrauchs des Wassers.
Würzburg 1863, S. 100).
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In lateinischer SchriftBallineä pensiles
, In lateinischer Schrifthyp
In lateinischer Schriftp
In lateinischer Schriftokausta, Ein "Dampfbad, dessen Liebhaber die gewöhnlichen
Arten der Bäder unbenutzt liessen, indem sie nur trocken schwitzten und
darauf ein kaltes Bad oder einen kalten Ueberguss nahmen" (Joachim
Marquardt: Handbuch der römischen Alterthümer, Leipzig 1864, Bd. 5, I,
S. 287).
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In lateinischer Schriftlaconika
und so weiter.
Diese Bäder sind zu umfassend für einen Privatbesitzer, aber nicht prächtig genug für eine öffentliche Anstalt; ich glaube also daß es solche waren welche unter den Nahmen In lateinischer Schriftbal In lateinischer Schriftlona über der Zeile In lateinischer Schriftinea In lateinischer Schrift meritoriä bekannt waren, das heißt: solche für welche man bezahlte.
Auch dürfen die Ehemals
waren 14 der 66 zur Villenanlage gehörenden Räume mit Mosaik-Fußböden
ausgestattet, von denen vier sehr gut erhalten sind. Sie zeigen
Jagdszenen u.a. mit Löwe, Panther, Kranich und Schlange. (Lit.:
Klaus-Peter Goethert: Zur Überlieferung des Mosaiks aus Raum 49-51 der
römischen Villa Otrang bei Fließem, Eifelkreis Bitburg-Prüm. In: Trierer
Zeitschrift, Bd. 73/74 (2010/11), S. 57-65).
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In lateinischer SchriftMosaikfußboden nicht
befremden, da dergleichen überall vorkommen. Man darf sich bei weiteren
Ausgrabungen keine Hoffnung machen auf kostbare Entdeckungen, aber doch auf
Inschriften und Anderes, welches die In lateinischer SchriftLocalität
und die Bestimmung näher bezeichnet.
Es ist also sehr zu wünschen, Nachdem der Kronprinz bereits
früher den Ankauf des weitläufigen Geländes durch die Trierer
"Gesellschaft für nützliche Forschung" veranlasst hatte, wurde das
Gelände 1838 von der preußischen Regierung übernommen und die
freigelegten Mosaiken und Luftheizungssysteme durch eine Überbauung mit
fünf Steinhäuschen geschützt (heute ihrerseits denkmalgeschützt) sowie
ein Wärter eingestellt und die weiteren Vermessungen und Untersuchungen
befördert (vgl. Margret Dorothea Minkels: Die Stifter des Neuen Museums:
Friedrich Wilhelm IV. von Preussen und Elisabeth von Baiern. Books on
Demand GmbH, Norderstedt 2011, S. 96/97). - In dem von Friedrich August
Stüler kurz nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV. 1861 verfassten Bericht
"Über die Wirksamkeit Königs Friedrich Wilhelm IV. in dem Gebiete der
bildenden Künste" sind die durch ihn veranlassten und finanzierten
Restaurationen vaterländischer Altertümer aufgeführt (nach: Andreas
Meinecke: Die Interventionen Friedrich Wilhelms IV. für die Erhaltung
der preußischen Bau- und Kunstdenkmäler. In: Jörg Meiner und Jan Werquet
(Hg.): Friedrich Wilhelm IV. von Preußen: Politik - Kunst - Ideal.
Berlin 2014, S. 101f.)
[Schließen]daß nicht nur das
Ausgegrabene erhalten, sondern in der Arbeit auch fortgefahren
werde, besonders
| 3 ist es für Ew
Königlichen Hoheit ein würdiges Unternehmen nicht davon abzulassen, da Sie als
ein Freund des Alterthums und als ein Beschützer der Künste allgemein bekannt
sind.
Unterthänigster A. Hirt.
Berlin / den 18 Januar / 1837.