Berlin den 1 ten May –20.

Ich bin, verehrter Freund! auf Brief erschlossen: [1820-01-24x-v-Böttiger].
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Ihre Zuschrift vom 24 Januar
noch die Antwort schuldig. – Hier für's erste erhalten Sie mit dem Anfange May's, wie Sie wünschten, die Nachträge zu den übersandten Blättern über den Ursprung der Kunst bey den Griechen in 18 andern Blättern. – Es fehlt zu demselben noch eine Abhandlung, welche zwar nicht eigentlich von Kunst spricht, die ich aber als äußere Rechtfertigung über manches, was als allgemein geschichtlich in meinen vorigen Behauptungen auffallen mag, zu schreiben über der Zeileich mich veranlaßt fand. Dieser Aufsatz ist überschrieben: Hirt las am 27. Juni 1811 in der Akademie der Wissenschaften "Über die Pelasger" (dasselbe am 20. Juli 1811 in der "Gesellschaft der Freunde der Humanität"). In den "Abhandlungen" der Akademie wurde die Abhandlung nicht gedruckt; sie fand auch keine Aufnahme in der "Amalthea". Eine Verwendung von Hirts Text erfolgte erst 1831; vgl. Johann Jakob August Rühle von Lilienstern: Zur Geschichte der Pelasker und Etrusker, so wie der altgriechischen und altitalischen Völkerstämme überhaupt. Graphische Constructionen nach Hirt, Mannert, Niebuhr und Otfr. Müller von R. v. L. Berlin 1831: I. Stammsitze und Wanderungen der Pelasger nach Hirt (S. 1-5). Dort heisst es: "Herr Professor Hirt hat die Güte gehabt, dem Verfasser einen Aufsatz mitzutheilen, der im Jahre 1811 in der Griechischen Gesellschaft, und in der Akademie der Wissenschaften öffentlich vorgelesen, aber bis jetzt noch nicht durch den Druck bekannt gemacht worden ist. Der Zweck desselben war: die in den classischen Autoren enthaltenen Sagen und Ueberlieferungen über die Pelasger zu sammeln, und so viel als möglich in Zusammenhang zu stellen. Auf unsern graphischen Darstellungen Bl. I. und Bl. VI. A. ist es versucht, das in jenem Aufsatze über Stammsitze und Wanderungen der Pelasger ermittelte Resultat in einer übersichtlichen Skizze anschaulich wieder zu geben" (S. 1).
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Die Pelasger .
Es schien mir übrigens ein Wort zu seiner Zeit über einen Gegenstand, wovon fortdauernd noch so viel die Rede über der Zeileist, ohne daß man klare Ideen damit verbindet. In meinem Aufsaze werden Sie die ganze Genealogie, und Züge dieser sich viel verbreitenden griechischen Urvölker finden. Können Sie denselben über der Zeileihn noch für den 2 ten Band brauchen, werde ich Ihnen denselben zuschicken.

Sie meinen: es würden sich Discussionen gegen meine Behauptungen erheben. Gut! – Ich schreibe nicht für mich, sondern für die Sache, und lebe also unbekümmert über die Ergebniße. Bringen die Gegner etwas Beßeres und Genügenderes vor, so bin ich der erste, der ihnen beystimmt. Sind ihre Behauptungen und Einwürfe nur anscheinend, so wird sich wohl die gehörige Antwort darauf finden. Anstechen ist übrigens in solchen Materien leicht, besonders wenn man sich bloß an geringe philologische Außenwerke halten will. Ich fordere aber zu meinem Gegner einen gereiften Mann, dem geschichtliche Combinationen eben so geläufig sind, als xxhe technische, artistische und philologische Kenntniße. Kurz man muß den Standpunkt nach allen Richtungen zu umfaßen im Stande seyn. Doch an trefflichen Männern in jedem Fache fehlt es unserm Vaterlande nicht, und besonders ist über der Zeilees erfreulich zu sehen, daß die archæologischen Studien immer mehr Anhänger, und Forscher gewinnen. Ich | 2 sage also: darauf! – wenn andere In lateinischer SchriftStudia immer mehr eingeschloßen, eingeengt, oder ganz geschloßen werden; so möge der Tummelplatz der Archaeologie seine Schranken über der Zeileimmer mehr erweitern. man balge sich nach Lust; durch solche Übungen kann die sache nur gewinnen.

Vgl. 1820-09-01-a-Böttiger
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Von Ihrer In lateinischer SchriftAmalthea sieht man noch nichts
, wann werden wir die ersten Exemplare hier erhalten? – viele sind mit mir sehr neugierig darauf. Noch habe ich von In lateinischer Schrift Buttmann und In lateinischer SchriftBoeckh nichts erhalten können. Sie hätten nichts Vorräthiges und wären iezt zuviel mit anderm beschäftigt, wie lezteres auch wahr ist. Beide, die bey den In lateinischer SchriftHierodulen meine treue Secundanten waren, Siehe dazu Buttmanns Schrift "Über das Leben des Geschichtsschreibers Q. Curtius Rufus: in Beziehung auf A. Hirts Abhandlung über denselben Gegenstand" (Berlin 1820). Zur Kritik von Hirts Kollegen von der Akademie der Wissenschaften siehe auch Hirts Brief an F. A. Wolf vom 1. November 1821
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sind mir in der lezten Zeit über den Hals gefallen
, und gewaltig mit andern gegen mich aufgetreten. Sie werden im Kurzen das In lateinischer SchriftCorpus delicti gedruckt erhalten, und den Schiedsrichter machen.

Es thut mir leid, daß Ihnen mein Aufsaz: über die aeginetischen Bildwerke: nicht bekannt ist. Er steht in den Analecten von Wolf. Der Wunderliche sagte mir schon mehr als einmal, er würde Ihnen die gesammten Hefte zuschicken. Ich selbst kann es nicht, da ich selbst nur ein In lateinischer SchriftExemplar habe. Eben so geht es mir mit einigen Abhandlungen in den Schriften der Academie, die ich Ihnen gern zugesandt hätte, aber auch diese fehlen mir, bis auf eine: über den Tempel des In lateinischer SchriftHerodes : was Sie nächstens erhalten sollen.

Es war mir lustig, Müller hatte seine Studien der Klassischen Philologie 1816 in Berlin fortgesetzt (vorher Breslau) und hörte Vorlesungen bei Friedrich Daniel Schleiermacher, Karl Wilhelm Ferdinand Solger, Friedrich August Wolf, Philipp Karl Buttmann und August Boeckh. Nach seiner Promotion wurde er Gymnasiallehrer in Breslau, bis er im Juli 1819 eine ao. Professur an der Universität Göttingen erhielt, wo er Klassische Philologie und Kunstarchäologie lehrte.
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von unserm, nun göttingschen Müller
in seiner Schrift De tripode Delphico Karl Otfried Müller schreibt dazu in seiner Dissertationsschrift: "Iam cum de utriusque tripodis, et lebetis et crateris, forma simplicissima et primitiva quaererem; sese obtulit illius certe in opere artis exemplum manifestum. Sponius [Jacob Spon] enim ad dissertationem de tripodibus [Fussnote dazu: Maximam partem e schedis Peirescianis sumptam. Miscell[anea]. erud[itae]. antiq[uitatis, 1679]. Sct. III. p. 118. n. 3. Reddidit Montefalconius Ant. expl. II. tab. 53. n. 13.] anaglyphum exhibuit Romae aliquando in palatio Strozzi asservatum; nam ubi nunc sit nescio" (S. 7). Es folgt die Beschreibung des Reliefs. Die Beschreibung dieser römischen Kopie s. auch bei: Reinhard Kekulé von Stradonitz: Die Griechische Skulptur, Berlin 1906, Kap. XIII. Bildwerke im Berliner Museum, S. 171-173; dort "Medea und die Peliaden" oder "Medearelief" genannt: "In der Epoche des Parthenonfrieses ist das Vorbild entstanden, von welchem das Medearelief Nr. 925 eine antike Kopie, ist, eine mächtige Komposition und zugleich ein merkwürdiges und lehrreiches Beispiel dafür, welche Schicksale mitunter antike Skulpturen zu befahren hatten. / Es sind gegenwärtig zwei Exemplare dieser Reliefkomposition bekannt, das hiesige [in Berlin] und ein in Rom im Lateranischen Museum befindliches [...]; ein drittes, das wahrscheinlich noch vorhanden war, ist jetzt verschollen. / Medea hat die Töchter des greisen Pelias überredet, ihren Vater zu schlachten und aufzukochen, damit er von neuem die Jugend erlange" (S. 171).
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die Anzeige von dem In lateinischer SchriftRelief der Peliaden
, was ich Ihnen zusandte, zu lesen. So schlecht und untreu auch 'L'Antiquité expliquée', Bd. 2, Paris 1719, Tab. 53, n. 13.
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die Zeichnung bey Montfalcon
ist, so kann ich doch nicht zweifeln, daß es das selbe In lateinischer SchriftRelief ist. Nun bleibt es aber ein Räthsel, wie dies schöne Monument, früher schon entdeckt, Hirt schreibt in seinem Aufsatz "Medea und die Peliaden" (Amalthea, Bd. 1, S. 161-168): "Die Marmortafel, deren Zeichnung hier vorliegt, ist 1814 im Hofe der alten französischen Akademie am Corso zu Rom bei Gelegenheit der neuen Umpflasterung desselben, nicht tief unter dem alten Pflaster entdeckt worden. [...] Man sieht jetzt die Tafel in die Hofmauer desselben Gebäudes, wo man sie entdeckte, eingesetzt." [Fussnote dazu: "So fand ich die Sache im Jahre 1817. Die Tafel soll aber seitdem, wie ich höre, von der Stelle verschwunden seyn. Man konnte mir aber nicht angeben, wo man sie hingebracht hat: ob vielleicht in die neue französische Akademie, oder nach Paris selbst."] (S. 161f.).
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wieder unter das über der ZeileKopf Pflaster der alten französischen Akademie zu liegen über der Zeilekam, wo es eben in der lezten Zeit wieder ausgegraben ward.
Man sieht hiedurch, wie nachläßig und gering schätzend man in gewißer Zeit mit den schönsten Denkmälern verfuhr. Doch genug, daß es wieder an's Tageslicht gekommen ist. | 3 Nur wundert mich, hat [!] H. Müller den Gegenstand aus der schlechten Zeichnung erkannte. Haben Sie ihn vielleicht darauf aufmerksam gemacht? –


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Die Münchner haben uns außer neun Stück Aegineten
auch Der Kunstagent des bayerischen Kronprinzen Ludwig (I.), Johann Martin von Wagner, hatte 1813 in Rom den "Barberinischen Faun" und in Griechenland die Giebelfiguren des Aphaia-Tempel in Ägina, die sogenannten Ägineten, erworben.
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einen Abguß des Barberinischen Faun's zugeschickt
. Mehr über dies Meisterwerk zu sagen, als schon bekannt ist, wüßte ich darüber nicht zu sagen. Den sogenannten Barberinischen Faun erwähnt Hirt im 2. Band, im Kapitel "Die Dämonen der Gebirge, Wälder, Fluren und Felder: 3) Satyren": "Von dieser mehr thierartigen Bildung der Wald-Dämonen haben sich in jeder Kunstart eine bedeutende Anzahl von Denkmälern erhalten, worunter mehrere Meisterwerke sind. [...] Von Statuen zeichnen sich mehrere aus. Es giebt deren zwei, die schlafend vorgestellt sind. Der eine in parischem Marmor, der ehemal das Grabmal Hadrians zierte, ist in der Sammlung Barbarini. In gespreizter Stellung liegt er sitzend über einen Felsen gelehnt; ein Thierfell dient ihm als Unterlage. die mächtige Muskulatur zeigt sich in voller Anspannung, und man glaubt sein Athmen zu hören (XXIII. 11.). Der andere von Erz in der Herculanischen Sammlung ist jugendlicher gebildet, in ähnlicher Lage [...]. Beide gehören zu den Meisterwerken des Alterthums, besonders der Barbarinische; worauf vollkommen passt, was Plinius (33, 55.) von einem ähnlichen vom Schlafe befallenen Satyr, den Stratonicus auf einem silbernen Gefässe in Relief verfertigt hatte, sagt: 'er schiene eher hingelegt, als gemacht zu seyn.'" (S. 169)
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Ich habe ihn auch im II Heft meines Bilderbuches berührt, u. Taf. 23. einen Riß davon gegeben.
Übrigens sehe ich nicht, warum er weniger ein Ideal seyn über der Zeilesoll, als In lateinischer Schrift Apollo oder In lateinischer SchriftBacchus. Man ist so willkührlich mit dem Worte: Ideal - herumgesprungen, daß es eine Schande ist. doch nach und nach wird sich auch unsere Kunstsprache beßer ausbilden.

Schinkel entwarf für das Berliner Nationaltheater Bühnenbilder für insgesamt 42 Stücke, darunter 1816 die berühmte Sternenhimmel-Dekoration für Mozarts "Zauberflöte". Hirt bezieht sich möglicherweise auf Schinkels Entwurf zur zweiten Dekoration für Christoph Willibald Glucks "Alceste", die zuerst am 15. Oktober 1817 in Berlin aufgeführt wurde. Hier ist der antikisierende Giebel im inneren offenen Hof eines griechischen Tempels (Hypaethros) mit einem Relief verziert, was Böttigers Kritik hervorgerufen hatte, der es für fraglich hielt, dass in der Antike Giebel im inneren Hof eines Tempels mit einem Relief verziert gewesen seien. (Vgl. dazu Friederike Krippner: Spielräume der Alten Welt: Die Pluralität des Altertums in Dramentheorie, Theaterpraxis und Dramatik (1790-1870). Berlin/Boston 2017, S. 137f.; Abbildung der Entwurfszeichnung S. 136).
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Die Schinkelschen Theatersachen
haben zu wenig Intereße für mich, um Ihnen etwas darüber zu sagen. Ich habe die Blätter nur flüchtig gesehen, und in's Theater gehe ich höchst selten. Die Zeichnung aber von dem Zum Hypaethraltempel vgl. Hirt: Die Geschichte der Baukunst bei den Alten, Bd. 3, S. 18 ff.
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In lateinischer SchriftHypaethros
ist schlecht in mehrern Beziehungen - auf den Bau, das Relief im Tympanum, und die Tempelstatue. So etwas verstehen unsere gewöhnlichen Architekten und Decorateurs nicht. übrigens über der Zeilesind solche Dinge für unser Theaterwesen gleichgiltig. Etwas Rechtes kann doch nicht daraus werden, so viel Geld unsere Intendanten auch hiemit vertändeln.

Levezow, der s über den ursprünglichen Text geschriebenS ie grüßt, sagt mir: Wohl für die "Amalthea". Im 1. Band erschien von Levezow die Abhandlung "Amor und Ganymedes die Knöchelspieler: zur Erläuterung eines alten Kunstwerks in dem königlichen Schlosse zu Charlottenburg bei Berlin" (Amalthea, Bd. 1, 1820, S. 175-197).
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er hätte Ihnen etwas zugesandt
. Levezow erhielt 1820 die unbezahlte Stelle als Adjunkt (Assistent) von Jean Henry an der Kunst-, Antiken- und Münzkammer.
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Er ist iezt zum Adjunkt für das Münz- und Gemmen-Cabinet ernannt worden
, und dafür paßt er auch sehr gut. Ich wünschte nur, der gegenwärtige Aufseher wäre ganz abseite. Allein man muß über der Zeilewie überall solche Leute verbrauchen.

Ich habe mit vergnügen über der Zeileaus Anzeigen gesehen, daß Sie einen Sohn haben, Karl Wilhelm Böttiger hatte zunächst in Leipzig Theologie studiert, wandte sich nach einer Hofmeistertätigkeit in Wien aber dem Studium der Geschichte zu. Nach einer einjährigen Vorbereitung in Göttingen habilitierte er sich 1817 in Leipzig und wurde 1819 ao. und 1821 o. Professor der Geschichte und Literatur sowie Bibliothekar an der Universität Erlangen. Ausserdem war er einer der Direktoren des Kunst-Cabinets an der Universität. Erstes Ergebnis seiner schriftstellerischen Tätigkeit war 1819 die Biographie "Heinrich der Löwe, Herzog der Sachsen und Baiern".
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der sich hervor thut
, und auf den sich der Geist des Vaters niedergelaßen hat. Dies ist wohl die schönste Freude, die ein Vater haben kann. Laßen Sie bald wieder etwas von sich vernehmen
an Ihren immer gleichgesinnten
Freund

Hirt.