Berlin den 12 ten May 1818.

Hochwohlgeborner Herr Baron!

Ich size so tief in Ihrer Schuld, daß, wenn ich nicht auf ein Übermaaß freundschaftlicher Nachsicht rechnete, ich nicht ohne Erröthen vor Ihnen erscheinen dürfte. Wie es zugieng, daß Sie iezt erst auf mehrere Ihrer Briefe, worin sich die Gesinnungen des freundschaftlichsten Wohlwollens so rein aussprechen, die Antwort empfangen, würde schwer seyn, Ihnen zu sagen. Allerdings war der Andrang der Beschäftigungen seit meiner Rückkunft stark; aber wer möchte sich hiedurch gegen seine Freunde entschuldigen? - Anfänglich sollten Sie die Antwort nebst einigen meiner litterarischen Arbeiten durch Herrn Kreuzer erhalten. Da er mir aber bey seiner Abreise sagte, daß er noch beträchtliche Umwege zu machen gedenke; so entschloß ich mich, Ihnen meine Zusendungen directe zukommen zu laßen. Indeßen traf auch Ihr neuester Brief ein, und dieser ward ein neuer Grund des Zögerns. Doch ich komme zur Antwort.

In Rücksicht des Vgl. [Von Laßberg, 14.10.1817] und [Von Laßberg, 21.10.1817].
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Gemäldes in Zürch
, wovon Sie mir die Nachricht geben, war hier nichts zu machen. Man will nur lang anerkannte, oder hier zur Schau gestellte Kunstwerke ankaufen, und forthin ist ein solcher Andrang von Anerbietungen dieser Art von nahunter der Zeileen und entfernten Gegenden, daß man Mühe hat, irgend sich zu etwas zu entschließen, und so manche wichtige Unterhandlungen stocken. Die Brüder Boisserée wollten ihre Kunstsammlung an einem geeigneten Ort der Öffentlichkeit zugänglich machen, sie also komplett in staatlichen Besitz überführen, damit „von Staats wegen etwas Gemeinsames für deutsches Alterthum, Kunst und Geschichte, als für eine Nationalangelegenheit geschehe“, war ihre Tätigkeit doch „auf ganz Deutschland ins Allgemeine und Große“ gerichtet (Sulpiz Boisserée-Tagebücher, S. 295, 303); deshalb auch die Umzüge von Köln nach Heidelberg (1809/10), von dort nach Stuttgart (1819) und schließlich nach dem Verkauf der Sammlung an König Ludwig I. von Bayern 1827 nach München (vgl. Uwe Heckmann: Die Sammlung Boisserée: Konzeption und Rezeptionsgeschichte einer romantischen Kunstsammlung zwischen 1804 und 1827. München 2003 (=Neuzeit und Gegenwart), hier S. 99). „Der Zweck unseres Strebens geht dahin [...], unsere Sammlung und was wir noch weiter dazu zu bringen wünschen, für das gesammte deutsche Vaterland, an einem schicklichen Ort und auf die ferne Zukunft hin, als einen unveräußerlichen Kunstschatz fest zu gründen, und womöglich auch unsere Thätigkeit lebenslang daran zu knüpfen“ (Sulpiz Boisserée an Frau von Hellwig, 12. Mai 1819, in: S. Boisserée Briefwechsel, Bd. 1, S. 363). Da die Brüder entschlossen waren, ihre Sammlung im Ganzen zu verkaufen, bewarben sich ab 1816 neben Frankfurt, Stuttgart und Wien auch Berlin um dieselbe. Dorothea Schlegel schreibt am 5. März 1817 aus Frankfurt an Sulpiz Boisserée: „Alle Berliner, die wir zu sprechen Gelegenheit haben (noch vor einigen Tagen, den Geheimerath Stägemann), versichern, daß die Sache mit Ihrer Sammlung gar keinem Zweifel mehr unterliege, sie käme ganz gewiß nach Berlin; es läge nur noch an der Anordnung des Finanzministers, und der Bau, der diese schöne Sammlung in sich aufnehmen solle, wäre schon begonnen. Die Berliner thun ordentlich empfindlich, wenn man noch einige Zweifel hat; und doch hört man wieder von andern Seiten, daß Sie selber, lieber Freund, daß Sie noch oft schwanken [...]“ (Briefwechsel, a.a.O., S. 337). Von 1815 bis 1817 führte die preußische Regierung Verhandlungen mit den Boisserées, um die 1815 erworbene römische Sammlung Giustiniani zu ergänzen. Der Ankauf durch den preußischen König kam jedoch ebensowenig zustande wie später der durch den württembergischen König in Stuttgart; die Sammlung Boisserée ging 1827 nach Bayern. Berlin entschied sich, trotz Fürsprache u.a. von Schinkel, Humboldt und Altenstein, gegen den Ankauf der Boisseréeschen Sammlung; ausschlaggebend war das Memorandum des Finanzministers Graf von Bülow 1817, in dem vor allem finanzielle Gründe vorgebracht wurden, aber auch die Überzeugung, dass die dort versammelte Kunst keine Vorbildwirkung besitze (zu den Verhandlungen siehe Eduard Firmenich-Richartz: Die Brüder Boisserée. Bd. I: Sulpiz und Melchior Boisserée als Kunstsammler. Jena 1916, besond. S. 298-350). Eine endgültige Entscheidung wurde zwar noch verschoben, doch stand man dann schon in Verhandlungen über den Ankauf der weit umfangreicheren Sammlung des in Berlin lebenden englischen Kaufmanns Edward Solly (bis 1821 erweitert auf etwa 3000 Bilder europäischer Meister). Solly musste in einer wirtschaftlichen Notlage seine Sammlung 1819 an den preußischen Staat verpfänden, die der König schliesslich 1821 für 500.000 Reichstaler ankaufte . - Siehe weiterhin: Annemarie Gethmann-Siefert (Hrsg.): Die Sammlung Boisserée. Von privater Kunstbegeisterung zur kulturellen Akzeptation der Kunst. München 2011 (Kunst als Kulturgut, Bd. 1).
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Selbst über die Sammlung der In lateinischer SchriftBoiserée ist es noch nicht zum Zuschlag gekommen.

Zu Conradin Kreutzers Konzerten in Berlin und der Empfehlung durch Hirt vgl. [Von Laßberg, 09.09.1817].
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Unser Landsmann, Herr Kreuzer, hat sich hier dem Hofe sowohl, als dem Publikum sowohl durch seine | 2 Persönlichkeit und sein Spiel sehr empfohlen
; und obwohl er des Das am 1. Januar 1802 eröffnete neue Langhans'sche Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt war am 29. Juli 1817 abgebrannt. (Vgl. u.a. den satirischen Bericht von E. T. A. Hoffmann in einem Brief an Adolf Wagner vom 25. November 1817, nebst einer Federzeichnung, in: E. T. A. Hoffmanns Briefwechsel, hrsg. von Friedrich Schnapp. Darmstadt 1968, Bd. 2, Berlin 1814-1822, S. 147f.) Das Nationaltheater wurde bereits kurze Zeit später an derselben Stelle nach einem Plan von Schinkel (1818-1821) neu erbaut.
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abgebrannten Theaters
wegen in einer ungünstigen Zeit hier auftrat, so schien er doch mit seinem hiesigen Aufenthalt sehr zufrieden. Wahrscheinlich haben Sie seitdem unter der Zeileihn schon selbst gesehen; denn er wollte vor Donaueschingen noch den In lateinischer SchriftHeiligenberg besuchen.

Laßberg hatte sie im Februar an Hirt geschickt (vgl. [Von Laßberg, 05.02.1818]).
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Die Probe zu Ihrer Ausgabe
hat hier den Kennern unserer ältern Litteratur sehr gefallen, und alle kommen in dem Wunsche überein, daß der In lateinischer SchriftCodex auf solche Weise erscheinen möchte. Ich habe die In lateinischer SchriftSpecimina an die Profeßoren In lateinischer Schrift Wilken , Rühs hatte 1812 die „Edda“ ins Deutsche übersetzt und 1816 ein „Handbuch der Geschichte des Mittelalters“ veröffentlicht.
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In lateinischer SchriftRühs
u.Zeune hatte 1813 eine Prosaübersetzung des Nibelungenliedes und 1815 eine Taschenausgabe veröffentlicht.
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In lateinischer SchriftZeune
gegeben. Sie werden sich dadurch ein bleibendes Denkmal setzen. Mit HerrnLaßberg hatte sich Gubitz als Illustrator für seine Nibelungenausgabe gewünscht.
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Gubiz
bin ich nach langen u. vielfältigen Unterhandlungen endlich so weit, Ihnen berichten zu können, daß er sich auf die ihm angetragene Arbeit nicht einlaßen will. Anfänglich schien er sehr bereit, die Sache zu unternehmen, nur verlangte er vorschub, um sich über den Preis und die Zeit der Ablieferung zu bestimmen. Endlich da ich immer mehr in ihn drang, sich zu bestimmen; so giebt er mir iezt die Antwort: daß der vielen übernommenen Aufträge wegen es ihm unmöglich sey, sich der Arbeit zu unterziehen. - Wäre Ihnen nicht zu rathen, daß Sie auch den Steindruck für die Zeichnungen wählten, etwa bey Senefelder in München? -

Hiemit übersende ich Ihnen das 2te Heft des Bilderbuches, und einiges andere von theils eben erschienenen Arbeiten. Sie werden daraus mein litterarisches Treiben ersehen, und mit der Nachsicht eines Freundes darüber urtheilen. Noch habe ich Von der Reise nach Italien und Holland.
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seit meiner Rückkunft
mich wenig Ernsthaftes | 3 unternehmen können. Nebenarbeiten haben mir den grösten Theil der Zeit geraubt. Ich hoffe in der Folge dieses Sommer mehr Muße zu gewinnen, um an eine größere Arbeit, die mich seit vielen Jahren beschäftigt, die lezte Hand zu legen.

Wie oft, lieber Baron, denke ich Ihrer, und wie sehr wünsche ich mir, und meinen Studien die Zurückgezogenheit, in der Sie auf Ihrem schön gelegenen Vgl. die Anmerkung im Brief an Laßberg, 28.07.1817.
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In lateinischer SchriftEppishausen
leben. Aber ich bin schon zum großen geräuschvollen, und zeitraubenden Stadtleben gebannt, und hier heißt es - ausharren. An Freunden und Wohlwollenden fehlt es nicht; aber man müßte sich viervielfachen können, um dem anfordernden Umgange zu genügen, und doch in dem Mancherley von Arbeiten nicht zurückzubleiben. Auf eine Reise vor der Hand darf ich nicht denken; so sehr ich auch wünsche, noch vor der großen Reise - wovon Niemand zurückkomt - Hirt kam nie dorthin.
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noch London u. Paris zu sehen
, und bey der Rückkehr noch einmal den Blick auf jene Gegenden zu werfen, die Sie bewohnen, und wo die Träume meiner Jugend hingehören.

Vgl. die Anmerkung im Brief an Laßberg, 28.07.1817.
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Das Gemälde von In lateinischer SchriftHans Baldung
, das ich Ihrer Gefälligkeit verdanke, ist in meinen Zimmern gebührend in goldenem Rahmen aufgestellt, und machet mir täglich vergnügen. Daneben hängt der Thurm von Freyburg, ein liebes Andenken von dem trefflichen Hug. Ein anderes Andenken wandert täglich mit mir, Ihr Stock - den Sie mir beym Abschiede noch aus dem Wagen reichten. Es sind Momente im Leben, deren man sich gerne erinnert, und dazu gehören die Tage derAuf der Rückreise von Italien hatte Hirt im Sommer 1817 Laßberg einen Besuch abgestattet.
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kleinen Reise
, die Sie mir schenkten. Wirklich ist der Mensch selten so glücklich, eine so überaus intereßante und instructive Reise zu machen, als mir zu thun im vorigen Jahre vergönnt war. Ich bin mit schönen Erinnerungen aller Art überfüllt. Dazu | 4 zähle ich aber hauptsächlich die Momente, die ich in Ihrer und Hug's Gesellschaft zubrachte. Ihr Bild ist im innersten In lateinischer SchriftLararium meiner Lieben aufgestellt.

Leben Sie wohl! - und sehen Sie die liebenswürdige Fürstin, so gedenken Sie meiner, und theilen Ihr auch einiges aus meinen Schriften mit. Ein colorirtes Kupfer vom Das Schloss auf dem Heiligenberg war der Sitz der Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg. Laßberg hatte dort mehrere Jahre mit der Fürstin zusammen gelebt.
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In lateinischer Schrift Heiligenberg
hängt in den Zimmern unseres Kronprinzen , und ich komme nie zu ihm, ohne davor zu verweilen, und über der Zeilezu bedauren, versäumt zu haben, die Lage in In lateinischer Schriftnatura zu sehen.

Es umarmt Sie herzlich
Ihr treuergebener
Freund
A. Hirt.