Sie haben, verehrter Freund, durch Ihre reichhaltige Sendung mich in ganz eigens angenehme Zustände versetzt. Ich
erinnere mich deutlichst der ersten Augenblicke, da ich, ein frischer Ankömmling
in Rom, Sie dort schon als
Eingeweihten fand, Vgl. An Goethe,
10.05.1830.
[Schließen]durch Sie geführt, der unschätzbaren Herrlichkeiten zuerst gewahr wurde.
Sie haben Ihr ganzes Leben solchen Betrachtungen gewidmet, ich war wenigstens in
dem Falle meine Neigung zur bildenden Kunst durch eine wachsende Kenntniß belebt
zu erhalten; und hiernach fügt sich's denn, daß wir in späteren Jahren,
vertraulich wieder zusammentretend, eines abermaligen freyen Umgangs durch
solche Regionen Johann Heinrich Meyer, dem Goethe Hirts Buch
geschickt hatte, schreibt am 28. Mai aus Belvedere: "Hirts
Kunstbemerkungen welche Sie mir gestern übersendet, habe ich
durchgelesen und bin grösstentheils damit zufrieden. Nur hätte er seine
schlechte Meinung von der Familie der Niobe und die absurde Verunglimpfung der Venus von
Tizian zu Dresden zurückhalten oder
wenigstens nicht abdrucken lassen sollen" (GSA Weimar, Eingegangene
Briefe 1830, 163). Goethe stimmt dieser Meinung in seinem Antwortbrief
vom 29. Mai zu: "Es war mir sehr angenehm was Sie von Hirts Werke
sagten; gerade diese beiden Äußerungen waren mir gleichfalls auffallend,
wenn ich mich an dem Übrigen erfreuen und belehren konnte. Eine solche
Recapitulation ist immer unterhaltend und aufregend" (WA, IV, Bd. 47,
Nr. 69, S. 79). - Die Beschreibungen der Niobiden und der Venus von
Tizian vgl. in den "Kunstbemerkungen" S. 65 und S. 154f. - In einer
Rezension von Hirts "Kunstbemerkungen" in den [Wiener] Jahrbüchern für
Literatur, 1831, Bd. 55, S. 197-223, die wahrscheinlich von Meyer verfasst ist, heisst es dazu:
"[...] die liegende Venus aber soll nicht allein keine Arbeit von
Tizian, sondern noch weniger als mittelmäßig seyn, und nicht einmal aus
der Schule des großen Meisters herrühren. Gern möchten wir dieses nicht
weniger harte also grundlose Urtheil aus dem Buche entfernt wissen, und
gestehen, daß wir von demselben peinlich berührt worden sind, eben weil
es ungegründet ist. Ohne Zweifel erreicht die Dresdner Venus des Tizian
das florentinische Wunderbild der Göttin, worin Tizian sich selbst
übertraf, nicht, auch war die Danae der königlichen Gallerie zu Neapel
ehemals in unbeschädigtem Zustande ohne Zweifel besser, selbst eine der
florentinischen fast gleichende Venus, welche sonst in der Villa
Borghese bey Rom aufbewahrt wurde, möchte der Dresdner vorzuziehen seyn;
diese aber besitzt dem ungeachtet noch große Verdienste, und es läßt
sich nicht ein einziger, vor unpartheyischen Kunstrichtern haltbarer
Grund anführen, aus welchem rechtmäßiges Mißtrauen gegen die Echtheit
dieses Werks hervorgehen könnte?" (S. 204). - Zu den Niobiden heisst es
in der Rezension: "Was S. 154 u. f. über Niobe und Kinder gesagt wird,
gäbe zu weitläufigen Erörterungen Anlaß, welche sich hier nicht am
rechten Platze befinden dürften; denn wenn unser Verfasser von dem schon
bey den Alten in hohen Ehren gehaltenen Statuenverein der Niobe und
ihrer Kinder spricht, und versichert, eine große Menge Denkmäler beziehe
man mit Recht auf jenes große Gesammtwerk; aber was hiervon auf uns
gekommen, lasse sich nur als mehr oder weniger glückliche Copie ansehen,
mit Ausnahme jedoch eines Sohns, vormals in Kaiser Rudolphs II. Sammlung
zu Prag, jetzt in der königl. bayerischen Glyptothek, und der
verstümmelten Statue einer Tochter im Museum Chiaramonti; so wäre viel,
sehr viel dagegen einzuwenden" (S. 217). - Zu weiteren Rezensionen vgl.
An Böttiger, 13.10.1830.
[Schließen]in heiterer Übereinstimmung genießen können.
Vgl. Carl Ruland: Goethe und die Dresdener
Gallerie, in: Goethe-Jb. Bd. 18, 1897, S. 104-107, bes. S. 106.
[Schließen]Die Dresdner Gallerie,
welche ich oft besucht, und der ich im Allgemeinen und Einzelnen gern gedenke, vergegenwärtigen
Sie mir auf's neue und, indem ich jene Schätze durch Ihr Kennerauge beleuchtet
sehe, scheinen sie sich mir ganz erneut entgegenzustellen. Auch Wilhelm Gottlieb Beckers Kupferwerk über die
Dresdner Antikensammlung: "Augusteum, Dresdens antike Denkmäler
enthaltend. 3 Bde., Leipzig 1804, 1808, 1811 (Ruppert Nr. 2175).
[Schließen]habe zugleich das Augusteum wieder
vorgenommen und kann dadurch Ihr bestimmtes Urtheil mir desto besser zueignen. Lassen
Sie mir auch künftig wie bisher, Ihre ernste treue Forschungen zu Gute kommen
und bleiben versichert, daß ich mit aufrichtigster Hochachtung und
Anhänglichkeit mich immer angeeignet fühlen werde.
Weimar den 24. May 1830.