An Herrn Profeßor / und Bibliothecar / Welker / zu Bonn / Mit Siegel

Berlin 8 July 1833.

Mein verehrtester Herr Collega!

Brief erschlossen: [Von Welcker, vor 08.07.1833].
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Ihre Zuschrift
hat mich nicht weniger erfreut, als die Übersendung Ihrer Schrift über Olympia . Beides kam mir richtig durch unsern Freund Gerhard zu, der es auch übernehmen will, Gegenwärtiges Ihnen zukommen zu laßen.

Auch ich hatte hier das Vergnügen die Abgüße der olympischen Entdeckungen zu sehen, und dies um so mehr, da ich dadurch meine Conjecturen Vgl. Hirts "Geschichte der Baukunst", Bd. 3: Die Lehre der Gebäude bei den Griechen und Römern, S. 57-65, Taf. XVIII.
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bey meiner Restauration des Olympischen Tempels
verifizirt fand; und Sie auch dieser Meinung zu seyn scheinen.

Ein früherer Briefwechsel zwischen Hirt und Welcker ist aus dem Jahr 1818 belegt. In einem Brief kritisierte Hirt heftig Welckers Auffassungen über die Aegineten, die derselbe in einer Besprechung von Wagners Buch in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen geäußert hatte (vgl. An Welcker, 29.08.1818.). Möglicherweise war dies der Anlass, dass Welcker den Briefwechsel daraufhin abbrach, obgleich dies nicht zu belegen ist.
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Das Mißverständniß, das vor Jahren unter uns vorfiel
, ist bey mir seit lange vergeßen, so daß ich nicht einmal mehr weiß, was er [!] betraf. Meine Achtung für Sie blieb immer dieselbe, und wenn ich nicht schrieb, so ist es bloß meiner Läßigkeit im Briefschreiben zuzuschreiben, worüber ich mir nicht selten Vorwürfe mache. | 2

Alles was Sie schreiben lese ich nur mit wahrem Vergnügen, sollten wir in unsern Meinungen auch nicht immer zusammentreffen.

Vor wenigen Tagen ist mir das letzte Heft des Institut zugekommen, worin mich Musée de Sculpture antique et moderne par M. le comte de Clarac; par F. G. Welcker. In: Annali dell'instituto di corrispondenza archeologica, Bd. 5, Heft 1, Paris 1833, S. 136-162.
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Ihre Recension des Pariser Museum
sehr angezogen hat. Ich sehe, daß Sie immer mit Eifer unsern Studien zugethan sind.

Ich hoffe, daß Sie mein neuestes Buch, was ich Ihnen auf dem Wege des Buchhandels zukommen ließ, werden empfangen haben, und wünsche sehr, daß Sie dasselbe freundschaftlich aufnehmen mögen. Die Resultate meiner Studien sind darin frey ausgesprochen. Möge jeder Kenntnißreiche dieselben Tacitus: Proömium der "Annalen".
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Sine ira et Studio
prüfen, und sich eben so unbefangen, als ich die Sache niederschrieb, darüber aussprechen. Ich scheue keine Prüfung und kein Urtheil, wenn es auch noch so abweichend von meinen Ansichten seyn sollte. Ich habe mich in meinen Studien immer selbständig zu halten gesucht und nichts mir angeeignet, wovon mir nicht Gründe vorzuliegen schienen. Und so glaube ich, daß jeder andere es ebenso mache, dem es bey seinen | 3 Studien ernst ist. Lebte unser Zoega noch, würde ich ihn vorzugsweise zu meinem Beurtheiler aufgefordert haben. Indeßen fehlt es uns auch iezt nicht an schönen Talenten. Und vielleicht sind Sie selbst nicht abgeneigt, Eine Besprechung von Hirts Buch durch F. G. Welcker, zum Beispiel in dem von ihm mitherausgegebenen "Rheinischen Museum für Philologie", konnte nicht nachgewiesen werden. - Eine Anzeige erschien hingegen in Franz Kuglers "Museum. Blätter für bildende Kunst", 1. Jg., Nr. 31, Berlin, 5. August 1833, S. 245-247, und Nr. 32, Berlin, 12. August 1833, S. 251. Darin heisst es abschließend: Das Werk gehöre trotz aller geäußerten Kritik "ohne Zweifel zu den bedeutendsten in diesem Fache" und empfehle sich "besonders durch die Klarheit der Thatsachen, einfache, fassliche Darstellung derselben, und ungewöhnliche Kenntniss der alten Denkmäler allen Freunden der alten Kunstgeschichte [...] Namentlich möchten diejenigen, welche eine Hauptübersicht der alten Kunstgeschichte sich klar zu vergegenwärtigen wünschen, dieses in keinem uns bekannten Werke so leicht und gründlich zugleich erreichen." (S. 251).
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Ihre Ansichten darüber auszusprechen
. Ich bin in mein 75tes LebensJahr eingetreten, und vermag wenig mehr zu thun; ich muß die weitere Förderung andern überlaßen.

Unser Gerhard , immer gleich feuerig und ämsig, will uns nächstens verlaßen. Ich habe ihn nicht so viel gesehen, als ich gewünscht hätte. Und da sein Weg ihn wieder nach Rom führet, so werden wir wohl auf immer von einander Abschied nehmen. Ich wünsche ihm nur jene Gesundheit, die er bey seiner Thätigkeit bedarf.

Leben Sie wohl und gedenken Sie meiner, so wie ich Ihrer gedenke als Ihr ergebenster A. Hirt.