Brief erschlossen: [Von Minutoli, etwa Herbst
1803].
[Schließen]So schmeichelhaft Ihr Zutrauen auch für mich ist, und so gern ich auch
Ihren Wünschen entgegen käme; so werde ich doch denselben nur auf eine sehr unvollkommne Weise genügen
können.
DasMinutoli beschreibt die Schale, die er in einem
Raritätenkabinett in der Stadtbibliothek in Genf (seiner Geburtsstadt)
gesehen hatte, wie folgt: „In einem Zimmer des Gebäudes werden auch
[...] mehrere Alterthümer gezeigt. Unter letztern, die besonders aus
Vasen bestehen, befindet sich auch ein silberner Votiv-Schild,
wenigstens giebt man die Sache dafür aus. / Dieser vermeintliche Schild
wurde im Jahre 1721 am Ufer der Arve gefunden, und einem Goldschmid
gebracht, der ihn bereits unter dem Hammer hatte, als ein
Kunstverständiger ihn glücklicher Weise vom Verderben rettete. [...] Da
dieser Schild meine Aufmerksamkeit sehr auf sich zog; so entwarf ich
davon eine möglichst getreue Copie [...]. Sie erblicken nach derselben
auf dem Schilde den Kaiser In lateinischer SchriftValentinian, der
seine Truppen nach einem Siege anredet, und ihnen die bekannte In lateinischer SchriftLiberalitas anweiset. Oberhalb zeigt sich die
Inschrift: In lateinischer SchriftLargitas Divi Valentiniani Augusti;
das heisst: Freigebigkeit des göttlichen und erhabnen Valentinian. Der
Durchmesser dieses Schildes, oder vielmehr dessen Chorde, beträgt zehn
und ein Viertel pariser Zoll; das Gewicht desselben ist mir aber
unbekannt. / Herr Prediger und Bibliothekar In lateinischer SchriftMartin meinte, dass hier von dem In lateinischer SchriftValentinian, der im vierten Jahrhundert Mitregent In lateinischer SchriftTheodors des Grossen war, die Rede sey. Dieser
kam nämlich nach In lateinischer SchriftGallien, nachdem er den In lateinischer SchriftMaximus bei In lateinischer SchriftAquilea
geschlagen hatte. / Durch Herrn In lateinischer SchriftMillin's scharfsinnigen
Commentar über den vermeinten silbernen Schild des In lateinischer SchriftScipio in der pariser Antikensammlung aufmerksam gemacht, bin
ich ebenfalls geneigt, den vorliegenden Schild für eine In lateinischer SchriftPatera zu halten. [...] Sonderbar ist es, dass
diese beiden Gefässe in Flussbetten gefunden wurden; das Pariser nämlich
In lateinischer Schrift1656 von Fischern in der Rhone; das Genfer
aber am Ufer oder im eigentlichen Bette der Arve. Beide hatten gleiches
Schicksal, das heisst, sie fielen Unwissenden, dann Goldschmieden in die
Hände, aus denen sie jedoch zum Glücke gerettet wurden. Ersteres fand
einen würdigen Commentator an [Aubin Louis] In lateinischer SchriftMillin: möchte dies bei dem zweiten jetzt von der gelehrten
Welt noch nicht gewürdigten bald auch der Fall werden“. In einer
Anmerkung dazu heisst es weiter: „Dies ist der Grund, warum ich benannte
Zeichnung so treu als möglich nach dem Original verkleinert darstellte,
und sind die Figuren nicht ganz so schön, als sie seyn sollten, so liegt
die Schuld mehr an mir, dem Abzeichner, als an dem Verfertiger dieses
Gefässes. / Herr Hofrath In lateinischer SchriftHirt zu In lateinischer SchriftBerlin, den ich hierzu schriftlich aufforderte,
hatte die Güte, mir durch den unten folgenden Brief seine Meinung
hierüber mitzutheilen, wofür ich demselben hiermit den ergebensten Dank
sage.“ (Minutoli, 1804 (wie D1), S. 107-112). Zu der Schale erläutert
Harry Nehls in D2, S. 264: „Bei der von Minutoli und Hirt disputierten
Silberschale, die 1721 am Arveufer bei Genf zufällig entdeckt wurde,
handelt es sich zweifellos um die bekannte Largitions- bzw.
Valentiniansschale, die heute im dortigen Musée d'Art et d'Histoire
aufbewahrt wird. [...] Beiden ist offensichtlich entgangen, dass diese
bereits 1724 in der „Antiquité expliquée“ des Bernard de Montfaucon,
also drei Jahre nach ihrer Auffindung publiziert worden war. Im Zentrum
des stark abgeriebenen Reliefs der ursprünglich vergoldeten Silberschale
steht - erhöht auf einer Basis - die Figur des mit Panzer und Chlamys
bekleideten römischen Kaisers, dessen Haupt von einem monogrammatischen
Nimbus mit A und Ω umgeben ist. In seiner Linken hält er - wie Hirt
richtig erkannt hat - das „berühmte“ von Constantin dem Grossen
eingeführte Labarum mit Christogramm, in der Rechten die Erdkugel mit
der Victoria, die ihm den Siegeskranz reicht. Der Kaiser ist von sechs
ranghohen Offizieren seines Heeres umgeben, die zufolge der
Schildzeichen ihrer Ovalschilde (antithetische Wolfsköpfe - erkennbar
bei der Figur am linken Schalenrand) Heeresabteilungen germanischer
Söldner befehligten. Am Boden zerstreut liegen die Waffen des Kaisers:
Schild, Schwert und Helm. Aus der von Minutoli nicht korrekt
wiedergegebenen lateinischen Inschrift am oberen Schalenrand: „LARGITAS
D[omini] N[ostr] VALENTINIANI AUGUSTI“ geht klar hervor, dass es sich
bei der Silberschale um eine Schenkung des Kaisers Valentinian handelt.
Welcher der drei Valentiniane der edle Schenker war, ist von der
archäologischen Forschung bis auf den heutigen Tag nicht zweifelsfrei
geklärt worden.“
[Schließen]
genfer
Monument
, welches Sie meiner Beurtheilung vorlegen, scheint allerdings in mancher
Rücksicht interessant zu seyn. Allein nach einer blossen Die von Minutoli angefertigte Zeichnung der
Valentininansschale ist abgebildet in D1, S. 108, sowie in D2, S.
262.
[Schließen]Zeichnung zu urtheilen, ist zu gewagt, besonders da das Monument in manchen seiner
Theile sehr gelitten zu haben scheint. Indessen will Ew. Wohlgeboren
nicht vorenthalten, was mir die Ansicht der übersandten Zeichnung, und der von
Ihnen beigefügte Commentar zu bemerken erlauben.
1) Die Grösse von etwa zehn Zoll [27 cm] im Durchmesser, und die Form
des Monuments lässt nicht wohl zweifeln, dass es was anders, als eine Art In lateinischer SchriftPatera (Opferschale) gewesen sey.
2) Man nimmt
darauf einen römischen Imperator wahr, der von seinen Truppen umgeben ist. Die
Kugel auf der Rechten, über welche eine geflügelte
In lateinischer SchriftVictoria
mit dem Kranze sich erhebt, zeigt auf die durch Tapferkeit erlangte
Oberherrschaft der Welt: und die Fahne in der Linken deutet auf einen Imperator
nach den Zeiten
In lateinischer SchriftConstantin des Grossen
. Denn die Fahne hat ganz die Form des berühmten In lateinischer SchriftLabarum, auf welchen wahrscheinlich das Zeichen ☧ - In lateinischer SchriftPax Christi - eingegraben war: jetzt aber durch die
Zeit verwischt seyn mag.
3) Merkwürdig ist der Kreis mit den Strahlen um
das Haupt. Dieser In lateinischer SchriftNimbus oder Lichtwolke - was man
gewöhnlich einen In lateinischer SchriftHeiligen-Schein zu nennen pflegt,
deutet auf einen christlichen, aber bereits verstorbenen Kaiser. Wir nehmen
diese Art In lateinischer SchriftNimbus, so wie auch das In lateinischer SchriftLabarum erst in den Zeiten
In lateinischer SchriftConstantins
, als des ersten christlichen Kaisers wahr.
Indessen ist der
Strahlenschein in den heidnischen Denkmälern viel älter, und derselbe ist von
dem Haupte des Helios in die
christlichen Denkmäler übergegangen.
4) Der Kaiser steht auf einer Art
Plinthe, oder In lateinischer SchriftPiedestal: und zu dessen Füssen sieht man
seine kriegerische In lateinischer SchriftIsignien, den Helm, das Schwert, den
Schild. Man sollte durch diesen Umstand, so wie durch das übrige der Darstellung
vermuthen, dass hier nicht der Kaiser, sondern die Statue des Kaisers
dargestellt sey, welche ihm das Heer als ein Denkmal errichtete.
5) Die
Zeit und die Person in der Figur des Kaisers lässt uns endlich die Inschrift um
den Rand des Monuments errathen. Nur möchte nicht leicht auszumachen seyn,
welcher In lateinischer SchriftValentinian - ob Vater oder Sohn - hier gemeint
sey. Wenn indessen die
In lateinischer SchriftVictoria
auf der Kugel nicht bloss ein Compliment wäre, sondern einen In lateinischer Schriftwirklichen Helden und Sieger bezeichnete; so wäre
dieser Umstand allerdings für den ältern
Valentinian entscheidend. Der Vater war bekanntlich ein tapferer
Krieger; der Sohn hingegen, von Weibern
erzogen, und das Spiel seiner Oberofficiere, ward in der Blüthe seiner Jugend
ermordet. Doch frühzeitig Regent mit seinem ältern Bruder
In lateinischer SchriftGratian
, und dann mit seinem Schwager In lateinischer Schrift
Theodosius dem Grossen
, hatte er allerdings den Titel: In lateinischer SchriftAugustus eben so
gut, wie sein Vater. In lateinischer Schrift
Divus heisst nicht der göttliche, sondern der vergötterte: und
diesen Titel erhielten die Kaiser erst nach ihrem Tode. Sowohl das Wort In lateinischer SchriftDivus, als der In lateinischer SchriftNimbus um's
Haupt zeigen auf einen bereits verstorbenen Kaiser.
6) In dieser spätern
Zeit In lateinischer SchriftLargitas im Sinne von In lateinischer SchriftLiberalitas genommen zu sehen, darf nicht befremden; aber wie passt
ein freigebiges Ausspenden auf einen bereits verstorbenen Kaiser? Ueberdem zeigt
in der ganzen Darstellung nichts auf ein solches Ausspenden. Auch war In lateinischer SchriftValentinian mehr als ein strenger, als freigebiger
Kaiser bekannt. Wage ich zu viel, wenn ich die Inschrift an der Stelle des
Wortes In lateinischer SchriftLargitas zum Theil verwischt glaube, und dass
die jetzige Leseart bloss Conjectur sey? -
Könnte nicht anstatt LARGITAS -
EXERCITUS - zu lesen seyn? wäre letzteres, so dürften wohl über das Dargestellte
keine weitere Zweifel obwalten.
Es stellte die Statue des ältern
VALENTINIAN'S nach seinem Tode vor, welche Statue ihm sein
Heer errichten liess.
Ihr -
HIRT.