An / Herrn Hofrath Hirt / nach Berlin.

Es geht mir oft so, daß ich meinen Briefen und Antworten einigen Gehalt geben und für ein bedeutendes Mitgetheilte nicht blos einen allgemeinen Dank erwiedern möchte. Darüber vergeht die Zeit und ich bleibe mit dem besten Willen über der Zeilegegen auswärtigen Freunden und Wohlwollende im Rückstande; wobey ich denn Niemand verargen mag, wenn er einige Unzufriedenheit gegen mich empfindet. Ich eile deswegen, Ihnen, mein Werthester, für das Uebersendete recht aufrichtig und lebhaft zu danken. Es war mir ein höchst erfreulicher Anblick, das Werk abgeschlossen und gebunden vor mir zu sehen, Vgl. Hirts Brief an Goethe vom 23. Mai 1809.
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dessen frühste Anfänge
mir schon so bedeutend und belehrend waren. Sie haben sich Ihren treuen Fleiß auf diese Weise selbst belohnt und gewiß wird dieses schöne Resultat Ihres Lebens auch von andern anerkannt werden. Durchlaufen habe ich es schon und mich über an der methodischen Zusammenstellung so vieler, in aller Welt zerstreuten einzelnen Documente vorläufig ergötzt.

Die beyden kleineren Schriften waren mir nicht weniger willkommen, ja sie stillten unter der Zeilemir eine mir ganz eigenthümliche innerhalb der Zeile frühere | 2 und oft gewaltsam wiederkehrende Sehnsucht, mich nur einigermaßen zum geistigen Anschauen jener großen Monumente des Alterthums zu erheben, die uns der Lauf der Zeiten misgönnt hat. Ihre Art das von Schriftstellern uns gewiß Überlieferte erst zum Grunde zu legen, dann einer durch andre bekannte Beyspiele über der ZeileData belebten Analogie Platz zu geben, und die letzten Lücken mit noch gegenwärtiginnerhalb der Zeileen uns bekannten und dorthin verwandten Beyspielen auszufüllen, ist so gewissenhaft als geistreich, sie überzeugt und überredet.

Welch ein Vorschritt ist nicht hierin Hier ist vermutlich Caylus' Hauptwerk „Receuil d'antiquités égyptiennes, étrusques, grecques et romaines (7 Bde., Paris 1752-1767) gemeint; möglicherweise hatte Goethe zusätzlich auch A. L. Millins „Monumens antiques inédits, ou nouvellement expliqués“ im Sinn, das als Supplement zu Caylus' Werk gedacht und in Paris 1802-1806 erschienen war.
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seit Caylus
geschehen! dem an seiner Stelle sein Verdienst wohl bleiben mag, über den wir uns aber doch zu beschweren haben, daß er unserer Einbildungskraft der Hoheit des Alterthums so wenig gemäße Formen aufbindet, und indem er unsre Erkenntniß erweitern will, unsern Geschmack verschlechtert.

Haben Sie, mein Werthester, nicht auch etwas über über der Zeilefür das Grabmal des Königs Mausolos II. von Karien in Halikarnassos.
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Carische Mausoleum
gethan? für denAlexander der Große wurde nicht nach seinem Wunsch im Ammonium der Oase Siwa begraben, sondern nach 2-jähriger Vorbereitungszeit in einem Leichenzug mit einem auf Rädern befindlichen Tempel, den Diodor beschreibt, nach Ägypten gebracht; dort zunächst in Memphis bestattet und später nach Alexandria verlegt.
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beweglichen Tempel, in welchem Alexanders Leiche nach Aegypten gebracht worden
, Ueber innerhalb der Zeilefür den Grabmal in Form einer babylonischen Stufenpyramide mit fünf Geschossen. Die Grabstätte soll sich bei der antiken Stadt Amphipolis, östlich von Thessaloniki, befinden. Der Hügel hat einen Umfang von fast 500 Metern und ist 33 Meter hoch. - Hirt beschreibt das Grabmal später in seiner „Geschichte der Baukunst bei den Alten“, Bd. 3: Die Lehre der Gebäude bei den Griechen und Römern (Berlin 1827), Abschnitt VIII: Die Ehren- und Grabmäler, § 11, S. 348-349.
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Rogus des Hephæstion
, | 3 wobey ich zugleich eine plausiblere Hypothese wünschte, warum Alexander, um zu dieser Bestattung Platz zu gewinnen, einen Theil der Mauern von Babylon abtragen lassen? Willkühr und Grille ist es gewiß nicht gewesen. Sollte man nicht bey der ungeheuern Dicke der Mauern eine Art von amphitheatralischen Stufensitz auf beyden Seiten für die Zuschauer gewonnen über der Zeileerhalten , ohne oder am linken Randvielleicht gar durch die abgetragenen Ziegeln und gewonnene Erde ein wirkliches Amphitheater hergestellt haben?

Wie die Alten über der ZeileGriechen nicht gerade einen Stolz darein setzten alles von Grund aus zu bauen, und wie nachher die Römer das ungeheure Coliseum in einen Sumpf zu gründen; sondern gar gerne Berge, Hügel und Gründe benutzten, um dem durch die Natur halbvorbereiteten eine architectonische Form zu ihren Zwecken zu geben, wie uns die Theater von Syrakus und Tauromina , ja das kleine Amphitheater in Trier, wenn man es so nennen will, belehren: sollte man hier nicht auch, um etwas Ungeheures mit Bequemlichkeit und Leichtigkeit zu erlangen, die Mauerberge einer überwundenen Stadt, als Stoff zu einem solchen Wundergebäude benutzt haben, das ein ganzes Volk und eine ganze Armee fassen sollte. | 4 Ueber andre dergleichen Dinge habe ich noch manchen Einfall, den ich wohl gerne mittheile, und weshalb ich mich gelegentlich anzuregen bitte.

Herrn Büry grüßen Sie zum allerschönsten. Ich habe Vgl. An Goethe, 23.05.1809.
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seinen Brief
erhalten. Er verzeihe mir, daß ich nicht antwortete: ich bin ohnehin ein fauler Correspondent, und man entwöhnt sich jetzt mehr als sonst des Briefschreibens. Deswegen gedenke ich doch treulich an meine abwesenden Freunde und lasse mir von Reisenden gern umständlich erzählen, die mir denn auch sehr viel Gutes von Bürys Vgl. An Goethe, 23.05.1809.
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letzten Arbeiten
gesagt haben. “Johanna Sebus“. Das Gedicht, das Goethe am 11. und 12. Mai 1809 niedergeschrieben hatte, war Ende Mai 1809 bei Frommann in Jena gedruckt worden. Goethe schickte die gesamte Auflage an den Niederrhein; vgl. Goethe an Charles de Keverberg und Christiane Vernejoul, 29. Mai 1809. - Bury dankt Goethe am 25. Oktober 1809: Er habe nach Goethes Gedicht ein Aquarell angefertigt und der Prinzessin Karoline von Hessen-Kassel zum Geburtstag überreicht. Beiliegend erhalte Goethe einen Umriss davon, gezeichnet von der zehnjährigen Prinzessin, die bereits Kompositionen nach Goethes Gedichten anfertige (Goethe RA 5/1290). - Die Ballade wurde 1809 von Zelter vertont.
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Theilen Sie ihm beykommendes Gedicht mit
, Goethe war vom Unterpräfekten in Kleve, Charles de Keverberg, durch Christiane von Vernejoul über die näheren Umstände "der fürchterlichen Überschwemmung, welche vor einigen Wochen so viel Unglück in Holland, und unßerer Gegend angerichtet" unterrichtet und gebeten worden, "die rührende That [der Johanna Sebus] in einer Ballade [zu] Verewigen" (Goethe, RA 5/1093). Ein Bürgermeister vom Niederrhein hatte Goethe über den Vorfall berichtet und ihn gebeten, "in einer alles verschlingenden Zeit das Andenken einer reinen Menschenhandlung" zu erhalten.
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zu dem ich von wohldenkenden Freunden aus jener Gegend veranlaßt worden
.

Leben Sie recht wohl, gedenken Sie mein und lassen mich von Zeit zu Zeit theilnehmen an dem, was Sie vorhaben und wirken. Möchten Sie den Verleger veranlassen, mir die Vgl. An Goethe, 04.07.1809: Er könne den Kupferstich nicht schicken, da der Kupferstecher gestorben sei.
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perspectivische Herstellung des Tempels zu Ephesus
, sobald sie fertig ist, zuzusenden; ich werde die Gebühr mit Dank abtragen. Herrn Geheimerath Wolf haben wir leider dießmal nicht gesehen; er hat sich auf seinem Zuge westlich gehalten. Kehrt er nach Berlin zurück, so empfehlen Sie mich ihm bestens.

Wird es Ihnen möglich sich vom Platze zu bewegen, so richten Sie Ihren Weg gerade auf uns zu, doch nicht unangemeldet, damit wir nicht etwa entfernt oder so versagt und verwickelt sind, um den Freund nicht gehörig empfangen zu können. Gegenwärtig bin ich in Jena. Ueber meine Goethe unternahm 1809 keine Badereise; er hielt sich den Sommer über meist in Jena auf.
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Badereise
konnte ich noch nichts beschließen.

Jena den 9 Juny 1809.