Berlin den 29 Aug. 18.
Um mit der Antwort auf Brief erschlossen [Von Welcker, vor
29.08.1818]
[Schließen]Ihr vertrautes Schreiben, mein verehrtester Freund! nicht zu zögern, wandte ich mich mit ein paar
Worten sogleich an den Mann, von dem ich das zuverläßigste erfahren konnte. Nicht überliefert.
[Schließen]Die Antwort lege ich in original bey, und füge nur noch hinzu: daß ich sogleich wieder an p.
Nicolovius
schrieb, daß ich zwar von der Absicht des H. Prof. Welker
in
Heidelberg
nichts zuverläßiges wüßte; ich aber doch durch anderseitige Nachrichten
vermuthen könnte, daß denselben Karl Theodor Welcker lehrte von 1816 bis 1819 als
Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg und
wechselte von 1819 bis 1822 an die neugegründete Universität Bonn. Sein
Bruder Friedrich Gottlieb Welcker kam ebenfalls 1819 (bis 1868) als
Professor für deutsche klassische Philologie und Archäologie nach
Bonn.
[Schließen]ein Ruf nach Bonn
nicht unwillkommen seyn, und er ihn auch annehmen dürfte“. - Erfahre ich
ein Mehreres, so werde ich nicht säumen, Sie damit bekannt zu machen. Übrigens
kann ich Sie versichern, daß ich mich freuen würde, Sie mit Ihrem Bruder für die neue rheinische
Universität
gewonnen zu wißen.
Anzeige von: Stuttgart und Tübingen. Bey Cotta:
Johann Martin Wagners, K. Bayerschen Prof. der Historienmahlerey [...],
Bericht über die Aeginetischen Bildwerke im Besitz Sr. KI. Hoheit des
Kronprinzen von Bayern. Mit kunstgeschichtlichen Anmerkungen von Fr. W.
J. Schelling. 1817. 246 S. In: Göttingische gelehrte Anzeigen unter der
Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften, 1818, Bd. 2, 115.
Stück. Den 18. Julius 1818, S. 1137-1152; Beschluß in: 116. Stück. Den
20. Julius 1818, S. 1153-1165, gez. "W-k.". - Darin heisst es u.a.:
"Mehrere seither öffentlich ausgesprochene Meinungen haben im Ganzen
sich gegen das Urtheil Wagners und Schellings erklärt. Danach wäre es
kurz und gut abzuthun und als ausgemacht anzusehen, daß die Aeginischen
Bildsäulen erst nach der Schlacht von Platäa, wenn nicht gar erst in der
Blüthezeit des Phidias ausgeführt seyen. Rec. dagegen, so viel er nach
dem, was bis jetzt vorliegt, zu urtheilen vermag, tritt was das
Zeitalter betrifft entschieden der früheren Ansicht bey, und zwar so wie
sie durch Schelling bestimmt wird, daß diese Werke nicht vor Dipönos und
Skyllis, um Ol. 50, wohl aber eher eine gute als eine sehr geringe Zeit
vor den Persischen Kriegen entstanden seyn mögen" (S. 1138). - " Ein
andrer Grund, von der Kleidung des feindlichen Bogenschützen
hergenommen, fällt ganz weg. Persisch ist diese freylich; aber darum ist
nicht er ein Perser, indem bekanntlich sowohl diese als andre Persische
Tracht, wie auch Phrygische, gewöhnlich in der Kunst nicht ein
bestimmtes Volk bedeutet, sondern Morgenländer, Barbaren überhaupt; und
die Tracht namentlich jenes Bogenschützen ist genau die, welche auch den
Amazonen gegeben wird, so sehr, daß man nach der durch Hirt bekannt gemachten kleinen
Zeichnung in dieser Figur eine Amazone erblicken müßte, wenn man nicht
den Bau der Brust als ein Versehen des Zeichners betrachten wollte. Zum
Beweis dienen die Vasen bey d'Hancarville IV, 50. Tischbein III, 26.
Millingen 37. Millin I, 10. II, 25 und vorzüglich 19, welches letzte
Gemählde auch darin etwas auffallendes hat, daß unter so vielen Kämpfern
nur eine einzige Amazone erscheint: und diese ist genau so wie unser
Schütz gekleidet und gerüstet" (S. 1140 f.). - "In so weit also als
Bauart und Inhalt der Statuenvereine zur Festsetzung der Zeit Anleitung
geben könnten uns bescheidend im Dunkeln zu tappen, sind wir lediglich
auf den bildhauerischen Styl hingwiesen, der dagegen desto bestimmter
die Merkmale eines früheren Ursprungs dieser Werke zu enthalten scheint.
Am meisten freylich liegt dieß in der anerkanntermaßen durch eine
altväterliche Vorschrift noch streng beherrschten Bildung der
Gesichtszüge, der Haare und der Gewänder, die in einem solchen Abstand
von der Kunst des Phidias erscheinen, daß, ohne ganz besondre
Gegengründe zu berücksichtigen, ein so geübter Kunstkenner als Hr.
Wagner sehr verzeihlich auf ein übertrieben hohes Alterthum schließen
durfte" (S. 1143). - "Nach der Annahme Schellings, daß von Anfang an
[...] dieß Auszeichnende der Aeginischen Kunst in nichts anderm
bestanden habe, als in getreuer und genauer Nachahmung der Natur, im
Gegensatz eines bloß geistigen Typus oder eines Systems von Regeln bey
den Athenern, reißt sie los von dem Bildungsgang der Hellenen, ja aller
alten Völker; auch ist ja der alte Typus selbst, das aus der
Einbildungskraft Geschöpfte u. willkührlich den Götterbildern Beygelegte
als Bestandtheil der Aeginischen Kunst nicht minder auffallend als die
Naturnachahmung. Zwischen Aeginern und Athenern war die Verschiedenheit
in der Kunst niemals so groß wie zwischen Niederländern und Italiänern;
und es liegt kein Grund vor, auf Aegina eine engere Verbindung der Kunst
mit dem Handwerk vorauszusetzen, als irgend anderswo in Griechenland.
Strenge Naturnachahmung im Beginne der Kunst würde vielleicht gerade den
Dorern am wenigsten entsprechen, weil sie in dieser Zeit mit der
Einfachheit und Größe des Sinnes, mit einem männlichen, mächtigen und
gefühlvollen Character sich nicht vertrüge" (S. 1151 f.).
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Ihren Aufsaz
in den Göttingischen Gelehrten
Anzeigen sah ich vor wenigen Tagen, und ich kann nicht läugnen, daß
derselbe mich befremdete, nicht etwa wegen der Verschiedenheit der Meinung,
sondern wegen der mysteriösen Art, mit der derselbe abgefaßt ist. In Wahrheit
konnte ich demselben keinen Sinn abgewinnen. Kurz ich weiß nicht, was und wie
Sie es damit meinen. Ich liebe gern eine grade, offene, logische Sprache mit
Schonung der Person, aber nicht der Sache. Da ich sehr entfernt bin, irgend eine
meiner Meinungen für unbefehlbar zu halten, so kann Widerspruch mich nie
beleidigen, vielmehr werde ich jedem dankbar seyn, der mir einen Irrthum
benimmt, oder Gegengründe, Einwürfe, und Schwierigkeiten aufstellt, welche zur
Begründung einer bestimmten Meinung noch zu lösen, und zu heben seyn möchten.
Ich habe es mit dem Studium immer ernsthaft gemeint, nie dabey persönliche
Rücksichten gehabt,
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erhaben. Aber noch einmal wiederhole ich es: ich wünsche offene Darlegung und
Gründe. Das vernuscheln bey solchen Gegenständen führt zu nichts. Die Äußerungen
mancher über manches gefallen mir nicht, aber ich laße sie auf sich beruhen,
wenn mir nicht überzeugende Gegengründe zur Hand sind. So würde ich es an Ihrer
Stelle nicht gewagt haben, vor der Hand eine absprechende Meinung über Vgl. dazu die Anmerkung im Brief an Rauch, 21.04.1818.
[Schließen]die aeginetischen
Werke zu äußern,
wohl aber
in einem critischen Blatte die Meinungen anderer bloß historisch
aufzuführen. Wie Sie z. B. darauf fallen konnten, die vermuthung zu äußern, die
Figur des Phrygiers könnte wohl eine Amazone seyn, ist nicht begreiflich, denn dies sezt
voraus: daß alle diejenigen, welche bis iezt die Sachen gesehen haben, kein Auge
zu sehen hätten, denn daß man so was nicht nach einer hingeworfenen Skizze zu
beurtheilen habe, versteht sich von selbst. - Daß Sie sich andere und frühere
Kunstepochen, als ich, denken, ist eine andere Sache; und ich kann nichts
dagegen haben, wenn Sie Gründe hierüber aufstellen werden. Aber daß Sie die
aeginetischen Werke weit älter und früher als
Phidias
halten gegen die Meinung eines andern, der die aeginetischen sowohl,
als das vorzüglichste der Athenischen
Werke sah und verglich, ist bey einem Besonnenen, der weder das eine, noch das
andere durch Anschauung kennt, kaum denkbar. Daß
Schelling
so wie Sie, operirte(?),
ist sehr verzeihlich, denn
Schelling
ist weder Kunstkenner, noch hatte er hierüber bis dahin
vergleichende Data. Was Sie von den Meistern von Aegina vorbringen, ist mir nicht minder räthselhaft. wer wird,
oder wer kann vermuthen, daß die bey
Pausanias
genannten großen aeginetischen Meister immer im aeginetischen Stil hätten arbeiten sollen? Diese waren so gut
Künstler wie die athenischen und andere, und weder der Aeginete, noch der
Athener arbeitete in dem
aeginetischen Stil, wenn es nicht vorschrift war. Aber war es
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vorschrift, so zweifle ich keinen Augenblick, daß auch
Phidias
u. seine Schule, so wie die in Aegina gebornen Meister, im altaeginetischen Stil arbeiteten.
Doch ich breche ab, damit Sie nicht glauben, daß ich mit Ihnen eine Brieffehde
führen wolle. Doch um Ihnen offen zu zeigen, wie ich über Ihre Anzeige denke,
habe ich dieselbe nicht ganz übergehen wollen.
Vgl. die Anmerkung im Brief an Rauch, 21.04.1818.
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Rauch ist seit einem Monat aus
Italien zurück, und ich freue mich seines biedern Umganges. Bin ich im stande, Ihnen
fernere Beweise meiner Freundschaft zu geben, so soll es mit Vergnügen
geschehen