Berlin den 6 October 1816.
Theuerster Freund!Ihre Sendungen an Welcher der beiden Brüder, Franz oder Johannes,
gemeint ist, ist nicht sicher. Beide lebten seit 1807 in Rom. Gemeinsam
arbeiteten sie u.a. an der „Geschichte der Malerei in Italien"
(Stuttgart und Tübingen 1810-1820) und an der bildlichen Darstellung des
Lebens von Raffael.
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Riepenhausen
habe ich erhalten, und werde alles treulich besorgen. Den 10
ten
dies geht endlich Zu Hirts Italienreise siehe auch An Böttiger,
30.08.1816.
[Schließen]die Reise vor sich, und über Schlesien, wo Besuche zu machen sind, und Wien, vor mitte November werden
wir wohl in Italien nicht
eintreffen. Es freut mich,
daß Sie einiges Intereße an Vgl. An Böttiger,
30.08.1816.
[Schließen]meinen Übersendungen gefunden haben. Böttiger hatte von 1806 bis 1813 zweimal pro
Woche in seiner Wohnung im Cosel'schen Palais stark besuchte Vorlesungen
über Archäologie und Altertum gehalten, die er später u.a. als „Ideen
zur Kunst-Mythologie“ (1826) publizierte. Mit seiner Anstellung als
Oberaufseher der Antikengalerie 1814 setzte er seine Vorlesungen im
Vorraum der Antikensammlung fort; 1816 wählte er den Mythos von Amor und
Psyche zum Gegenstand; 1821 folgten Vorträge zum Herkules-Mythos. (Zu
Böttigers Dresdner Vorlesungen vgl. Gerald Heres: Carl August Böttigers
archäologische Vorlesungen in Dresden, in: Miszellen zur
Wissenschaftsgeschichte der Altertumskunde, hg. von Horst Gericke,
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Wissenschaftliche Beiträge
1980/38, Halle 1980. – René Sternke: Böttiger und der archäologische
Diskurs. Berlin 2008, S. 234-241. – Kordelia Knoll: Vorstellungen und
Visionen von einem idealen Antikenmuseum, in: René Sternke (Hg.):
Böttiger-Lektüren. Die Antike als Schlüssel zur Moderne. Berlin 2012,
besond. S. 196ff.). In der Vorrede zu „Ideen zur Kunst-Mythologie“, Bd.
1, Dresden, Leipzig 1826, S. XXIIIf., schreibt Böttiger: „Es war im
Jahre 1816, als ich durch die Aufforderung einiger Zuhörerinnen von
hohem Stande die an Bildwerken und Deutungen gleich reiche Fabel von
Amor und Psyche zu behandeln, dieser Spätgeburt der griechischen,
platonisirenden Kunst eine eigne Reihe von Vorträgen widmete. Es mußten
hier nach den mir vorgesteckten Gränzen viel seitwärts eingreifende
Untersuchungen über den Cyclus des menschlichen Lebens (voran der
berühmte Pamfilische Sarkophag), über Eros und Anteros, über die
Vorstellung von Schlaf und Tod, über den Orcus und das Schattenreich mit
in den Plan gezogen werden. Auch durften die Nachbildungen neuerer
Kunst, Rafaels Bilder in der Farnesina, Canovas und Thorwaldsens
Wettkampf in Gestaltung dieser Fabel bis auf die neuesten, nur zu
fantastischen Gebilde der Pariser Malerschulen nicht übergangen werden.
Der fast überströmende Reichthum dieses Stoffes, durch welchen das
sicherste Mittelglied zwischen der profanen und christlichen Kunst in
den ersten drei Jahrhunderten begründet wird, und die stets neu
hinzukommenden Beiträge neuerer Forschungen in einer Vorlesung von Hirt (1816), in Creuzers
Symbolik nach der neusten Ausgabe und selbst in den neusten Erklärungen
des Salomonischen Brautliedes hinderten mich, das übrigens ganz zum
Abdruck fertige Manuscript bis jetzt herauszugeben. Auch machen die dazu
nothwendigen 24 Tafeln von Abbildungen einige Schwierigkeit.“ -
Böttigers Ausführungen zu Amor und Psyche werden dann in Bd. 2 gedruckt:
Vierter Cursus: Die Fabel von Amor und Psyche. Nebst einer Einleitung
über den Pamphilischen Marmor (Aus C. A. Böttigers hinterlassenen
Papieren herausgegeben von Julius Sillig. Dresden, Leipzig 1836, S.
361-541).
[Schließen]Daß der Mythus
von
Amor u. Psyche
erst im Alexandrinischen Zeitalter
entstanden sey, kann ich nicht einstimmen. Schon die Ansicht der Monumente
verbieten dies. Auch scheint mir sehr gefährlich, die Mysterien des
Amor
mit denen des
Bacchus
verbinden zu wollen. Laßen Sie sich nicht durch falsche Monumente in dieser Hinsicht täuschen. Eben so wenig gefällt
mir die sogenannte Böttiger führt u.a. an: „Psyche fährt auf einem
Ruderschiffchen, dessen Steuer sie selbst regiert, von zwei Delphinen
gezogen, zu den Elysischen Sitzen, ein Carneol in Boriani's Collect.
Antiq. Rom. n. 43“ (a.a.O., S. 500-504).
[Schließen]Fahrt der Psyche zu den glücklichen
Inseln. Laßen Sie sich nicht von dem
Mercurius Psychopompos
verleiten. Überhaupt wenn der bräutliche Kuß nicht die höchste Spize
und Vollendung der Gesammtfabel ist; so ist der ganze Mythus ein Unding. Ich sage dies alles hauptsächlich: damit Sie Ihre
Monumente und Ihre Quellen genau prüffen, und eine glänzende Hypothese Sie nicht
auf Abwege verleite. –
Mit dem Bilderbuche werde ich noch immer aufgehalten. Der Druck ist seit längerer Zeit vollendet, allein noch fehlt die Vollendung von ein paar Platten, die mir immer und immer versprochen wird. Die Schweinigel von Kupferstechern, die ohnehin alles verderben, halten kein Wort; und ich bin daher nicht sicher: ob ich vor meiner Abreise Ihnen noch ein Exemplar werde übersenden können. – Es scheint Ihnen eben so mit Ihrem Memorandum zu gehen, welches ich vor meinem Abgehen noch gerne gelesen hätte. Im künftigen Stück der Analekten werden Sie auch meine Recension zusammt dem viscontischen Werk darüber finden. Merkwürdig ist, wie sich lezterer in einen [!] Hauptdingen versehen hat. Ich hoffe die Atheniensia auch vor meiner Rückkehr in England zu schauen, und dann wird sich wohl noch Gelegenheit zu einem ausführlichen Rescript finden. | 2
Was sagen Sie zu dem neuen großen illuminierten Werk
von Quatre Mere de Quincy? – Ich habe keine zeit mehr gehabt, eine
Anzeige davon zu machen. Ich behalte mir aber vor, Hirt und seine Freunde in der "Graeca" setzten
sich u.a. in ihren Zusammenkünften 1819 mit dem Hauptwerk von Quatremère
de Quincy auseinander. - Hirts Beschäftigung mit Quatremère fand im 3.
Band seiner "Geschichte der Baukunst bei
den Alten: die Lehre der Gebäude bei den Griechen und Römern
enthaltend" ihren Niederschlag (Berlin 1827, S. 56
ff.).
[Schließen]einiges Ausführlichere darüber nach meiner Rückkunft zu sagen. Gewiß wird es viele der unsrigen staunen machen.
Gern möchte ich über manches noch mit Ihnen plaudern, aber ich habe noch so vieles zu thun und zu ordnen, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Im Januar hoffe ich in Rom zu seyn. Haben Sie an mich zu schreiben, so werde ich dort Ihre Briefe bis gegen das Ende März unter der Aufschrift: al Signor Consigliere Hirt – Roma – richtig erhalten. Eben so werde ich an Sie schreiben, wenn mir was vorkomt, was Sie wesentlich intereßiren kann. Sonst wißen Sie, daß ich eben nicht der fleißigste Schreiber bin. Also bis auf weiteres: Addio! – und behalten Sie in freundlichem Andenken Ihren aufrichtigen Freund
Hirt.