Sie haben recht, mich meines Versprechens wegen, daß ich Ihnen Hirt hielt sich auf seiner Rückreise aus Italien
auch in München auf. - Klenze kannte Hirt seit seinem Architekturstudium
an der Bauakademie in Berlin, wo er von 1800 bis 1803 Hirts Vorlesungen
besucht hatte. Er schätzte Hirts Fachwissen sehr und war zeit seines
Lebens stark von ihm beeinflusst (Dirk Klose: Klassizismus als
idealistische Weltanschauung: Leo von Klenze als Kunstphilosoph. München
1999, S. 11).
[Schließen]im verflossenen Sommer machte, Brief erschlossen [Von Klenze, vor
23.12.1817].
[Schließen]zu mahnen. Auch habe ich dessen nicht vergessen, die erste Musse, welche ich nach
meiner Rückkunft fand, habe ich dazu verwandt, Hirts Aufsatz beginnt mit den Worten: "Ich
benutze die ersten Augenblicke der Musse, welche mir nach meiner
Rückkunft in Berlin zu Theil werden, verehrter Herr Director [=
Schelling], meine versprochenen Bemerkungen über Hrn. Wagner's
Nachricht, die Aeginetischen Denkmäler betreffend, so wie über Ihre
Zusätze, niederzuschreiben."
[Schließen]
meine Ansichten über die Eginetischen Bildwerke in
Beziehung auf die Schrift von
Wagner
und
Schelling
niederzuschreiben , und die Cockerell hatte sich auf einer 1810 bis 1816
unternommenen Studienreise durch Kleinasien, Griechenland und Italien an
den Ausgrabungen des Apollon-Epikuriostempels von Bassae beteiligt und
gehörte zusammen mit Carl Haller von Hallerstein zu den Entdeckern der
Giebelskulpturen des Aphaiastempels auf Ägina, den sogenannten
äginetischen Bildwerken. Hirt vertrat hinsichtlich der Deutung,
Rekonstruktion und Aufstellung der Skulpturen die gleiche Ansicht wie
Cockerell und veröffentlichte 1818 als Erster dessen
Rekonstruktionszeichnung der ursprünglichen Anordnung der
Giebelskulpturen. Cockerell selbst publizierte seinen Entwurf für beide
Giebelfelder 1819 im "Journal of science and the arts", VI, 327-341 und
VII, 229-238.
[Schließen]Zeichnung von
Cockerell
in einem kleineren Maaßstabe zum Stich copieren
zu lassen, worauf ich das Ganze bereits d. 20 November in
einer Sitzung der Königlichen Akademie der
Wissenschaften meinen Collegen In den Gesamt-Sitzungs-Protokollen ist zu der
Versammlung aller Klassen am 20. November 1817 vermerkt: "1) Herr Hirt
las über die Aeginetischen Denkmäler" (Archiv der BBAW, PAW (1812-1945),
II-V-2, Bl. 225).
[Schließen]vortrug. Nur hat sich bis jetzt der Stich und der Druck verspätet, und noch kann
ich die Zeit der Vollendung von beiden nicht bestimmt angeben. Allein soviel
verspreche ich Ihnen, daß ich die ersten Exemplare nach München an Sie übersenden werde. Denn mir
liegt der Sache wegen sehr viel daran, daß diese seltenen Kunstwerke nicht nur
allseitig richtig erkannt, sondern auch wieder in jenem bedeutenden Zusammenhang
restaurirt und aufgestellt werden, wodurch die ursprüngliche Idee des Ganzen
wieder in ihrem wahren Glanze hervorgeht. Wenn mich nicht alles trügt, und der
Kronprinz sowohl als andere Freunde
der Kunst sich durch meine Abhandlung überzeugen, daß die Monumente nur nach der
Idee, worüber wir schon mündlich sprachen, gehörig können aufgestellt werden.
Hinsichtlich der Deutung und der späteren
Aufstellung der Ägineten gab es zwischen Wagner und Thorvaldsen
einerseits und Cockerell und Hirt wie auch Klenze andererseits
erhebliche Differenzen. Wagner schreibt am 16. August 1817 an den
Kronprinzen Ludwig: "die von [...] Hirt gefasste Meinung, daß die Gruppe
des einen Giebels den Streit um den Leichnahm des Patroclos, und die
andere den Hercules im Gefechte mit Leomedon vorstellen soll, ruht auf
sehr seichten Gründen, [...] denn mit gleichem Rechte hätte man jede
andere Heldenthat darin suchen und finden können [...]. Ich versprach
mir wirklich etwas mehr Scharfsinn von unsern Antiquarischen Hirten"
(Glaser, Briefwechsel, S. 344-345). - In einem Schreiben an den
Kronprinzen vom 12. September 1817 äussert sich wiederum Klenze gegen
Wagners vorgeschlagene Aufstellung der Ägineten: "Was die übrigen
antiquarischen Gründe anbelangt die H. Wagener gegen die Sache anführt,
so sind sie meiner unmaßgeblichen Meinung nach um nicht mehr zu sagen
anmaaßungsvoll und irrig; denn mich deucht wo ein Mann wie Cockerell
deßen antiquarische Kenntniße wenigstens, fast ganz Europa anerkennt,
der griechischen Kunst und Art jahrelang an Ort und Stelle sah
gesprochen, wo Hirt deßen Ruf als Antiquar, Phylologe und Critiker schon
seid einem vierthel Jahrhundert besteht und wächst entschieden, da
sollte H. Wagener wenigstens nicht spötteln und witzelen, und seine
Meinung mit geziemender Bescheidenheit sagen. / Daß z. B. in dem
hinteren Aetos nicht wie H. Wagener meint über den 10 vorhandenen noch
ein halbes Dutzend Figuren gestanden haben, wird Ew. Königlichen Hoheit
der erste Anblick von Cockerells Zeichnung überzeugen; Hirts Erklärung
hat mir und den hiesigen Gelehrten, Schelling, Thirsch etc. etc. höchst
wahrscheinlich frappant und schön geschienen, und nur der ich wage es zu
sagen höchst partyische Sinn des H. Wagener kann sich so dawider erklären. Telamon der Sohn des Aeacos dieses
Stammvaters Aeginetischer Helden und Herrscher spielt in dem einen
Giebel eine Hauptrolle, Ajax dieses Telamons Sohn und Held Aeginas beim
Kampfe um Troja ist gewißermaaßen die Hauptperson in dem anderen
Giebelfelde, indem er den Körper des Patroclos gegen Hector
vertheidiget, und von Athenä beschützt erringt; wenn also auf einem
Aeginetischen Tempel, deßen Erbauung, eine der Hauptkatastrofen des
Aeacos verewigte, die 12 Hauptbilder, mit den merkwürdigsten
Geschichtsepochen seiner nächsten Nachkommen genau übereinstimmen, wenn
anerkannt gelehrte Männer dieses bis zur Evidenz beweisen, so kann man
wenigstens so viele Gründe nicht mit dem seichten unbestimmten Satze
abfertigen: diese Gruppen stellen nicht die in Frage stehenden Momente
dar, weil man eine jede Heldenthat darin suchen
kann. / Doch glaube ich daß Ew. Königliche Hoheit die Sache mit
Ruhe einstweilen dahin gestellt sein laßen können. In wenig Wochen wird
Hirt seine Gedanken über diese Werke mit Cockerells Zeichnungen
begleitet öffentlich bekannt machen, und dann wird es ja dem H. Wagener
wohl leicht werden seinem antiquarischen Hirten
wie er ihn zu nennen beliebt zu widerlegen und zu paaren zu treiben. Die
Sache hat meiner unmaßgeblichen nach [!] Meinung keine Eile, der Saal
[in der neu zu erbauenden Glyptothek] wird erst in 1 ½ Jahre angefangen,
bis dahin ist ja wohl die antiquarische Frage entschieden [...]" (ebd.,
S. 339-340). - Am 2. Dezember 1817 schreibt Klenze nochmals eindringlich
an den Kronprinzen: "[...] So eben als ich diesen Brief schließen wollte
empfing ich aus Rom von H. Wagener einen Brief worin er mir schreibt daß
sich Ew. Königliche Hoheit durch den Anblick der Aeginetischen Werke von
der Unmöglichkeit dieselben in ihrer
ursprünglichen Gruppierung aufzustellen überzeugt hätten, daß Cockerells
Ideen hierüber eine grundlose Hypothese sei, und daß Ew. Königliche
Hoheit nach Höchstdero Zurückunft aus Sicylien in diesem Sinne über die
oftbesprochene Frage entscheiden würden. Obwohl Ew. Königliche Hoheit
mir Höchstdero Absicht vor dieser Entscheidung erst Hirts und Cockerells
nähere Meinung und Zeichnungen abzuwarten schon zu erkennen gaben, so
wage ich doch diese unterthänige Bitte nochmals zu wiederholen, und
glaube nicht unredlich zu handeln wenn ich
vorschlage in einer so wichtigen Sache die einen reinen Kunstgegenstand
betrifft, jede Stimme zu hören und wenn ich selbst nicht voreilig und
ohne das gründlichste Erforschen von einer Ansicht abgehe welche Männer
wie Hirt und Cockerell mit mir theilen. Von beiden erwarte ich Antwort
auf die technischen und Mythologischen Fragen welche ich ihnen gemacht
habe und ich werde dann nicht ermangeln dieselben Ew. Königlichen Hoheit
unterthänigst mitzutheilen. [...]" (ebd., S. 382). - "Trotz Wagners
Kritik wurden die Skulpturen entsprechend Hirts thematischer Erklärung
identifiziert und aufgestellt, seine inhaltliche Deutung der
Giebelfelder ist noch heute gültig" (ebd., S. 345).
[Schließen]Daß Herr
Wagner
einer solchen Idee nicht günstig ist, begreife ich um so leichter, da er sich schon zu Rom mit der Arbeit des Herrn
Cockerell
(die er übrigens nicht sah) nicht zufrieden zeigte. Ich schätze
Herrn
Wagner
sehr, aber gewissen höhern Einsichten ist er nicht gewachsen, wie
dies seine Schrift zur Genüge zeigt
Ich kann nicht sagen, wie sehr ich wünschte, daß die Schrift noch in die Hände
| 2 Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen käme, während er noch in Italien ist, damit er selbst sehen,
urtheilen und anordnen möchte, auch so manches noch, was Vgl. An Rauch,
21.04.1818.
[Schließen]die Restaurationen betrift. Indessen möchte sich die Vollendung des Druckes und Stiches noch
einen Monath bis sechs Wochen hinziehen. Sollten Sie glauben, daß die Sache bis
dahin nicht Zeit hätte, so erbiete ich mich, Ihnen eine Abschrift von dem Manuscript und eine Copie der
Zeichnung machen zu lassen, und dieselben Ihnen durch die Post zuzusenden. Von
München aus, würden Sie dann
die Sendung nach Rom befördern.
Wie aus Hirts Brief an Rauch vom 21. April 1818
hervorgeht, schickte er eine Abschrift seiner Abhandlung: "Ich habe
meine Beschreibung [von den äginetischen Bildwerken] dem Kronprinzen in
Manuskript nach Rom geschickt.“
[Schließen]Sollten Sie dies wünschen, und glauben, daß es dem Kronprinz angenehm seyn würde, Ein solcher Brief ist nicht bekannt.
[Schließen]so schreiben Sie mir mit umgehender Post. Sie haben keine andern Unkosten, als die der Post. - Ich schließe um den
Abgang der Post nicht zu versäumen, mit wahrer Hochachtung, verbleibend Ihr
ergebenster
Berlin den 23 Xbr 1817.