Herrn Hofrath / Böttiger / in / Dresden. / Mit Poststempel "BERLIN / 2 NOV" / mit Postvermerken / mit Siegel

Berlin den 2 Nov. 19.

Lieber alter Freund!

Auf Brief erschlossen: [Von Böttiger, 29.10.1819].
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Ihre Zuschrift vom 29 October
antworte ich sogleich, aber mit der Post, weil ich iezt keine Gelegenheit weiß, und sie in dieser Jahreszeit seltener wird. Ihr Unternehmen für bildliche Alterthumskunde gefällt mir, und es ist zu wünschen, daß das Publikum Liebe dafür faße. Gerne werde ich mein Weniges dazu beytragen. Noch habe ich meinen Vorrath nicht gesichtet, und möchte nur bald erfahren, was Sie etwa für Das erste Heft erschien 1820 und enthält zwei Aufsätze von Hirt: Medea und die Peliaden (S. 161-168); Ueber Material, Technik und den Ursprung der verschiedenen Zweige der Bildkunst bei den Griechischen und damit verwandten Völkern (S. 207-266).
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das erste Heft
bedürfen könnten, sowohl in Bogenzahl, als in Hinsicht des Stoffes. Ich könnte Ihnen Erklärungen – eine – zwey – mit den Zeichnungen zum Stich zuschicken - Dann Beyträge zur alten Kunstgeschichte. Ich müßte es aber bald wißen, um die lezte Hand anzulegen, damit das verlangte noch vor Ablauf des Jahres in Ihren Händen seyn könnte. Dann wie soll ich die Zusendung - wenn gerade keine Gelegenheit ist – machen? – an mannigfaltigem und wichtigem Stoff fehlt es nicht, und Neben Texten von Hirt und dem Herausgeber Böttiger enthält der erste Band Beiträge von F. A. W. Spohn, Georg Friedrich Grotefend, Karl Otfried Müller, Friedrich Thiersch, Konrad Levezow, Fr. Jacobs, Heinrich Meyer, Heinrich Karl Ernst von Köhler, Arnold H. L. Heeren, Friedrich Schlichtegroll und Friedrich Osann.
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die Mitarbeiter
laßen eine gute Verarbeitung erwarten, besonders bey der Thätigkeit und der Umsicht, die Sie als Redakteur, dabey haben werden.

Sie fragen über die Costume unseres Grafen Brühl? – Die Sache gehört nicht für mich, sondern für ein anderes Publikum; – und 1819 erschien der Erste Band oder Erstes bis Achtes Heft von "Neue Kostüme auf den beiden Königlichen Theatern in Berlin", 4°, jedes Heft zu acht Tafeln. – Graf Brühl setzte damit die Bemühungen August Wilhelm Ifflands um historisch getreue Theaterkostüme fort. Iffland hatte 1805 bis 1812 erstmals eine Sammlung von handkolorierten Radierungen in 22 Heften "Kostüme auf dem königlichen National-Theater in Berlin" für ein großes Publikum veröffentlicht (vgl. dazu: Klaus Gerlach (Hrsg.): Das Berliner Theaterkostüm der Ära Iffland. Berlin 2009). - In einer Rezension des 1. Bandes im Ergänzungsblatt zur JALZ 1819, Nr. 96, Sp. 582-583, heisst es: "Wie nach dem Sprichwort kein Unglück ohne ein Glück ist, so ging es auch nach dem Brande des Berliner Schauspielhauses. Die Garderobe war ein Raub der Flammen geworden; eine neue musste angeschafft werden. Dadurch war eine Übereinstimmung zu erhalten, die ehedem gefehlt hatte. Dass die Welt diess schriftlich und bildlich erfährt, ist eben so angenehm als erwünscht. Der, um die Schauspielunternehmungen verdiente Intendant der Berliner Theater, Hr. Graf von Brühl selbst, hat für die Bekanntmachung der Kostüms gesorgt, und diese acht Hefte, welche des Werkes Ersten Band ausmachen, mit einer Vorrede begleitet, in welcher ungemein viel Passendes gesagt wird, was die am besten zu würdigen wissen werden, welche die Bühne und die Schauspieler, besonders die Gefallsucht der Schauspielerinnen, kennen. In der Kostüms-Angelegenheit ist, wie in allen anderen Dingen das Halbthun das Nachtheiligste, wie der Hr. Graf von Brühl richtig bemerkt. [...] Die grösstentheils sehr fleißig gemachten Zeichnungen sind von Stürmer. Vor dem Bande befindet sich das sehr ähnliche Portrait des Herrn Grafen."
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das Unternehmen
ist gut, wenn es hinreichende Käufer findet. Bey dergleichen Theaterspäßen – ich meine Decorationen, und Costüme – läßt sich die Sache nicht so strenge nehmen. Vgl. dazu u.a. ein Schreiben von Johann Friedrich Reichardt an August Wilhelm Iffland, Berlin, 27. März 1802, worin Reichardt für die Zusage dankt, dass "Der Tod des Herkules" am 10. April aufgeführt werde. Da Verona selbst von "Hirt die Angabe des antiken Schiffes und der Ara verlangt" habe, so werde Verona nichts dagegen haben, "wenn Hirt bei der Conferenz die Decoration betreffend zugegen ist" (Gerlach, Iffland-Edition); siehe auch seine Mitarbeit an dem Festspiel "Die Weihe des Eros Uranios" (1818) und seinen Kostümentwurf für Friederike Unzelmann als Iphigenie auf Tauris, deren Abbild Dieselbe auf eine Tasse malen ließ, die sie Goethe zum Geschenk machte (Karl Emil Franzos: Deutsche Dichtung 9 (1890), S. 154).
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Ich bin einigemal zur Angabe ähnlicher Belustigungen hinein- | 2gezogen worden,
aber nie mit Gusto. Es hieß aber: In lateinischer Schriftbonne mine à mauvais jeu zu machen. Auch iezt noch fehlt es nie an Anfragen von Seite des Theaters. –

Wohl für das geplante, aber nicht realisierte "Neue Tischbeinische Vasen-Werk", das auch Kupferstiche von Vasen aus dem Besitz des Grafen von Lamberg in Wien enthalten sollte; darunter eine noch unedirte Lambergischen Vase, auf der "ein geflügelter weiblicher Genius, auf dem Capitäl einer ionischen Säule sitzend, einen Schwan in der Rechten hält [Fussnote: wenn es nicht etwa eine Gans ist.], den sie einem zur Reise gerüsteten vor ihr stehenden Jüngling darbietet" (C. A. Böttiger's Kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts, hrsg. von Julius Sillig, Bd. 2, 1838, S. 189; zuerst veröffentlicht u.d.T. "Venus Urania, auf dem Schwan sich emporschwingend", im Taschenbuch Urania, 1824).
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Über den mir zugesandten Abdruck
läßt sich manches rathen: und recht haben Sie zu glauben: daß ich allegorischen Auslegungen nicht hold sey. Ich würde bey der sizenden Figur mit dem Schwan allerdings nur an eine In lateinischer SchriftLeda denken; und bey dem Jüngling mit der Strigilis der seine In der Antike ein kurzer Reisemantel.
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In lateinischer Schriftchlamys
auf seinen Reisestock gehangen hält – auf einen heroischen Wanderer, der Gastfreundlich aufgenommen, von weiblicher Hand in dem Bade bedient wird. Aber welcher In lateinischer Schriftheros? – Denken Sie sich meinetwegen einen In lateinischer SchriftTelemach bey In lateinischer SchriftMenelaus , oder wen Sie wollen. – Haben Sie aber Lust sich eine Verbindung mit der sizenden Figur zu denken, so nehmen Sie den In lateinischer SchriftHeros für den Bräutigam In lateinischer SchriftTyndarus [!], der sich zur Brautnacht kräftiget, dem aber der schlaue Schwan schon zuvorgekommen ist, doch In der griechischen Mythologie zeugte Zeus in Gestalt eines Schwans mit Leda die Dioskuren Kastor und Polydeukes (Castor und Pollux), die aus einem Ei entschlüpften (nach anderen ist Tyndareos der Vater von Kastor). Leda gebar noch ein weiteres Ei sowie eine Tochter. Das zweite Ei barg Helena, ebenfalls eine Tochter von Zeus. Die Tochter, die zusammen mit den Eiern geboren wurde, war Klytämnestra, eine Tochter von Tyndareos.
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daß er zu den göttlichen Zwillingen noch zwey über der Zeileein sterbliches Paar hinzuunter der Zeilezufügen vermochte
. Indeßen sollen diese Einfälle nicht hindern Ihre allegorische Erklärung zu hören. –

Was ich vom Gedruckten zusammenfinde, was Sie noch nicht haben, Vgl. An Böttiger, 15.11.1819.
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werde ich Ihnen nächstens mit Gelegenheit zusenden
.

Ich habe mich amüsirt, theils die Musse in Bädern, theils die Nebenstunden Stunden [!] hier zu benüzen: meine lezte Reise zu schreiben, nämlich in Beziehung auf Alterthum und Kunst. Ich spreche vom Dom und den Gemälden zu In lateinischer SchriftMeißen und In lateinischer SchriftWittenberg , von In lateinischer SchriftPrag und In lateinischer Schrift Carlstein , besonders aber von Ihren großen Sammlungen zu In lateinischer SchriftDresden . Hirts "Kunstbemerkungen auf einer Reise über Wittenberg und Meissen nach Dresden und Prag (1819)" erschienen erst 1830.
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Es könnte ein artiges Bändchen werden
; doch ehe ich über der Zeilees dem Drucke zu übergeben gedenke | 3 möchte ich noch die Ein Gutachten zum Ankauf der Sollyschen Gemäldesammlung erstellte Hirt am 8. September 1819 (GStA PK, I. HA, Rep. 76 Ve Sekt. 15 Abt. 8 Nr. 13 Bd. 1, fol. 20); s. unter Amtliche Schriften.
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Beschreibung der In lateinischer SchriftSollyschen Sammlung
hinzufügen. Hiezu habe ich aber iezt keine Zeit. Das Ausputzen meiner Geschichte der Architektur, die ich endlich auch möchte erscheinen laßen, beschäftigt mich zu sehr. Dazu kommen noch In lateinischer SchriftCollegia, und academische Abhandlung. Ich finde täglich mehr, daß die Zeit immer kürzer, und der Mensch immer älter wird – und dann kann nur selten ein Mensch mit der Leichtigkeit wie Sie arbeiten. Diese Ihre beständige Heiterkeit und Aufgelegtheit ist wahrhaft bewunderungswerth.

Bald ein mehrers von
Ihrem
Hirt.