Gnädigster Herr

In Hinsicht des Das antike Onyxgefäss war von Karl Bötticher auf seinen Studienreisen bei einem Antiquar entdeckt und für Beuth erworben worden. Dieser schenkte es später dem Antiquarium des Berliner Museums (siehe: Adolf Furtwängler: Beschreibung der geschnittenen Steine im Antiquarium. Berlin 1896, Nr. 11362: "Salbgefäss aus Sardonyx von vier bis fünf Schichten; 9 cm Höhe; die Mündung und das untere Ende sind abgebrochen. - Erw. 1834. Stammt aus dem Frauen-Kloster Notteln in Westphalen, wo es als das heilige Blut des kanaanitischen Weibes enthaltendes Gefäss galt"). Das Gefäss erregte allgemeine Aufmerksamkeit und wurde von mehreren Wissenschaftlern unterschiedlich beschrieben: zuerst von Ernst Heinrich Toelken in dem Aufsatz "Ueber ein antikes Onyxgefäss" in der "Allgemeinen preussischen Staatszeitung" vom 1. Dezember 1832, danach von Julius Sillig im "Kunstblatt" 1833, Nr. 3 und 4 ("Der Beuth'sche Onyx"), von Hirt in seiner "Geschichte der bildenden Künste bei den Alten", S. 343f.; weiterhin von Böttiger im "Artistischen Notizenblatt" 1833, Nr. 3; von Karl Otfried Müller im "Handbuch der Archäologie", 2. Aufl., S. 425 sowie von Friedrich Wilhelm Thiersch in der Abhandlung"Ueber das Onyxgefäss in der k. preuss. Sammlung geschnittener Steine zu Berlin. Mit 2 Stahlstichen" in den "Abhandlungen der Philosphisch-Philolog. Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften", Zweiten Bandes Erste Abtheilung, München 1837, S. 63-106 (dort gegen Hirts Auffassung v.a. S. 93f. und im "Nachtrag"); später von Johann Heinrich Krause "Angeiologie: die Gefässe der alten Völker insbesondere der Griechen und Römer [...]", Halle 1854, S. 18ff., und Ders. "Pyrgoteles oder die edlen Steine der Alten im Bereich der Natur und bildenden Kunst", Halle 1856, S. 272; von Toelken "Sendschreiben an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Ptersburg: über die Angriffe des Kaiserl. wirklichen Staatsrathes Herrn von Köhler auf mehrere antike Denkmäler des Königl. Museums zu Berlin", Berlin 1852, S. 8, Anm. 1, von Johann Jacob Bernoulli "Römische Ikonographie" II, I, Berlin und Stuttgart 1886, S. 299ff. - Rauch schreibt am 29. Dezember 1832 dazu an Böttiger: "Hirt meint, dass die Darstellung auf dem Onyxsalbengefäss die Geburt eines Cäsaren des Comodus darstelle, am See von Nemi und Albano, und das Tempelhäuschen den Tempel des Jupiters auf dem Mons Albanus darstelle. Sollte die Waldgegend, welche die Seen wie den Tempel umgab, nicht karakterisirt worden sein, wenn dem so wäre? Statt dessen steht dies Tempelhäuschen auf einem sterilen Kalkgefels" (Briefe Rauch-Böttiger, 1882, S. 170).
[Schließen]
Balsamgefäßchens von Onyx
in Besitz des Herr Geheim Rats Beuth äußerte ich mich bey dem Besehen der Figürlichen Darstellung dahin, daß dieselbe sich auf die Geburt eines als wirklich gebohrenen Cäsars (Kronprinzen) zu beziehen scheine, und daß dies bey Commodus dem Sohne des Markus Aurelius das erstemal der Fall war. -

Ich habe nun etwas in den Büchern nachgesehen und was ich fand, scheint der ersten Idee, die ich von der Vorstellung faßte, nicht entgegen zu seyn. Ich lege die Sache Ew: Königlichen Hoheit kurz zur Beurtheilung vor.

Commodus ist in dem ersten Regierungsjahre des Kaisers Markus Aurelius, seines Vaters, im Jahre 914 vor Rom zu Lanuvium gebohren, wo der Kaiser eine Villa hatte. Lanuvium aber liegt nicht ferne unter dem See Nemi, und der See Nemi am Fuße des In lateinischer Schriftmons Albanus , jetzt In lateinischer Schrift monte Cavo , worauf der Tempel des Jupiter In lateinischer SchriftLatiaris von Tarquinius Superbus erbaut war, als der gemeinsame Opfer- | 2platz der umwohnenden Völkerschaften. Mit dieser historischen Bedeutung sey es vorläufig genug, ich gehe nun zu dem Balsamarium selbst über.

Eine Frau hält den neugebohrenen Knaben auf ihren Händen, ihn einer andern Frau übergebend. Die erstere nun sehe ich für Ilithyia oder Lucina, die Göttin, die den Gebährenden bey der Geburt vorsteht, an, und die Zweite für die Mutter des Kindes, die jüngere Faustina, welche das Kind aus den Händen der Göttin Wehemutter empfängt. Über diesen beiden weiblichen Figuren sieht man eine Dritte, welche sich dadurch auszeichnet, daß sie einen liegenden Wasserkrug auf der linken Schulter trägt. Das scheint unbezweifelt eine Wassernymphe zu bezeichnen, hier nähmlich die Nymphe des In lateinischer SchriftLacus nemorensis ; und dann sieht man auf der Spitze des darüber über der Zeilesich erhebenden Berges die Andeutung des berühmten Tempels von In lateinischer SchriftJupiter Latiaris .

Neu kommt noch hinzu die Siegesgöttin mit dem Schilde, worauf die Aegis mit dem Medusen-Haupte erscheint, und daneben ist eine Trophee errichtet mit der Figur eines Gefangenen am Fuße derselben. Dies muß sich auf eine Waffenthat als ein glückliches In lateinischer SchriftAugurium für den Neugebohrenen beziehn. Auch fehlt es nicht an kriegerischen | 3 Bedrohungen, welche die Wiege des Kindes umringen, und die Gelegenheit zu Eroberungen und Siegen geben. Was aber den Gefangenen betrift, so scheint das Kostüm eher einen Armenier oder Parther als einen Britten oder Germanen zu bezeichnen.

Dies sind die Grundzüge meiner Erklärung des interessanten kleinen Denkmahles. Nur will ich noch beyfügen, wie viel Commodus selbst darauf hielt, daß er schon bey seiner Geburt als Kronprinz zum regieren bestimmt war, was bis dahin bey keinem andern Kaiser der Fall gewesen ist. Dies giebt Commodus besonders in der Rede kund, mit welcher er nach dem Tode des Vaters zuerst an das versammelte Heer bey Vindebona [!] (Wien) hielt. Darin kommen folgende merkwürdige Worte vor.

"Nicht das Glück hat mich Euch zum Fürsten gegeben, und nicht als einen angenommenen, wie die Kaiser vor mir waren, und nicht als einen, der die Herrschaft erobert hat. Denn ich bin der Einzige Euch am Hofe gebohrene und erzogene. Ich komme nicht von einer Privatwiege her; mich hat schon, als ich aus Mutterleibe kam, der kaiserliche Purpur umgeben. Wenn Ihr das bey Euch überdenket, so werdet Ihr in mir nicht einen Euch gegebenen sondern einen Euch angestammten Fürsten verehren, u. s. w. Herodian: Geschichte des römischen Kaisertums seit Marc Aurel, Buch I, Kap. V.
[Schließen]
( In lateinischer SchriftHerodian . I. II.)
| 4

Kaum ist es nöthig hierbey zu bemerken daß Commodus zugleich einen Zwillings-Bruder hatte, der aber schon im 4 ten Jahre starb. Diesen Umstand anzudeuten war hier bey der Vorstellung nicht nöthig. -

A. Hirt

Berlin 22 Dec. 1832.