Empfindungen
über einige Gemälde in dem
Arbeitszimmer der Frau
Angelika Kauffmann-Zucchi.
I.
Euphrosyne complaining to Venus
of the Wound caused by Cupid's Dart. 1793, Öl auf
Leinwand, 24,6 x 16,5 cm, heute: National Trust
Collection, Attingham Park, Shropshire, Midlands.
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Euphrosine, von
Amor in eine Hand
verwundet, bringt ihre Klage
vor
die Mutter.
Euphrosine klage dich
der Wunde dich nicht,
die dir dein loser Bruder versezt.
Siehst nicht, wie er am Schooße der Mutter gelehnt,
mit schlauen Blicken dich höhnt? – kein Mitleid,
keine Mine der Ahndung blickt in dem Auge
der holdlächelnden Mutter. – Beklage dich nicht –
denn du selbst warst nie mehr grazie als iezt.
II.
Amor und Psyche, 1792, Öl auf
Leinwand, 29,8 x 23,8 cm
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Psyche
wird von Amor am Ende ihrer
Leiden
getröstet.
Zarte Psyche, du hast viel der Leiden erduldet,
seitdem dir dein Geliebter entfloh.
Doch sieh! er kehret ja wieder,
schlinget um dich auf’s neue das magische Band:
nicht von Ambrosia, von deinen Thränen
sollen sie träufen – seine goldenen Locken –
Blick auf von der blaßen Ermattung – Er ist’s
mit dem holdblickenden Auge, in der Blüthengestalt.
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III.
Frine seduce Senocrate, 1794, Öl
auf Leinwand, 43 x 47,5 cm.
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Besuch der
schönen Phryne
bey dem Weisen Xenocrates.
„Wollust bethörnt den menschlichen Sinn.“
so lehrte Xenocrat Athens Jünglinge einst.
Erfahrung hatte zuvor dieß den Weisen gelehrt. –
Doch Phryne, über Herzen zu siegen gewöhnt,
erscheint, im leichten Gewande geschürzt,
zur Stunde der einsamen Ruhe –
die braunlokigen Haare mit Rosen begränzt
beginnt sie den Wettstreit –
Zauber im Auge, Lächeln im Munde,
Verlangendes Athmen des – versuche es nicht,
o Phryne! Du zerstreuest den Weisen,
du besiegest ihn nicht! –
IV.
Praxiteles giving Phryne his
Statue of Cupid, 1794, Öl auf Leinwand, 43,3 x 48,6
cm.
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Praxiteles
übergiebt der schönen
Phryne das Bild des
Amors.
- So – sprach zur schönen Zauberin Phryne
der Bildner Praxiteles einst:
„Du gabst mir vom Gotte, der Freuden und Schmerzen
nach Launen ertheilt, das geistige Bild –
nimm es nun wieder – im Steine zurück!“ –
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V.
Egeria Handing Numa Pompilius His
Shield, 1794, Öl auf Leinwand, 43 x 47,5 cm.
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Numa Pompilius
mit der Nymphe
Egeria.
Ist dieß die hohe ernste Mine der Göttin,
die im einsamen Hain, am leisesprudelnden Quell
der dunkelbeschatteten Höhle, den Curischen Liebling
zu hohen Bestimmungen weihet? –
So sizend empfieng er mit tiefhorchendem Sinn
die höhern Lehren, welche Rom’s rohtapfern
Söhne an Ordnung und Sittlichkeit banden. –
Bist du selbst eine Geweihte, die mit dem Zauber
des Pinsels dich so tief in’s Heiligthum wagtest? –
VI.
Auf das Bildnis der Stegreifvirtuosin
Teresa Bandettini-Landucci, 1794, Öl auf Leinwand, 128,5
x 95 cm.
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Bildniß der
Dichtersängerin Bandettini.
Begeistert stehet sie da – den Wettstreit der Musen
mit den Syrenen besingend – begeistert
in Mine und stellung – gen begeistert
durch der Farben Zauber im Bilde –
Bandettini! Kauffman!
- kann der Euch sieht,
es weniger seyn? –
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Diese Frau Bandettini von
Lucca machte den ganzen
vorigen Winter die delicen(?) von allen empfindsamen
Seelen und schönen Geistern Roms. Alle, die ehemals die berühmte Corilla in ihrer Blüthe hörten,
glauben, daß Bandettini diese
weit an Leichtigkeit und gewandtheit des Geistes übertreffe. Ich hörte
sie selbst mehrere malen, und obwohl ich sonst kein großer Bewunderer
der Stegreifsängerey bin, so fand ich doch, daß sie alles weit
übertrift, was ich in dieser Art vielfältig hörte. Frau Angelica hatte sie sehr viel
um sich, am unteren Randund machte Angelika Kauffmann: Bildnis Teresa
Bandettini-Landucci, 1794, Öl auf Leinwand, Düsseldorf,
museum kunst palast.
[Schließen]ihr Portrait, da
ß
s
durch
in
attitude, Karakteristik und Farbe alles vereiniget, was
Angelica je gemacht hat.
Diese Frau war ehedem eine
Tänzerin, der weder ihre Figur, noch die Geschicklichkeit ihrer Beine
großen Beyfall vom Publikum zuzogen. –