Gnädigster Herr!
Den Wilhelm
Ternite hielt sich von 1814 bis 1823 in Paris auf und sah
sich von Friedrich Wilhelm III. und von Karl August von Hardenberg "zur
Auffindung und Bestimmung des sämtlichen [nach Paris entführten]
Preußischen Kunsteigenthums" beaufragt, obwohl offiziell Ernst Friedrich Bußler und Jean Henry mit dieser Aufgabe
betraut waren. Dafür wurde Ternite auf Anordnung Hardenbergs zu
Zeichen(kopier)arbeiten in die Porzellanmanufaktur nach Sèvres
geschickt, die für die Berliner
Porzellanmanufaktur genutzt werden sollten. "Parallel
dazu versuchte sich Ternite als Agent im Gemäldehandel. Bereits kurz
nach seiner Ankunft in Paris kaufte er 'auf Allerhöchsten Befehl' ein
Gemälde von Raffael an, das sich später als alte Kopie herausstellte". -
In Paris bildete sich Ternite auch in den Ateliers von Jacques Louis
David und anschließend von Antoine Jean Gros, der das Atelier von David
übernommen hatte, in der Malerei aus und fertigte u.a. eine Kopie des
unter der Last des Kreuzes zusammenbrechenden Christus nach Raffaels
"Spasimo di Sicilia" (Teilkopie um 1816, 318 x 229 cm; Verbleib
unbekannt). Diese gab den Ausschlag für den Auftrag des Königs zu einer
weiteren Raffael-Kopie: den Erzengel Michael im Louvre (alle Angaben
sind entnommen aus: Robert Skwirblies: Lexikon-Artikel "Ternite,
Wilhelm", in: France Nerlich (Hrsg.): Pariser Lehrjahre: ein Lexikon zur
Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Bd. 1,
Berlin 2013, S. 281-285; hier S. 283). Diese Kopie, "Erzengel Michael
Satan bekämpfend", die hier gemeint ist, entstand um 1818 bis 1821 und
war auf der Berliner Kunstausstellung 1822 ausgestellt ("Herr Ternite,
in Paris ist mit einer "Kopie des heiligen Michael von Raphael
vertreten"). - Hirt verfasste wenig später ein vom preußischen
Königshaus erbetenes Gutachten zu der für misslungen gehaltenen Kopie
(vgl. Amtliche Schriften: Gutachten vom 30.09.1821, GStA PK, I. HA, Rep.
89 Geh. Zivilkabinett j. P., Nr. 19810, "Acta des königl. Civil-Cabinets
betr. die dem Maler Ternite bewilligten Unterstützungen, die von
demselben eingereichten Gemälde und Kunstsachen und sonstige
Angelegenheiten derselben 1812-1855", fol. 79. Siehe dazu: Bénédicte
Savoy: Tempel des Ernstes und des fake. Der Raffael-Saal in der
Orangerie zu Potsdam, ein Kopienmuseum im Zeitalter der technischen
Reproduzierbarkeit, in: Raffael als Paradigma: Rezeption, Imagination
und Kult im 19. Jahrhundert, hrsg. v. Gilbert Heß, Elena Agazzi,
Elisabeth Dècultot, Berlin 2012, S. 202-236, hier S. 207.
[Schließen]Terniteschen Raphael
habe ich gestern gesehen. Das Original kenne ich nicht; aber nach der In lateinischer SchriftCopie zu urtheilen muß es sehr gelitten und
nachgedunkelt haben. Überhaupt ist es der unerfreulichste
In lateinischer SchriftRaphael
, der mir vorgekommen ist. Doch hier soll nicht von dem Original,
sondern von der In lateinischer SchriftCopie die Rede seyn. Ich habe aber
deswegen auf jenes hindeuten wollen, um für diese einigermaßen eine
Entschuldigung zu finden, wenn sie nicht beßer ausgefallen ist. Die ganze
Färbung ist schwach; die Lichtparthieen abgeblaßt und die Schatten unrein; die
Haltung ist schwach und von Harmonie kann gar nicht die Rede seyn. Der Grund
sieht aus, als wenn er später dazu gemalt wäre. Überhaupt scheint der Mahler in
Paris noch nicht gelernt zu
haben, wie man einen
In lateinischer SchriftRaphael
copirend behandeln soll. Indeßen wie ich sagte, mag das Original in
dem Zustande, worin es sich befindet, auch viel Schuld haben. Auf jeden Fall
aber geht soviel hervor, Kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus Paris
begleitete Ternite den Grafen Gustav Adolf Wilhelm von Ingenheim nach Rom und Neapel und
fertigte u.a. Zeichnungen von Herculaneum und Pompeji. Später war er als
Porträtmaler der königlichen Familie und der Berliner Gesellschaft
tätig. 1826 wurde er Aufseher der Bildergalerie in Potsdam.
[Schließen]daß man Herrn
In lateinischer SchriftTernite
zur Zeit noch nicht empfehlen kann, wenn von dem In lateinischer SchriftCopiren irgend eines großen
Meisters die Rede ist. So ist der
| 2 Eindruck, den die gegenwärtige
Copie auf mich machte, und herzlich bedauere ich, wenn mir die Arbeit eines
jungen Künstlers keine Gelegenheit giebt, davon auf eine vortheilhafteinnerhalb der Zeilere Weise zu sprechen. Allein
Ew. königliche Hoheit wollten mein ungeheucheltes Urtheil wißen. Sie haben ein Recht mich zu fragen, und ich die Pflicht, nach meinem beßern Wißen zu antworten.
Mit unbegrenzter Verehrung und Anhänglichkeit verbleibe ichEw. Königlichen Hoheit
ergebenster Hirt
Berlin den 5ten
Sept.
1821.