Ich kenne die In lateinischer SchriftRaphaelische Madonna - iezt in der Koeniglich Preußischen Sammlung in Berlin, und früher in dem Hause In lateinischer SchriftColonna in In lateinischer SchriftRom, - seit 45 Jahren, und habe dieselbe unzählige Mal mit Künstlern und Kunstfreunden besehen. Daß dies Gemaelde von In lateinischer SchriftRaphael sei, ist, so viel ich weiß, nie bezweifelt worden. Zwar ist hievon historisch nichts weiter bekannt, als daß es aus dem Hause In lateinischer SchriftSalviati in das der In lateinischer SchriftColonna übergegangen ist; aber wie lange die In lateinischer SchriftSalviati Besitzer desselben waren, und wie sie in den Besitz desselben gekommen sind, weiß man nicht. Vielleicht daß aus dem Familien-Archiv der In lateinischer SchriftSalviati, das sich jezt in dem Hause Borghese zu In lateinischer SchriftRom befindet, noch einiges Naehere über das Gemaelde zu ermitteln wäre. Doch moechte sich das Herkommen des Gemaeldes bis auf seinen Ursprung schwerlich verfolgen lassen.

Wir wissen aus der Hauptquelle, aus In lateinischer SchriftVasari, daß In lateinischer SchriftRaphael eine große Anzahl von Madonnenbildern verfertigt hat, und gewiß hat In lateinischer SchriftVasari nicht alle angegeben und gekannt. Solche Gemaelde werden aber von dem Geschichtschreiber nicht näher beschrieben, und wenngleich die Namen der Besitzer angegeben sind, für welche In lateinischer SchriftRaphael solche arbeitete; so haben sie im Gange der Zeit die Besitzer so oft gewechselt, daß es jezt bei den Meisten derselben unmoeglich ist, ihren Ursprung auszumitteln, und historisch auf die frühesten Besitzer zurückzuführen. Mehrere Gemaelde von In lateinischer SchriftRaphael, die In lateinischer SchriftVasari | 2 anführt, sind ganz verschollen; andere bringt der Zufall wieder an's Tageslicht, welche mit Staub und Schmutz bedeckt in Polterkammern verborgen lagen, wovon ich nur die In lateinischer SchriftMadonna del Granduca im In lateinischer SchriftPitti zu In lateinischer SchriftFlorenz nennen will, welche, etwa vor 25 Jahren, in dem Hause einer armen Frau gefunden, und für wenige In lateinischer SchriftScudi erkauft ward. Niemand bezweifelt die Originalitaet dieses herlichen Gemaeldes, obwohl dessen Ursprung gänzlich unbekannt ist. Die Gemaelde In lateinischer SchriftRaphael's, besonders die seiner früheren Zeit tragen ein Gepraege an sich, das sich für denjenigen, der mit Sorgfalt den Gang der Studien dieses Meisters verfolgt hat, nicht verkennen läßt; und wenn dies bei anderen großen Meistern auch mehr oder weniger derselbe Fall ist; so bleibt doch immer die In lateinischer SchriftRaphaelische Manier besonders ausgezeichnet, und für das geübte Auge erkennbar, obwohl kein Meister so vielfältig nachgeahmt und von den vortreflichsten Künstlern copirt worden ist. Die ersten Gemaelde In lateinischer SchriftRaphael's tragen eine Tiefe des Gemüths, und eine geheime Grazie an sich, die sich für andere als unnachahmlich kundthun, und die eben so unnachahmlich in seine Zeichnung wie in seine Farbengebung übergegangen sind.

Als ein solches ächtes Bild In lateinischer SchriftRaphael's kündigt sich die In lateinischer SchriftMadonna von In lateinischer SchriftColonna an, wenn es gleich eine Jugendarbeit des Künstlers ist, und noch eine gewisse Unreife sich in demselben erkennen läßt. - Augenscheinlich sind die Mutter und das Kind nach der Natur gemalt. Die Stirn der Jungfrau und die Schläfe tragen noch das Unvollkommene einer mangelhaften Natur an sich. Die Augenlieder sind gleichsam mit den Augenbraunen zusammengewachsen; die dünnen Lippen des Mundes und deren Umrisse zeigen mehr noch eine natürliche, als ideale Grazie. Den Haaren verstand In lateinischer SchriftRaphael noch nicht das Lockere und Leichte zu geben, worin er | 3 spaeter ein so großer Meister war. Die Kleidung ist nach dem In lateinischer SchriftCostüm der Zeit; das Leibchen knapp anliegend, und aus Mangel gehoeriger Schattengebung sich nicht vom Fleische abhebend. Auch gebricht dieser knapp anliegenden Kleidung die Frische der Farbe. Ueberausvortreflich aber ist das Jungfrauliche der blühenden Wangen, und der schoene Schwanenhals gemalt. Die Hand, die das Büchelchen hält, ist noch etwas schwer in der Zeichnung. Unvergleichlich zeigt sich die Lage und die Formen des Kindes; und fast nie wieder hat der Meister ein so schoenes Modell von einem Kinde vor sich gehabt. Nur der Mund dürfte besser sein. Betrachten wir die Luft, den Hintergrund und den Ton des Ganzen, so läßt sich derselbe noch eher grau und kalt nennen. Noch hat das Gemaelde nichts von jener Wärme, und Lebendigkeit der Farbengebung, welche den Bildern des Meisters eigen sind, nachdem er aus der Schule des In lateinischer SchriftPietro Perugino kam.

Nach solchen Kennzeichen einer noch unreifen Meisterschaft, - was sich aber mehr empfinden, und an dem Gemaelde selbst zeigen, als mit Worten beschreiben läßt, - war ich von jeher der Meinung, daß dies Madonnenbild zu den frühesten In lateinischer SchriftRaphael's gehoere, und gemacht sei, wo er sich noch unter der Aufsicht seiner Vaters, In lateinischer SchriftGiovanni Sanzio befand, und ehe er in die Schule des In lateinischer SchriftPietro überging. Er mochte damals 17 Jahr alt sein; denn vor dem Jahr 1500 scheint er nicht in die Schule des Letztern nach In lateinischer SchriftPerugia gekommen zu sein.

Die Koeniglich Preußische Sammlung besitzt aber noch eine zweite In lateinischer SchriftMadonna von In lateinischer SchriftRaphael, etwas kleiner als die von In lateinischer SchriftColonna, welche mit den In lateinischer SchriftSollyschen Gemaelden acquirirt ward. Leider kennen wir auch von dieser die Herkunft nicht, selbst nicht die Naehere mit Sicherheit. Sie soll in der letzten Zeit aus | 4 einem graeflich modenasischen Hause nach Mailand gekommen sein, wo sie für den vorigen Besitzer erkauft wurde.

Dies herrliche Gemaelde dringt sich indessen jedem Kenner als eine unbezweifelte ächte Arbeit des großen Meisters auf, und in dieser Hinsicht werde ich veranlaßt, von einem anderen In lateinischer SchriftRaphaelschen Bilde zu sprechen, welches früher auch der Familie In lateinischer SchriftColonna in In lateinischer SchriftRom gehörte; und in demselben Zimmer mit der jezt Berlinischen In lateinischer SchriftMadonna aufgehangen war. Dies Gemaelde war in der letzten Zeit vom Koenige von Neapel angekauft, und in dessen Zimmer habe ich es im Jahr Hirt war 1817 in Begleitung des Grafen Ingenheim erneut in Italien.
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1827
wiedergesehen. Dieses groeßere jezt Neapolitanische Gemälde ist von In lateinischer SchriftVasari genau beschrieben, und ursprünglich für ein Nonnenkloster in In lateinischer SchriftPerugia gemalt, und zwar verfertigte In lateinischer SchriftRaphael dieses Gemaelde nach seinem ersten Aufenthalt in In lateinischer SchriftFlorenz im Jahr 1504 oder 5.

Nun ist gedachte kleinere In lateinischer SchriftMadonna in der Berliner-Sammlung, welche, um sie von der von In lateinischer SchriftColonna zu unterscheiden, wir die In lateinischer SchriftMadonna del Cardelletto, weil das Kind einen In lateinischer SchriftStieglitz in der Hand hält, benennen wollen, jenem Gemaelde des Koenigs von Neapel (früher In lateinischer SchriftColonna) so ähnlich in Manier und Farbe, daß man sagen koennte: Beide haben zugleich auf der Staffeley des Meisters gestanden. Kurz es giebt keine andern Gemaelde In lateinischer SchriftRaphael's, die sich so ähnlich sind, als jenes Neapolitanische und dies Berlinische. - In lateinischer SchriftRaphael war damals 21 bis 22 Jahr alt.

Beide diese Gemaelde gehoeren zwar auch der Manier In lateinischer SchriftRaphael's an, welche man die erste zu nennen pflegt, aber so wie die Berlinische Madonna von Colonna noch die Art des Vaters In lateinischer SchriftGiovanni Sanzio zeigt, so weiset die In lateinischer SchriftMadonna del Cardelletto augenscheinlich auf die Art des In lateinischer SchriftPietro Perugino hin. Die Wärme des Colorits im Fleische und in der Gewandung, so wie der kräftigere Ton des | 5 Ganzen, weicht vollends von seiner früheren Art zu coloriren ab, und ist, um mich mit einem Worte auszudrücken, ganz peruginisch. Der Kopf der Madonna, wenn gleich der Typus von dem frühern nicht zu verkennen ist, zeigt bereits viel mehr Ideales, sowohl was die Stirn und die Augenlieder als den Mund betrift. Der Hals ist wundervoll schattirt, und die Hände ungleich feiner in Zeichnung und Farbe. Der Kopf des Kindes ist vortreflich; nur zeigt der dickliche Leib, daß dem Meister zu dem zweiten Kinde kein so schoenes Modell zu Gebote stand, wie bei dem Ersteren; und daß die sitzende Lage auch nicht so günstig ist, wie die Ausgestreckte.

Es gewährt eine hohe Freude, beide Gemaelde, die ein glückliches Geschick in einer Sammlung hier vereinigte, jezt neben einander aufgestellt zu sehen. Eines erhöhet den Werth des Andern; und nirgends spricht sich das jugendliche Streben eines edlen Geistes so anschaulich aus, als in diesen vereinigten Bildern. Dann bleibt es für die Sammlung von unendlichem Werth, daß man beide zugleich noch mit ausgezeichneten Gemaelden von In lateinischer SchriftGio: Sanzio und In lateinischer SchriftPietro vergleichen kann. Aus welcher Vergleichung anschaulich hervorgeht: wie die In lateinischer SchriftMadonna von In lateinischer SchriftColonna sich nach der Manier des Vaters, die In lateinischer SchriftMadonna del Cardelletto aber der des zweiten Lehrers annähert.

Eine glücklichere Acquisition als diese Letzten hätte die Königliche Sammlung nicht machen koennen. Heil dem Fürsten, dessen großmüthigem Sinn wir so viel Herrliches verdanken! -

Berlin den 4ten November 1827.

A. Hirt.