Beylage
zu der außerordentlichen Conferenz der Akademie der Künste den 26. Aug.
1810.
Da ich aus der Reinschrift, welche hier der Secretar den bey der Conferenz gegenwärtig gewesenen Mitgliedern des academischen Senats zur Unterschrift vorlegt, ersehe, daß Herr p. Eitelwein wieder viel zurücknimmt, was dort verabredet und beschloßen worden ist; so sehe ich auch mich genöthigt, mich in dieser Beylage näher zu erklären, hauptsächlich über dasjenige, was Herr Eitelwein seine Ansichten und die Nachtheile für den künftigen Bau-Unterricht nennet.
Ich hätte freylich gewünscht, daß Herr Eitelwein sich in der Conferenz näher erklärt hätte; denn vielleicht würde man sich auf der Stelle haben näher zusammen verständigen können, und so würde nicht ein Gegenstreit vor die hochlöbliche Section gekommen seyn, welche natürlich über die Entscheidung verlegen werden muß, besonders wenn einzelne Mitglieder des academischen Senats sich nur im allgemeinen, nicht bestimmt und ausführlich erklären.
Es ward in der Conferenz angenommen, daß die unter 7-9 genandten Fächer, als die ökonomischen Baue, so wie die Baue der Schleusen, Hafen, Brücken, Wege u.s.w. nicht ferner ins besondere gelehrt, sondern theils in die Lehre der Baukunst überhaupt, theils in die Lehre der Gebäude aufgenommen werden sollen; daß diejenigen aber, welche sich dem Waßer- und Maschinenbau individuel widmen, überdieß noch Hydrostatik und Hydraulik, Statik und Maschinenlehre bey der | 2 Universität hören sollten.
Es war eine Zeit, wo man alles gethan glaubte, wenn man die Gegenstände, welche die Baukunst umfaßt, in recht viele Fächer spaltete; denn dadurch gab es Gelegenheit, eine Menge mittelmäßiger Bauleute als Lehrer anzustellen, und sie mit Besoldungen und Honorarien zu versehen, ohne dabey viel zu thun zu haben. Man trieb daher solche Geschäfte als Nebenwerk, und nahm, was davon einkam. Die Zeit hat den vielseitigen Nachtheile solcher verkehrten Einrichtungen zur Genüge erprobt, und der Himmel möge den Staat behüten, daß man nichtmehr in solche Irrungen gerathe.
Herr p. Eitelwein nennt eine Menge Baue, und glaubt, daß man sie nicht in Eine Lehre aufnehmen könne, theils ihres Umfanges wegen, theils weil man voraussezen müße, daß Ein Mann die hiezu nöthigen Kentniße nicht inne zu haben vermöchte. Was nun den Umfang einer solchen Lehre betrift; so kann sie nach meiner Einsicht sehr füglich in einem Jahre bendigt werden; und in Rücksicht der Vereinigung der Gesamtkentniße in Einem Lehrer, ist schwer einzusehen, wie ein Mann, der die Anlage zu einem Palast- oder Tempelbau lehren kann, nicht mit leichter Mühe dahin kommen sollte, die Lehre über den Bau eines Stalles, einer Windschneidemühle, einer Schleuse, eines Hafens, einer Brücke u.s.w. vorzutragen. Und wo ist der erprobte Baumeister, der solche Wercke zu bauen nicht unternehmen und mit Erfolg ausführen würde?
Ein Hauptfehler der bisherigen Ansicht war, daß man nicht die Baukunst lehren, sondern nur Stücke von Baumeistern bilden wollte. Dabey fällt einem immer | 3 das Medizinalwesen der alten Aegypter ein, welche für jedes einzelne Glied auch einzelne Ärzte hatten, und es daher Augenärzte, Ohrenärzte, Schnupfenärzte u.s.w. gab. Wie stand es aber mit der Arzeneykunst überhaupt?
Übrigens bin ich bereit, mit Sachverständigen zu jeder Zeit in Conferenz zu treten, und ich werde mich gern jeder beßern Einsicht fügen, so bald sie wirklich die beßere seyn sollte.
____________________________________________
ad 15. habe ich für mich individuel zu bemerken, daß es für mich sehr gleichgültig ist, ob ich künftig meine Vorträge wie bisher bey der Akademie, oder bey der Universität halten soll. Als Professor der Archaeologie bey der Kunstakademie überhaupt werde ich indeßen künftigen Winter die Geschichte der Baukunst nicht vortragen, da dies im verfloßenen Winter geschehen ist. Mein Vortrag im künftigen Winterhalbenjahre wird seyn: Geschichte der bildlichen Monumente mit Rücksicht auf Kunsttheorie und Kunstgeschichte bey den Alten.
Hirtden 3. Sept. 1810.
Die Beilage bezieht sich auf das Senatsprotokoll von
Extraordinaire Conferenz des Senats der Academie der Künste. Berlin den
26t August 1810.
[Akademie der Künste, Historisches Archiv, PrAdK 27, Bl. 192-194]
Præsentes.
Herr Director Frisch.
Herr Geheime Ober Baurath
Eytelwein
Herr Hofrath Hirt.
Herr Hof
Baurath Gentz.
Die Hochlöbliche Section für den öffentlichen
Unterricht hat durch das Rescript vom 14t August den Senat der Königlichen Academie der Künste beauftragt, den
Lections-Plan der Bau-Academie für das
bevorstehende Winter Semestre bey Zeiten einzureichen, in demselben aber die
bisher gewöhnliche Form noch beizubehalten, da die neue Organisation und
Vereinigung Aller hiesigen Wissenschaftlichen Institute erst gegen das künftige
Jahr zu stande kommen würde.
Der Senat findet in dieser Aufforderung eine
Pflicht, sich ohne allen Rückhalt zu erklären.
Den Unterricht in eben der
Art fortzusetzen wie es bisher geschehen, können Wir bey den sehr veränderten
Umständen nicht anrathen; auch verdient oder rechtferiget die äußerst geringe
Frequentz bey der Bau-Academie die
Verwendung der beträchtlichen Summe nicht, welche für mehrere, jetzt
entbehrliche Lehrfächer gezahlt wird und welche den Künsten auf vielen,
nützlichen Wegen zu Gute kommen kann.
Entbehrlich nennen wir die
Lehrfächer, welche die Hülfswissenschaften für das Bau Studium umfassen, die
Physik, Chemie, Mineralogie p p und sämtliche allgemeine mathematische
Wissenschaften, da sie bey der Universität vorgetragen,
| 2 mithin von
dem Staate doppelt - und wenn wir einzelne Fächer ausheben, welche den
Forst-Zöglingen und welche den Berg Eleven separatim gelehrt werden - drey und
vierfach bezahlt werden.
Da nach der Erklärung der Königl: Section in den
öffentlichen Blättern, die Universität
in diesem Jahre zustande kommen und die Vorlesung zu Michaelis ihren Anfang
nehmen sollen, so sind die Unterzeichnenden auf das lebendigste überzeigt[!],
daß, wenn die Organisazion des Gesammt-Unterrichts ein Gantzes ausmachen und
nicht in Stückwerck ausarten soll, ein jeder Zweig des Unterrichts, also auch
der für die Baukunst, gleich im Anfang und mit den übrigen zu gleicher Zeit
regulirt werden müsse; daß, das, was in der Zukunft zur Universität gehören wird, die mathematischen
und überhaupt die sämtlichen für das Baufach erforderlichen Hülfs-Wissenschaften
so gleich Anfangs von dem, was der Academie verbleibt, geschieden und dorthin,
wo es an seiner Stelle ist, verwiesen werden müße. Bey dem Ineinandergreifen und
wechselseitigen Unterstützen der verschiedenen Zweige des Wissens untereinander,
ist es klar, daß es nur Nachtheil bringen muß, wenn einer davon - so zu sagen -
gewaltsam getrent und ein Jahr später organisirt wird, als die übrigen. Dieser
Nachtheil wird unausbleiblich unser Fach treffen; denn man wird sich Seitens der
Bau-Academie entweder mit den
Theilen der Mathematik, welche nun eben bey der Universität gelesen werden, begnügen - oder man wird dort eine
eben
| 2 erst in Gang gesetzte Einrichtung wieder abändern müßen. Weiß
die Königl: Section aber schon jetzt und
ist sie davon überzeugt, daß der Unterricht bey der Universität in solcher Art und Folge bestimt
ist, daß auf die Bau-Academie dabey die
gehörige Rücksicht genommen worden; so können wir nicht einsehen, warum in
diesem Falle auch nicht sogleich bey dem Kunstzweige, dem wir vorstehen und von
dem hier die Rede ist, der Anfang gemacht werden könnte.
Bey dieser
wichtigen Veranlaßung würde sich der Senat verantwortlich machen, wenn er hier
schweigen wolte. Vielmehr kennen Wir keine höhere Pflicht, als die Section dringenst zu bitten, unsere
Vorstellung zu behertzigen. Wir tragen demnach förmlich bey der Königl: Section darauf an: Die Kunst-Academie in allen ihren Theilen
zugleich mit der Universitæt zu
organisiren; Insbesondere aber, da hier specialiter über den Bau-Unterricht
gesprochen wird, uns den Lehrplan der Universitæt - Was nehmlich die sämtlichen Hülfs-Wissenschaften
betrift - mitzutheilen, damit wir auf einen Standpunkt kommen, von wo aus wir zu
beurtheilen im Stande sind: Wie, und in welchem Umfange dieser oder jener
Gegenstand bey der Universitæt behandelt werde; ob dieses für den Baukünstler
hinreicht, und ob - wenn nach dem jetzigen Plan dieses nicht der Fall wäre, sich
- der höheren und allgemeineren Ansicht unbeschadet - wohl so viel Detail in
diesen Unterricht legen ließe, daß er für die Baukünstler zureichte. Solte sich
- wie es sich aber kaum dencken
| 3 läßt - nach genauer Prüfung ergeben,
daß letzteres sich nicht erreichen ließe, so würden Wir die ersten seyn, welche
die Theile, welche zu allgemein vorgetragen würden, bey der Bau Academie wieder aufnehmen und diesen Bau
Academie-Unterricht mit jenem auf der Universitæt in Uebereinstimmung setzen und auf jeden Fall dahin
sehen würden, daß Nichts sich kreutze, daß aber auch Nichts doppelt, oder gar
nicht vorgetragen würde. Fänden sich jedoch bey der Hochlöbl: Section Hindernisse, die wir nicht kennen,
wodurch dieselbe abgehalten würde, unserm Wunsche gemäß diese Organisation
sogleich vorzunehmen, so würde der diesjährige Winter-Cursus als ein
Interimisticum und als Fortsetzung und Beendigung des Sommer-Cursus betrachtet,
aber nach unserer Ansicht doch gleich nach geläuterten Principien und in Bezug
auf dasjenige, was in der Folge eintreten wird, eingerichtet werden.
Die
Königl: Section beliebe mit dem, was wir
jetzt vorschlagen, den Lections-Plan des vorigen Winter-Cursus, dem wir hier
punktweise folgen, zu vergleichen.
1.) Ebene Trigonometrie, Körperlehre,
Curven, Herr Grüson. Gehört zwar
eigentlich zur Universitæt; da aber
dieses eine Fortsetzung und Beendigung des Sommer-Cursus ist, so könte diesen
Winter noch damit fortgefahren werden.
2.) Statik, Hydrostatik. )
3.)
Mechanik, Hydraulik. ) bleiben weg. Werden bey der Universitæt vorgetragen.
4.) Maschinenlehre. )
5.)
Konstruktion der Gebäude. Herr Rabe.
/ Würde in der Folge nach einem veränderten und umfassenderen Plan gelehrt.
6.) die Lehre der Gebäude (Im alten Lections-Plan die Stadtbaukunst
genandt.) Gentz. / In der Folge wird
diese Lehre nach einem gantz veränderten und umfassenderen Plan vorgetragen.
7.) die Oekonomische Baukunst.
8.) Strombau und Deichbaukunst
| 4
9.) Schleußen, Hafen, Brücken und Wegebau. / Nach unserm der Königl:
Section im vorigen Jahre
eingereichten Organisations-Plane sollen diese Lehren mit dem Cursus der Lehre
der Gebäude vereiniget und vom nemlichen Lehrer vorgetragen werden. Solte man
etwa finden, daß dieses von einem Lehrer zuviel verlangt
wäre, so müsten doch wenigstens die hier zusammen
gestelten Lehren in ein Lehrfach vereiniget werden. Für das Interimisticum in
diesem Winter schlagen wir, da die zwei bisherigen Lehrer dieser Branchen von
der Academie abgegangen sind, den Gouvernements-Baurath Herrn Friderici vor. Wir müssen jedoch hierbey
bemercken, daß der Geheime Ober Baurath Eytelwein weder den angeführten neuen Organisations-Plan kent,
noch mit dem hier eben gethanenen Vorschlage einverstanden ist; vielmehr äußert
sich derselbe dahin, daß zwar allerdings die Oekonomische Baukunst,
Statbaukunst, der Strombau, Deichbau, Schleusenbau, Hafen-Brücken- und Wegebau
zur Lehre von den Gebäuden, also auch in ein Lehrfach gehörten, weil ein Stall,
ein Tempel, eine Schleuse, ein Hafen, eine Windschneidemühle u. d. gl. Gebäude
wären, daß aber aus dem gemeinschaftlichen Nahmen noch nicht folge, daß diese so
mannigfaltigen Zweige der Architektur von einem einzigen Lehrer vorgetragen
werden könten, weil sich nicht voraussetzen ließe, daß die verschiedenen und
sehr ausgedehnten Theoretischen und praktischen Kentnissen, welche dieser
Unterricht erfordert, in einem Lehrer vereiniget wären.
Er trägt daher darauf an, daß die bisherige Absonderung beibehalten und dieser
Unterricht nicht einem einzigen Lehrer übertragen werde, weil sonst der größte
Nachtheil für die Bildung künftiger Baumeister erfolgen müße.
10., 11. und 12. und 13.
Zeichnen. Bauverzierungen. Herr
Rösel. Solte füglich ausfallen,
da dieses sich mit dem Architektonischen Zeichnen
| 5 vereiniget; kann
aber allenfals in diesem Winter-Interimistico noch fortgesetzt werden. / Architektonisch und Perspektiv-Zeichnen. Herr Schlatzer und Herr Hummel. Ersterer könte vorzüglich
Maschinen, besonders was zur Bau-Maschinerie gehört zeichnen laßen. Letzterer
läßt die Architektur geometrisch und Perspektivisch zeichnen. Situations-Zeichnen. Herr Dumcke. Das Wissentschaftliche und das
Praktische des Feldmessens bey der Universitæt.
14. Geschäftsstyl. Fält gantz weg. (War bloße
Grammatic, was die jungen Leute auf Schulen lernen müßen.)
15. Geschichte
der Baukunst. Bleibt weg, gehört zur Universitæt, wohin wir auch das Studium der Physick, Chemie,
Mineralogie, der Aestaetick der Mythologie der Archäologie u. d. gl. mehr
rechnen, welche Wissenschaften sämtlich bey der Bau-Academie nicht vorgetragen wurden, ob sie gleich dem
Baukünstler auf das Wesentlichste Nützen. Dieses wird in der Folge den
Studirenden am besten begreiflich gemacht werden können, wenn ihnen eine eigene
Encyclopedie der Baukunst, oder eine Einleitung in das gantze Studium derselben,
entweder auf der Universitæt vorgetragen, oder - was der Natur der Sache
angemessener scheint - mit der Lehre der Construction der Gebäude in Verbindung
gesetzt und als Einleitung dieser vorangeschickt wird.
Der diesjährige
intermistische Winter-Cursus würde demnach die Fortsetzung des Sommer-Cursus und
mit diesem beynahe gleichlautend werden. Es wäre:
I. Ebene Trigonometrie,
Körperlehre, Curven. Herr Gruson (Noch
für diesen Winter)
II. Construction der Gebäude. Herr Rabe.
III. Die Lehre der Gebäude
(Stadtbaukunst) Gentz
IV. Oekonomische Baukunst. Deichbau, Strombau. Hafen-Schleusen-Brücken und
Wegebau. Herr Friderici.
V.
Bau-Verzierungen. Herr Rösel. (Noch
für diesen Winter)
| 6
VI. Architektur und Perspektive Zeichnen. Herr Schlatzer, Herr Hummel. Ersterer vorzüglich Maschinen.
VII. Feldmeß und Situations Zeichenkunst. Herr Dümcke.
Genehmiget die Königl. Section diesen Plan, so würden wir sogleich
die Tage und Stunden festsetzen und diesen simplificirten Lections-Catalogus
abdrucken laßen, wobey wir jedoch nochmahls bemercken müßen, daß der Geheime
Ober-Baurath Eytelwein nach den obigen
ausgeführten Aeußerungen deßelben, mit diesem Plane nicht einverstanden ist.
Nachdem dieses verhandelt, wurde das Protokoll geschlossen und von uns
sämtlich unterschrieben.
A. U. S.
[gez.]
Frisch. Eytelwein
Hirt. / mit einer Beylage.
Gentz. / qua Secretair.