An ein hochlöbl. Directorium der / königl. Akademie der Wißenschaften

In Beziehung auf Alexander von Humboldt an das Direktorium der Akademie der Wissenschaften, Paris, 10. März 1808 (empfangen am 23. März) (Archiv der BBAW, PAW 1700-1811, I-XV-8a, Bl. 26r-27r).
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das Schreiben
unseres berühmten Kollegen Herrn v. Humboldt, Archiv der BBAW, PAW 1700-1811, I-XV-8a, Bl. 28ff.
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und der damit übersandten Verzeichniße der Abgüße, und Abdrücke
vom Museum Napoleon, welche ein hochlöbliches Directorium mir mittheilen wollte, habe ich die Ehre folgendes zu bemerken:

1.) Ein wahrer Gewinn für das Antiquarium der Akademie ist die Sammlung der Abdrücke antiker Münzen von Mionnet. Die Proben, Vgl. Hirts Brief an Böttiger vom 19. November 1800.
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welche ich bereits vor längerer Zeit hievon sah
, sind vortrefflich. Auch scheint die Auswahl mit Verstand gemacht, und geordnet zu seyn. Für das Studium kann diese Sammlung fast eben die Vortheile gewähren, als die Originalien selbst.

2.) Nicht weniger wichtig mögen die Abdrücke von den 600. Gemmen seyn, besonders wenn in dem Verzeichniße auch etwas Näheres über die Steinart jeder Gemme bemerkt wäre.

In Rücksicht dieser beyden Sammlungen wünschte ich, daß ein hochlöbliches Directorium den Hn. v. Humboldt Die Akademie (gez. de Castillon und Gerhard) schreibt diesbezüglich am 6. April 1808 an Humboldt nach Paris (Archiv der BBAW, ebd., B. 24r-25v). Humboldt antwortet aus Paris am 20. April 1808 (ebd., Bl. 34r-v). In einem Schreiben vom 6. April 1809 äußert die Akademie ihre Sorgen wegen der hohen Transportkosten (ebd., Bl. 38r-v). Siehe weiterhin: Schreiben Humboldts an die Akademie, Paris, 13. März 1809 (ebd., Bl. 40r-v); Schreiben der Akademie an Humboldt, Berlin, 31. Mai 1809 (ebd., Bl. 43r; Gyps-Abgüsse aus dem Musée Napoleon betreffend); Schreiben Humboldts an die Akademie, Paris, 14. Juli 1809 (ebd., Bl. 45r-46r); Schreiben Humboldts an die Akademie, Paris, 3. Februar 1811 (ebd., Bl. 56r-57r; Humboldt mahnt die Kosten an, die die Lagerung der Gipsabgüsse in Paris verursachen).
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veranlaßen möchte
, dieselben so bald wie möglich, und auf dem kürzesten Wege zu übersenden. Die Speditionskosten könnten nicht beträchtlich seyn. Auch scheint Hr. v. Humboldt zu verstehen zu geben, daß diese Übersendung ohne Schwierigkeit, und sogleich gemacht werden könnte. Die 5 bis 6000. Münzen, welche in der Folge noch nachgeliefert werden sollen (und weßwegen Herr v. Humboldt zu ersuchen ist, daß er auf diesem Versprechen den H p. Denon festhalte) würden dann zu ihrer Zeit leicht nachgesandt werden können. | 2

3) Was die Gipsabgüße nach Statuen, Büsten, Reliefs u.s.w. betrift, so ist zwar die uns zugedachte, und bereits in Kisten eingepackte Sammlung nach dem beygefügten Verzeichniße nicht klein; aber zu wünschen wäre es, daß der General Director Denon weniger mit seinem Cadeau geeilt, und es ihm gefallen hätte, bey der Akademie vorerst anzufragen, "von welchen Stücken sie eigentlich die Abgüße zu besizen wünsche?" Aber A. v. Humboldt hatte der Akademie in einem Brief vom 10. März 1808 mitgeteilt, dass Denon bereits eine Auswahl von Abgüssen und Abdrücken getroffen und diese in vierzig Kisten habe einpacken lassen und dass die Berliner Akademie die Transportkosten übernehmen solle. Außerdem machte er darauf aufmerksam, dass Denon "keine Einmischung" in dieser Sache dulden würde und dass es sogar angebracht wäre, ihm einen Dankesbrief zu schreiben (Archiv der BBAW, PAW I-XV, 8a, Bl. 26f.) (nach D, S. 145).
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wie unser trefflicher Collega selbst berichtet
, liebt Denon nicht, daß man sich in seine Sachen mische.

Leider ist die Auswahl so ausgefallen, daß ich etwas Näheres darüber sagen muß, damit ein hochlöbliches Directorium die Sache deutlich erkenne, und wo möglich mit Hn. v. Humboldt das Ersprießlichste zu verfügen.

Erstlich sind unter den Statuen mehrere, die wir hier bereits besizen; zweytens sind darunter solche, wovon die Originale nicht im Museum Napoleon sind; folglich können diese, als Abgüße nach Abgüßen, nicht anders als stumpf seyn. drittens sind acht Stücke Statuen darunter, die nicht nach den antiken Originalen, sondern nach kleinern modernen Copien derselben abgegoßen sind. Dergleichen Dinge sind aber die Unkosten des Transportes nicht werth. viertens sind unter den verzeichneten Sachen eine große Menge Dubletten, z.B. so ist außer der ganzen Gruppe Laokoon's noch einmal der Rumpf des Vaters, dann wieder die Köpfe vom Vater sowohl, als den beyden Söhnen, dann wieder die Beine, ein Schenkel, ein Knie, und ein Arm des Vaters besonders dabey. Was sollen aber alle diese Stücke, wenn die Gruppe im Ganzen da ist? - eben so ist fünftens die moderne Anatomie, welche man bey unsern Künstlern hier öfters sieht, nicht weniger als fünfmal dabey. sechstens unter den Büsten sind | 3 gleichfalls eine Menge, welche theils wir schon besizen, theils aus andern Museen, und nicht aus dem Museum Napoleon sind, und folglich schlechte Abgüße seyn müßen; theils auch Dubletten. Siebentes sind darunter eine große Menge einzelner Ärme, Beine, Hände, und Füße, wovon, wie es scheint, der größere Theil nicht einmal antik, sondern über die Natur geformt ist. Wer möchte sich aber dergleichen von Paris überschicken laßen? - Achtens unter den Köpfen sind so gar moderne Machwerke. und dann wieder zwey Gefäße, die bloß Abgüße nach modernen Copieen alter Gefäße sind, und zwar besizen wir die Copien dieser Gefäße in Erz schon hier.

Ein hochlöbliches Directorium sieht also hieraus, wie übel dasselbe mit einem solchen Cadeau berathen ist. Es scheint, daß der Herr GeneralDirektor Denon irgend eine alte Trödlerbude, oder die Bude eines verarmten Gipsgießers, oder die Werkstatt irgend eines banqueroutirten Bildhauers ausgekauft habe, um die Akademie damit unter dem Namen des Musée Napoléon zu regaliren.

"Trotz Humboldts Anwesenheit in Paris führte die energische Stellungnahme Hirts zu keiner Öffnung und Ergänzung der Kisten. Da im politisch-militärischen Kontext des Jahres 1808 die Transportkosten den Wert der versprochenen Gipssammlung übertroffen hätte, wurden diese Kisten zunächst im Pariser Magazin eines Unternehmers namens Karcher gelagert, dem sie aber bald zur Last wurden. Deswegen kam es in Berlin 1809 zu erneuten Überlegungen zu dieser Frage, diesmal zwischen dem preußischen Kultusministerium und der Akademie der Wissenschaften, ohne daß jedoch eine Entscheidung getroffen werden konnte. Die vierzig Kisten mit Gipsen blieben sieben Jahre lang, bis zum ersten Pariser Frieden, in der Rue de la Michaudière 4 gelagert, wo sie Ende Mai 1814 von Jean Henry und seinem Kollegen Ernst Bussler als preußische Kommissare für die Rückführung der geraubten Werke endlich in Empfang genommen und inspiziert werden konnten. Schließlich wurden sie auf dem Seeweg nach Berlin geschickt, wo sie im Frühjahr 1815 ankamen. In Berlin wurden die Abgüsse unter Leitung von Schadow im Schloß Monbijou so aufgestellt, 'daß sie dem Kunstliebhaber einen schönen Überblick und Künstlern ein gutes Studium gewährten', wobei die Auswahl von einem 'Sachkundigen', so Schadow, getroffen worden war. Wer dieser Sachkundige war, geht aus den Akten nicht hervor. Nach Götz Eckardt kamen zu diesem Zeitpunkt nur zwei in Frage: Konrad Levezow und Hirt. Vermutlich war es Hirt, der die Auswahl traf, da er ja von Anfang an an der Sache beteiligt gewesen war. Jahrzehnte lang bildete das unerwünschte 'Cadeau' so den Kern der Berliner Gipssammlung" (zitiert nach D, S. 146-147).
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Daß also die Akademie ihr Geld wegwerfe, ist klar, und all dies Zeug hieher kommen zu laßen, kann ich nicht rathen.
Aber frägt man: was ist zu thun? Herr Denon wird es wohl übel nehmen, wenn man seinen Cadeau ausschlägt, oder aus demselben nur eine Auswahl trift. Indeßen dächte ich, daß ersprießlichste würde seyn, wenn man mit Herrn v. Humboldt das Arrangement träfe, daß derselbe sich den bestimmten Inhalt jeder Kiste anzeigen ließe, und dann | 4 aus diesen nur diejenigen übersendete, welche solche Stücke enthalten, die wir gerne hier haben möchten. Die andern könnte man dann allenfalls in Paris unter der Hand selbst wieder verkaufen. oder wollte man dieses nicht; und glaubte man, daß es absolut nöthig wäre, die Sachen, wie sie sind, hieher kommen zu laßen, so müßte man wenigstens mit dem Transport warten, bis die See offen ist, um solche Dinge mit den geringsten Unkosten zu erhalten.

Indeßen bemerkt H. v. Humboldt, daß Denon ein Danksagungsschreiben von der Akademie erwarte. Ich glaube auch, daß man dies thun müße, ohne ihm etwas von unserm Ärger, und seiner Albernheit merken zu laßen. Daher muß das Schreiben so viel möglich in allgemeinen Ausdrücken gefaßt seyn, und zwar hauptsächlich in der Absicht, ihn dahin zu disponiren, daß er, wie H. v. Humboldt schreibt, noch diejenigen Abgüße beyfügt, welche wir nach einem besondern Verzeichniße aus dem Musée Napoléon noch zu besizen wünschten.

Ich lege hier ein solches verzeichniß bey, und im Falle nicht alles akkordirt würde, so unterstreiche ich diejenigen darunter, deren Besiz uns hauptsächlich intereßiren muß.

Dabey ersuche ich ein hochlöbliches Directorium die Liste A. noch einmal copiren zu laßen, damit ich für Herrn v. Humboldt darauf bemerken kann, welche von den bereits eingepakten Sachen wir hauptsächlich hier zu haben wünschten, und welche nicht. -

Berlin den 30ten März / 1808.

Hirt. | 5

Beilage:

Pour Mr. Alexandre / de Humboldt.

Liste / des differens membres antiques / qui sont passés de differentes collections / d'Italie au Musée Napoléon, et / dont l'academie souhaite de posseder les plâtres.

I. Morceaux ci-devant au musée PioClementin. Statues 1.) Diane avec la tunique jusqu'aux pieds. 2.) le Ganimede. 3.) le faune en marbre rouge. 4.) Le prêtre du dieu Mithras, restauré comme Paris. 5.) L'Amazone avec l'inscription - translata de Schola medicorum. 6.) Menandre. ☽ Si on n'accordoit pas les statues; il fondroit au moins insister sur les têtes.7.) Posidippe. ☽ 8.) Le mercure, dit l'Antinous de Belvedere. 9.) la muse Polyhymnie. 10) la muse Melpomene. 11) la muse Thalie. 12) le discobole de Myron. 13) Tibére en toge. 14) le pêcheur de Cyrene, dit Séneque. Bustes 1) Jupiter Colossale. | 5 2) Serapis 3) Dieu Marin, dit L'océan. 4) Hadrien. 5) Antinous. 6) L'Hermes du jeune Hercule. 7) La tête de la Statue du Nile. 8) Menelaus. 9) Pyrrhus. Reliefs I. Les pieds triangulaires de deux candelabres Barberini. II. Morceaux tirés du Musée Capitolin. Statues. 1.) Le Cupidou qui tend l'arc. 2.) L'amour et Psyché. 3.) la muse Uranie avec la plume sur la tête, restaurée comme Flore. 4.) le gaulois, vaincû par Manlius Torquatus, dit le gladiateur mourant. 5.) Les deux centaures en marbre noir: on au moins les têtes avec les torses. 6.) la pretresse d'Isis, dite la Vestale. 7.) Le Philosoph Zenon. 8.) le tireur d'Epine en bronze. Bustes 1.) Phoebus - dit Alexandre le grand. Basreliefs 1.) le Sarcophage des muses. 2.) le Puteal des deux Divinités | 6 III. Villa Borghese Statues 1.) le Philosophe Chrysippe. 2.) le grouppe de Pan qui tire l'épine du pied d'un faune. Bustes 1) Rome. 2) Lucius Verus. 3) Venus avec le Diadême. 4) M. Agrippa - trouvé à Gabii. 5) Agrippine - trouvé au même endroit 6) Domitius Corbulo - ibidem. Reliefs 1. Les doux divinités sur la candelabre triangulaire. IV Villa Albani 1.) Leucothoé, l'enfant Bacchus sur le bras 2.) la tête du faune à la tâche. 3) le Basrelief du faune chasseur. V. La gallerie de Florence 1.) la Statue du Scythe, dit L'arrotino. 2) le grouppe des lutteurs. | 7 VI. Morceaux tirés de l'ancienne collection de Versailles 1.) La Diane de Versailles 2.) Jason, dit le Cincinnatus. 3.) le Basrelief representant les Panathenées.

Hirt.