An Sr Excellenz / den wirklichen Staatsminister / Herrn Freyherrn v. Altenstein p. - Mit Siegelspuren
Gnädiger Herr!

Die ausgezeichneten Kenntniße des Dr. Waagen im Fache der Archaeologie und der neuern Kunst sind Ew. Excellenz genugsam aus deßen Schriften bekannt. Auch habe ich schon früher Gelegenheit genommen, die Aufmerksamkeit Ew. Excellenz auf diesen trefflichen jungen Mann, der eben so durch seinen unbescholtenen Charakter, als seine Kenntniße empfehlungswerth ist, zu lenken, und ihn als denjenigen zu bezeichnen, der sich vorzugsweise zur Vorsteherschaft der Gemäldesammlung des Königlichen Museums eignen würde.

Dieser junge Mann, mit Recht von Ihren Königlichen Hoheiten, dem Kronprinzen, und der Prinzeß Wilhelm, begünstigt, findet sich indeßen in einer Lage, welche ihm seinen Aufenthalt allhier sehr peinlich machet, indem es seinem weniger bemittelten Vater sehr schwer, ja unmöglich wird, den Sohn zu unterhalten, besonders bey der Unsicherheit seines künftigen Schicksaals.

Überzeugt von den edeln Gesinnungen Ew. Excellenz, jedes Talent und Verdienst möglichst aufzurichten, wage ich es, den Dr. Waagen noch einmal gehorsamst zu empfehlen, und zu deßen Gunsten einen Antrag in Vorschlag zu bringen in Hinsicht folgender Umstände:

Erstlich verursachet das Restaurationswesen der hiezu niedergesetzten Commission viele Plage (und dies iezt um so mehr, da sie kürzlich eines der Mitglieder - Prof. Kubeil - der viele Zeit hiefür opferte, durch den Tod verloren hat). | 2 Es wäre daher sehr wünschenswerth und nöthig, daß die Commission sich einen Mann associren könnte, der sich zum wesentlichen Geschäft machte, die verschiedenen Restauratoren öfters zu inspicieren, und deren Arbeiten zu betreiben. Dies thun zwar auch die ietzigen Mitglieder, aber es bleibt unmöglich, daß dies so oft geschehe, als es für den Vortheil der Restaurationen nöthig wäre. Durch eine anhaltende und verständige Inspection würden die Restaurationen nicht bloß beßer und schneller gefördert werden, sondern auch manche unangenehme Schwierigkeit heben, welche von den zu hohen Ansätzen der Preise, die von den Restauratoren gemacht werden, herrühren.

Zweytens bin ich mit dem Ordnen der Gemälde so weit, daß ich iezt der mechanischen Hülfe und Handleistung zwar weniger bedarf, aber nun häufen sich die Arbeiten, wobey mir eine Mithülfe nöthig wäre, auf deren Intelligenz ich rechnen könnte. Hiezu würde aber Niemand so geschickt, wie Herr Waagen seyn.

Indeßen da es vor der Hand sehr schwierig seyn möchte, dem Herrn Waagen in solchen Beziehungen eine definitive Anstellung zu geben; so gienge der Antrag dahin: ob es nicht thunlich seyn möchte, daß ihm auf die Casse der zur Anordnung und Restauration der Gemälde ausgesetzten Gelder Diäten gewährt würden, wobey er selbst nur so viel wünscht, um hier seine nothdürftige Existenz gesichert zu sehen. | 3

Ich kann zwar für mich eine solche provisorische Anstellung des Dr. Waagen nur unter den angedeuteten Gesichtspunkten als wesentlich empfehlen; aber ich darf nicht zweifeln, daß, wenn die Bitte desselben gewährt werden könnte, diese Gunst von Seite Ew. Excellenz den vollen Beyfall der hohen Personen, die ich oben nannte, haben würde.

Berlin den 20 May 1823.

Hirt.