An / d. G. O. R. R. / Herrn Schoell.

Ich belästige meine Freunde nicht gern; aber es walten Umstände vor, daß ich nicht anders kann.
Hören Sie also so kurz wie möglich.

Sie kennen die Wichtigkeit der Sollyschen Gallerie. In der Perspektive des Ankaufes ist bereits im Jahr 1819 eine Anleihe von 200 000 reichsthaler darauf gegeben worden. Seitdem hatte Solly wieder andere wichtige Ankäufe gemacht, um die Trefflichkeit der Sammlung zu steigern. Es entstand indeßen ein Zögern in der Unterhandlung von unserer Seite, welches die Langmuth des Besitzers erschöpfte, so daß er plötzlich die neuen Ankäufe, die nicht unter dem Pfand waren, zurückzog und nach England kommen ließ. Dies war der Schreckenschuß, worauf die Unterhandlung aufs neue anfieng.

In der Hoffnung das Geschäft desto leichter zum Ziel zu führen, ward nun aus der verpfändeten Sammlung eine Auswahl von 200 Stück beliebt für ein Anerbieten von 300 000 reichstaler. - Dies geschah nicht so viel nach einer genauen Schätzung - denn eine solche ist nicht möglich -, als vielmehr in der Idee, daß eine solche Summe eher zu erlangen seyn dürfte. Ich hatte nichts gegen die Auswahl, zu der ich gezogen wurde; aber ich bezweifelte die Einwilligung des Eigenthümers um den angebotenen Preis. - und so war es auch.

"Solly verlangt für die Auswahl der 200 Stück 400 000 reichstaler oder für die ganze Sammlung, die neuen Ankäufe vom Jahr 1819 her mit eingeschloßen, 500 000 reichstaler in Golde. Sollte man aber nicht geneigt seyn, weder auf den einen, noch den andern Vorschlag einzugehen; so sehe er die Unterhandlung als aufgelöst an, und wünsche in solchen Falle noch 100 Stück nach seiner Wahl aus den verpfändeten nach England zu ziehen, um so bald wie möglich dort Mittel zu finden, das ganze Pfand wieder einzulösen."

So steht die Sache.

Sie kennen mich, und fühlen mit mir das Peinliche der Lage, indem ich zur Ehre der Kunst und des Staats aufs lebhafteste wünschen muß, daß uns die Sammlung - wenigstens die Auswahl der 200 Stück - erhalten werde.

Unmittelbar mich an den Herrn Fürsten zu wenden, wage ich nicht. Der Herr hat zu viele andere wichtige Geschäfte, und nur ein mündlicher Vortrag von Ihrer Seite flößt mir die Hoffnung ein für einen glücklichen Ausgang. Sie sehn also: warum ich mich vorzugsweise an Sie wende, mit der Überzeugung, daß Sie den Kampf für eine gute und ehrenvolle Sache nicht scheuen. Legen Sie dieselbe dem Fürsten so rein und einfach dar, wie sie wirklich ist. Ich deute hier nur noch kurz auf die Motive hin.

1. Wir haben keine Kunstsammlung, die sich mit andern großen meßen kann. Wir stehen weit hinter Wien, Dresden und München zurück. Berlin behauptet | 2 in so vielem andren den Vorzug, aber in einem wesentlichen Theil, was den Glanz einer Hauptstadt und des Reiches machet, stehen wir zurück, nämlich in Beziehung einer wahrhaft belehrenden Kunstsammlung.

2. Der König selbst fühlt diesen Mangel sehr lebhaft. Er hat zu diesem Zweck die Giustinianische Sammlung gekauft, ein Museum erbaut, und will aus den alten königlichen Sammlungen alles vorzügliche darin vereinigen. Ich habe selbst auf seinen unmittelbaren Befehl die Auswahl hiezu treffen müßen, und seit vorigem Herbste liegt mein vollständiger Bericht hierüber bey dem Minister. - Eben bey dieser Auswahl ist mir der Ankauf von ein paar hundert Stücken der Sollyschen Gallerie recht lebhaft geworden. Diese würden erst wahrhaft unsere alten Sammlungen begründen, und zu jener Höhe steigern, daß wir neben jeder andern Sammlung nicht nur auftreten, sondern in einem wesentlichen Theil, nämlich in Hinsicht des Belehrenden, jede andere überbieten dürften. - Ohne jene Sollyschen Gemälde könnte unsere Sammlung aber sich nie über das mittelmäßige und gewöhnliche erheben.

3. Laßen wir eine solche Gelegenheit vorüber: so kann ich hier nur den gewöhnlichen Ausdruck unseres edeln Kronprinzen wiederholen: "daß er es als einen Nationalverlust ansehen würde, wenn die Sammlung dem Lande entgienge." Auch scheint es, als wenn das Glück gerade diesen kunstliebenden Engländer herbeygeführt hätte, diese schöne, und in ihrer Art einzige Sammlung hier in loco zu machen, eine Sammlung, wie er hernach selbst fühlte, über seine Kräfte gieng, um dieselbe für sich zu erhalten.

4. Aber man bedenke hiebey nicht bloß den unersezlichen Verlust, sondern auch was Einheimische und Fremde, Günstige und Ungünstige hievon sprechen würden? Selbst würde man den Vorwürfen derjenigen nicht entgehen, welche bis iezt aus irgend einem Nebengrunde gegen die Sache waren.

5. Die Schätzung der 200 Stück für 300 000 reichstaler in Courant ist, wie ich sagte, nur obenhin gemacht, natürlich aus dem Grunde, weil man wohl das Einzelne unter gegebenen Verhältnißen schätzen kann, nicht aber ein großes Ensemble, welches allmählig durch ein glückliches Zusammentreffen gemacht worden ist. Ich spreche daher meine innerste Gesinnung unverholen aus: Die Sammlung hat den Werth, den man dafür giebt, und dies doppelt für uns, weil wir gerade hiedurch dasjenige erhielten, was erst der Sammlung, die der König bereits zu einem Museum bestimmt hat, den wahren Werth und die wahre Begründung gäbe. Übrigens kann es, däucht mir, bey einer solchen Gelegenheit auf die Differenz einer etwas größern Summe nicht ankommen. Wer frägt iezt: ob die Gallerie | 3 in Dresden, die damals 1200 000 reichstaler kostete, wohlfeil oder theuer acquirirt sey? - Die Stadt ist im Besitz eines Schatzes, der ihr einen bedeutenden Namen gemacht hat. - Oder man frage die Pariser: ob sie die Borghesische Antikensammlung für die Millionen, welche sie kostete, wieder herausgeben möchten? u.s.w. Was mitunter den Glanz einer Hauptstadt begründet, läßt sich nicht nach einer geringen Differenz in Geldwerth anschlagen; gesezt auch, daß der wohlrechnende Financier den Kopf auch noch so sehr dabey schüttele. Ja der großherzige Financier verbeßert so seine Sache selbst, indem er durch das, was neuen Glanz giebt, das Zutrauen in der Meinung der Menschen erhöht.

Was ist also zu thun, um zu einem erfreulichen Schluß zu kommen? - Hier spreche ich wieder meine Überzeugung klar aus.

1. Man bewillige dem Minister, der bis iezt die Unterhandlung führte, einen Creit nicht von drey, sondern von viermal hundert tausend reichstaler in Courant.
2. Man bleibe bey der Auswahl von 200 Stück, aber man bestehe darauf anstatt zwölf geringern der verpfändeten Sammlung, zwölf andere aus der neuen Sammlung zu wählen, nämlich diejenigen Zwölf, welche zu solchem Zwecke schon bezeichnet sind.
3. Dies auf solche Weise bestimmt, unterhandle er(?) dreist, und man zaudre nicht, auch wenn der Credit von 400 000 reichstaler ganz erschöpft werden sollte.
4. Alle andern Versuche zu unterhandeln sind meist Palliative, wodurch man nicht zum Zweck komt, sondern nur Gefahr läuft, daß sich die ganze Unterhandlung zerschlägt; und uns nur die Reue zurückbleibt, wie demjenigen, der die schöne Gelegenheit, wie sie erschien, nicht am Schopf zu faßen verstand. Sie kennen hierüber Antike Darstellungen und Beschreibungen der Occasio (Kairos) und der Metanoea (Reue)
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das schöne Bild der Alten
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Ich habe zu Ihnen, biederer Freund, rein gesprochen. Es steht nur Ihnen zu, durch Ihren Vorspruch bey dem edeln Fürsten ins Mittel zu treten. - Der übrigens so sehr gut denkende Minister ist für sich zu bedächtig. Er wagt es für sich nicht recht, sich rein auszusprechen. Er will durch die Forderung bedeutender Summen nicht mißfallen. Ich habe indeßen ihn auf's beste zu ermuthigen gesucht, allein ich fürchte, er möchte wieder wankend werden, wenn er nicht von oben herab ermuthigt wird: Daher hielte ich es für das Ersprießlichste, wenn Sie | 4 bewirkten, daß ihm vom Fürsten selbst ein Wink zukäme, daß er seinen Antrag nach der von mir angegebenen Weise machen möchte. Seine Durchlaucht würden dann das Ihrige thun, um die gute Sache bey des Königs Mayestät zu unterstüzen und zu Ende zu fördern. - Man schmiede, lieber Himmel, so lange das Eisen heiß ist; man lade keine späte Reue auf sich, man compromittire die Kunst nicht, und den großen Namen Preußens - um eine Differenz von etwa hunderttausend Thalern.

Sie, mein Freund, seyen der Ermuthiger: helfen Sie, daß nicht das Schönste zu todt geschleppt werde. Wir sehen uns iezt selten: welch ein schöner Rendez-vous könnte uns das neue Museum öfters in der Folge werden!

den 8 Jul. 1821.

Hirt.

P. S. Die Sache leidet keine Zögerung. Den 22ten dies will der Minister auf längere Zeit verreisen. Der Antrag müßte gleich nach Rückkunft des Königes gemacht werden. Die Momente sind kostbar und verschiedene: erstlich Ihr Antrag bey dem Fürsten, zweytens der Erlaß von Seite Ser Durchlaucht an den Minister Altenstein, drittens der definitive Antrag des Ministers, der dann durch den Fürsten dem Könige zur Annahme vorgelegt würde. Alles dies gebe ich zutrauensvoll in Ihre Hände, und bestelle Sie als treuer Wächter des Heiligen. Die Musenkünste werden es Ihnen für immer Dank wißen.

Bald hätte ich die Geldmänner vergeßen, die doch der Anfang und das Ende von jeder Sache sind. Auch diese stelle ich unter Ihre Hut, und sagen Sie ihnen, daß, da sie so viel für Mars und Venus thäten, sie die übrigen Töchter des Zeus auch nicht ganz hintansezen sollten.