Neulich ward in der Königlichen Akademie die Frage aufgeworfen: unter welcher Form über den Entwurf zum neuen Reglement entschieden werden solle? Die Mitglieder des Comitté hatten sich damals bereits vorläufig darüber besprochen, weil man aber noch zu keinem festen Beschluß gekommen war, so konnte der Königlichen Akademie bei dieser Gelegenheit kein reifer Vorschlag darüber geschehen.
Ueber die zweifelhaften Punkte einer mündlichen Abstimmung in der vollen Versammlung der Königlichen Akademie durch: Ja oder Nein! zu veranlassen, wovon einige unserer H.H. [Herren] Kollegen etwas äußerten, scheint auf den ersten Anblick ein kurzer u sicherer Weg zur Erforschung der Majorität: Nach sorgfältiger Erwägung aller dabei eintretenden Umstände, findet sich aber daß bei der Ausführung im vorliegenden Falle, unerwartete Schwierigkeiten eintreten. Nur einige wollen wir davon ausheben:
Ueber eine einfache, oder über einige wenige Fragen mit Ja und Nein zu stimmen, das ist in einem wissenschaftlichen Verein nicht im mindesten bedenklich: wenn aber über viele mit einander in genauer Verbindung stehende einzelne Theile eines ganzen Werkes von einer großen Zahl von Personen, die sehr verschiedene Meinungen u Ansichten haben, einzeln abgestimmt werden soll; so kann dieß leicht die Folge nach sich ziehen, daß gewisse Punkte ganz unvereinbar mit den übrigen schon feststehenden entschieden werden. Bleiben jene dann unbemerkt u unangefochten, so wird das Werk inconsequent u verstümmelt; würden hingegen diejenigen H.H. Akademiker, welche den Zusammenhang aller Theile genauer durchdacht haben, dadurch zu Bemerkungen veranlaßt, so müßte dieß unwillkürlich Deliberationen und | 2 Discussionen herbei führen, zu deren ruhiger Beendigung aus den von einem verehrungswerthen Mitgliede pag: 79 der eingekommenen Erinnerungen angeführten Gründen, bei der gegenwärtigen Verfaßung der Akademie, gar keine Aussicht vorhanden ist. Es sind davon also keine ersprießlichen Resultate und harmonische Beschlüsse, sondern Szenen zu erwarten, die die Würde des Akademischen Körpers verletzen, und ihn in den Augen des Publikums herabsetzen. Die Vorboten solcher Auftritte haben sich bereits gezeigt, und in der itzigen Verfassung der Akademie giebt es keine, in dem entworfenen neuen Reglement aber hinreichende Mittel, sie zu verhüten und abzustellen.
Aus diesen Gründen halten wir es für Pflicht, einen Weg vorzuschlagen, wodurch, unter Vermeidung aller dem Rufe der Akademie schädlichen Explosionen, ihr Wille kund werden kann.
Die eingegangenen Vota haben uns schon belehrt, daß, den gemachten Erinnerungen über einzel[n]e Punkte ungeachtet, der bei weitem größte Theil unserer H.H. Kollegen, das Reglement im Ganzen seinen Erwartungen entsprechend gefunden hat. Vieles ist nun jezt, Ihren geäußerten Wünschen gemäß verändert, ergänzt und verbessert, also der allgemeinen Meinung näher gebracht worden. In allen Punkten wird der Wunsch jedes Einzelnen nicht erreicht seyn, er kann aber auch durch keine mündliche Discussion und Theilnahme aller Mitglieder der Akademie, zumal unter den jetzigen Verhältnissen derselben, erreicht werden. Dieß zeigen unter andern solche Bemerkungen in den Votis, wo der Eine grade das entgegengesetzte Verlangen des Andern äußert. Die Beispiele sind in dem vorgelegten Protokolle ausgehoben, hier also zu übergehen. | 3
Es fragt sich daher: ob nicht diejenigen unserer H.H. Kollegen, welche mit den wesentlichen Theilen des Reglements nunmehr einverstanden sind, vorziehn möchten, es lieber im Ganzen, so wie es jezt liegt, anzunehmen, als außerdem Gefahr zu laufen, daß es durch Abstimmung in pleno, wobei Sie vielleicht diesen oder jenen Nebenpunkt, ihren Wünschen gemäßer, entschieden zu sehen hoffen könnten, mit Widersprüchen erfüllt, also wesentlich verunstaltet werden würde, und daß überdieß in der Akademie selbst Auftritte veranlaßt werden möchten, deren Nachtheile gar nicht mit der Erfüllung einer oder der andern Lieblings-Idee im Verhältniß steht?
Uns leitet bei dieser Frage der reinste Wunsch für Aufrechthaltung des Ruhmes und Bewirkung des Bestens unsres Akademischen Vereins; denn es ist keiner unter uns, der nicht in mehreren Punkten blos der Majorität im Comitté nachgegeben hätte, und wohl hoffen dürfte, bei einer ruhigen Berathschlagung und Abstimmung in pleno manche seiner individuellen Meinungen durchdringen zu sehen. - Einmüthig steht aber die Ueberzeugung in uns fest, daß hier die Selbstverläugnung zum Heil der Akademie nothwendig, und die dießmal gewählte Methode, auf schriftlichem Wege das Urtheil unserer H.H. Kollegen über das Ganze des Reglements zu erfahren, die zweckmäßigste sey, zumal es hierauf eigentlich nur ankommen kann, da ohnehin vorauszusehen ist, daß dieser und jeder andre Entwurf in einer höheren Instanz noch mancherlei Abänderungen, nach der eigenthümlichen Ansicht der Prüfenden, in einzel[n]en Paragraphen erleiden wird.
Alles dieß veranlaßt uns Ihnen hierneben nochmals ein Duplikat des Reglements, gleichlautend verändert mit dem im Akademischen Lokal befindlichen Original-Exemplare, | 4 zu übersenden. Obwohl bei der ersten Mittheilung einige unserer Herrn Kollegen, über die Kürze der Zeit, welche man Ihnen deshalb setzen mußte, weil ein längerer Termin die Beendigung der Sache zu sehr verzögert haben würde, Beschwerde geführt hatten, so hoffen wir doch, daß jezt, da Sie das Reglement mit allen dazu gehörigen Actenstücken, mehr den[n] 14 Tage lang, nach Ihrer Bequemlichkeit im Akademischen Lokal haben durchlesen können, eine Zeit von 4 Tagen, (nach deren Verlauf dieß Schreiben mit demselben wieder abgeholet werden wird) zur Fassung eines Entschlusses für jeden unserer H.H. Kollegen nöthig hinreichend seyn werde. Jede Weitläuftigkeit und Ungewißheit, glauben wir, wird vermieden, wenn Sie gefälligst, unter die auf dem angehefteten besondern Blatte niedergeschriebene beiden Fragen, Ihre Antworten kurz und bestimmt, mit Ihres Namens Unterschrift setzen. Hierum allein ersuchen wir Sie daher.
Die Mehrheit der bejahenden oder verneinenden Stimmen unsers Akademischen Vereins wird zur Richtschnur des weitern Verfahrens dienen.
Zu Hebung eines wesentlichen Mißverständnisses und des uns früher gemachten Vorwurfs, als würden die Ausarbeitungen des Comitté, hinter dem Rücken des Herrn Geheimen Staats Raths Baron v Humboldt heimlich fortgesetzt, bemerken wir endlich noch, daß Solcher völlig davon unterrichtet ist, ihre Fortsetzung selbst verlangt, und ihre baldige Beendigung empfohlen hat. Wir müssen hinzufügen, daß Er sie mit Interesse erwartet, auch, nach der jetzigen StaatsVerfassung, nur durch Ihn, die Allerhöchste Entscheidung darüber nachgesucht werden kann und wird.
Berlin, den 6ten July 1809.
[gez.] vCastillon [gez.] Gerhard [gez.] Klaproth. [gez.] Karsten. / [gez.] Tralles [gez.] Eytelwein [gez.] Hirt [gez.] Klein. [gez.] Biester.