An eine hochlöbl. Section des Cultus - in Sachen, die neue Organisation der Akademie der Wißenschaften betreffend.

Durch ein lezteres von der Section an die Akademie der Wißenschaften erlaßenes Rescript: den von dieser eingereichten Plan zu einer neuen Organisation der Gesammtakademie betreffend: werden die Mitglieder aufgefordert, ihre besondern Gedanken, Ideen, Vorschläge, wenn irgend einer dergleichen noch vorzutragen hätte, einzusenden, indem es noch Zeit wäre, solche zu prüfen und zu berücksichtigen.

Dieser Aufforderung zufolge kann ich nicht umhin, noch einen Gegenstand zur Sprache zu bringen, der, wie mir scheint, die nähere Aufmerksamkeit der Section verdient.

Da ich selbst eines der neun Mitglieder war, welche die Akademie zur Entwerfung des neuen Organisationsplanes ernannt hatte, so ist natürlich mir der Gang, den das ganze Geschäft nahm, genau bekannt, und also auch die Punkte, welche viel und mit sehr entgegengesetzten Meinungen debattirt wurden. Dabey muß ich gestehen, daß ich, da der Ausschuß sehr ungleich zusammengesezt war, nicht selten mit meinen Ansichten in die Minorität zu stehen kam. Es waren nämlich dabey 1) drey Mitglieder der physischen Classe: Gerhard, Klaproth und Karsten, 2) zwey Mathematiker: Eitelwein u. Tralles, 3) drey Philosophen: v. Castillon, Klein, Biester, 4) und ich allein für die historische Classe. Natürlich stritt hier jeder vornehmlich für seine Classe u. sein Fach: und gewiße Dinge ungeachtet aller Erörterungen blieben unbeachtet, da die Representation dafür zu klein war.

Unter diese zu wenig beachteten Gegenstände gehören besonders die Nationalsprache und Nationallitteratur. Mir gieng dies sehr nahe, und kaum konnte ich dafür zwey Pläze in der Akademie erhalten, wovon noch einer bey der Revision ausgestrichen wurde, so daß also nach dem eingereichten Plane nur Ein Mitglied für deutsche Sprache und Litteratur seyn soll.

Nach meinen Ansichten hätte ich für deutsche Sprache und Litteratur nicht bloß einige Stellen gewünscht, sondern, wie es bey dem französischen Institut ist, eine eigene Classe. Unsere Sprache und Litteratur wird durch die Zeitumstände ja mehr und mehr bedroht. Es wäre also hier nicht bloß an Erweiterung und Vervollkommnung | 2 sondern selbst an Aufrechthaltung des Geleisteten zu denken. Aber nach dem eingereichten Plane könnte die Akademie weder ausgezeichnete Dichter, noch Redner, noch sonst treffliche Litteratoren als solche in ihren Schooß aufnehmen. Dies ist für die Aufmunterung solcher Künstler nicht erfreulich. Um diese Härte zu mildern, möchte ich einen Mittelweg in Vorschlag bringen, nachdem ich zuvor noch einiges über die philosophische Classe bemerkt haben werde.

Als in dem Ausschuße über die Fächer der Philosophie debattirt wurde, blieb es lange in Suspenso, ob auch ferner eine eigenthümliche Classe für Philosophie statt finden sollte. Nur Eine Stimme entschied. Kein ähnliches Institut hat eine besondere philosophische Classe, und sie fand sich auch nicht in der ursprünglichen Berlinischen Societät, obwohl sie von Leibnitz entworfen wurde. Indeßen würde es allerdings sehr unrecht seyn, der Philosophie keinen Plaz in einer Akademie zu gestatten; aber zuviel, glaube ich, ist es, ihr allein eine besondere Classe einzuräumen. Um also jedem reinwißenschaftlichen Streben Gerechtigkeit und Schuz wiederfahren zu laßen würde ich hier folgenden Mittelweg vorschlagen: man gebe der bisherigen philosophischen Classe eine größere Ausdehnung, und nehme nebst den spekulativ- und praktisch-philosophischen Fächern zugleich die deutsche Sprache und Litteratur darin auf. Man bestimme hiefür acht Mitglieder: zwey Philosophen, zwey Grammatiker, zwey Litteratoren (Dichter oder Redner) und zwey Stellen, welche man willkührlich mit Litteratoren, Grammatikern oder Philosophen besezen könnte.

Durch diese Annahme würde das Personale der Akademie, so wie der neue Plan es vorschlägt, mit zwey Mitgliedern vermehrt werden. Darnach soll nämlich die philosophische Classe fünf Mitglieder haben: Dazu würde nun kommen das Mitglied für die deutsche Sprache, welches nach dem Plane mit der historischen Classe verbunden werden sollte; und dann noch zwey, um die Zahl acht auszufüllen.

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Ein anderes Bedenken erregte in mir ein früheres Schreiben der Section an die Academie, nach welchem die Section willens zu seyn scheint, die verschiedenen Institute und Sammlungen, als die große königliche Bibliotek, das Antiquarium, das anatomische Museum, die mineralogische Sammlung, den botanischen Garten, die Sternwarte, den physischen Apparat, das chemische Laboratorium, von der Oberaufsicht der Akademie | 3 zu trennen, und sie unmittelbar unter die Leitung der Section zu stellen.

Auch diese Gegenstände verursachten lange Debatten bey dem Organisationsausschuße, bis endlich überwiegende Gründe für die Vereinigung aller dieser Institute mit der Academie entschieden. Die Beweggründe bestehen wesentlich in folgendem:

1) Niemand kann für die zweckmäßige Anordnung, Aufbewahrung, Vermehrung und Benutzung solcher Institute mehr intereßirt seyn, als die Academie, besonders diejenigen sachkennenden Mitglieder, welche die unmittelbare Oberaufsicht darüber führen würden.

2) Die Controlle kann auf keine Weise so genau und zweckentsprechend geführt werden, als durch die respectiven Classen und hiezu ernannten Ausschüße der Akademie.

3) Dagegen ist von Seite der Section, wenn sie die Leitung dieser Institute unmittelbar betreibt, bestehe sie übrigens aus noch so einsichtsvollen und für das Beste besorgten Männern, die Einseitigkeit fast unvermeidlich. Theils hat sie Lieblingsfächer, für deren Erhaltung und Vermehrung sie natürlich mehr geneigt seyn wird, als für andere; theils wird sie leicht das Spiel des Ambirens, indem sie nicht hindern kann, daß nicht fortdaurend bald mündlich bald schriftlich von Einzelnen an sie Gesuche und Anforderungen gemacht werden, wodurch, wenn sie dieselben zu befriedigen sucht, oft Nachtheile für andere Institute entstehen; giebt sie aber abschlägige und zögernde Antworten, so entstehen von solchen Ambirenden sehr oft ungerechte Klagen, welche nicht selten in sehr mißfällige Klatschereyen ausarten können. Auch ladet die Section eine unselige Last von Mühe, langwierigem Geschäftsgang und Schreiberey auf sich, welches alles vermieden würde, wenn die Akademie unmittelbar theils in Pleno, theils durch besondere Classenversammlungen über solche Angelegenheiten entscheide und die für jedes Institut bestimmten jährlichen Summen selbst verwendete. Da übrigens die Akademie der Section, welche an der Stelle des Protektors steht, von allen ihren Verhandlungen und thun Rechenschaft ablegen muß, so bleibt es ja der Section unentnommen, die erforderlichen Monita zu machen, da wo sie glaubt, daß eine Unregelmäßigkeit statt gefunden hat, oder statt finden möchte.

4) Sind diese Institute einem Verein von Männern anvertraut, wie die Akademie ist, so kann weder die Universität noch der einzelne Gelehrte Klagen erheben, so bald diese Institute jedem zur Benuzung so offen stehen, wie das individuelle Amt und Bedürfniß es verlangt. Überdem müßen diese Institute, wenn sie gedeihen sollen, so wie die Akademie, durch feste jährliche Summen fundirt seyn. Zugleich hat es etwas sehr Erhabenes, und für die gesammten Mitglieder der Akademie sehr Unter- | 4richtendes, wenn die Anliegenheiten dieser Institute in der Akademie selbst verhandelt werden. Das Bild, wie die Wißenschaften und Künste unter einander zusammenhangen, und sich wechselseitig fördern, bleibt immer lebendig, und da die Akademie in ihren öffentlichen Sizungen jährlich Rechenschaft von dem Zustand und der Verwaltung dieser Institute geben würde, so könnte dies seine große Wirkung auch auf das Publikum nicht verfehlen.

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Noch ein Wort über das Lokale. Der König hat der Section für Die Akademie der Wissenschaften und die Akademie der Künste.
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die Akademien
, die Universität und die Sammlungen den Heinrichschen Palast, und das Akademiegebäude eingeräumt. Jedes dieser Gebäude hat einen solchen Umfang, daß man dafür halten sollte, ein einziges wäre hinreichend, um alles, was die genannten Anstalten erfordern, zu faßen. Indeßen ist keines dieser Gebäude zu solchen Zwecken geeignet, und es bedarf großer Abänderungen, und eines kostspieligen Ausbaues, wenn die Einrichtungen den Absichten entsprechen sollen.

Am vortheilhaftesten und bequemsten würde es seyn, wenn die Section mit einem einzigen dieser Gebäude auskommen könnte. Um dies auszumitteln wäre vor allem andern nöthig: erstlich den genauen Bedarf in allen Abtheilungen für obgenannte Institute zu erforschen; zweytens genaue Risse von den ietzigen Gebäuden und ihrem Umfange aufnehmen zu laßen; drittens dann diese Risse an drey Bauverständige zu übergeben, damit jeder für sich auf der Base des alten seine Entwürfe machte, welche einerseits dem Endzwecke entsprechend und anderseits am wenigsten kostspielig seyn würden. Erst nach dieser Operation glaube ich, würde die Section bestimmte Entschlüße faßen können, wie dann das Weitere zu verfolgen seyn möchte. Überhaupt ist die Section sehr zu warnen, daß sie, bevor sie nicht den Plan des Ganzen genau gefaßt hat, nicht anfange, die Abänderungen stückweise vorzunehmen. Dies würde sie in einen unabsehbaren Labyrinth von Unkosten und Unzweckmäßigkeiten führen. Eine solche Baueinrichtung erfordert viel Überlegung und keine geringe Arbeit. Aus Liebe zum Besten dieser Anstalten würde ich mich gerne verstehen, mit einigen wenigen Sachverständigen einen solchen Plan bearbeiten zu helfen, wenn die Section darauf antrüge. Sapienti sat! -

Berlin den 4ten Jan. 1810.

Hirt.