Berlin den 23ten Oktober 1801.

Ew. — hatten die Gefälligkeit, vor ein paar Monaten einige Hirts Schreiben vom 06.04.1801.
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hingeworfene Bemerkungen
über den Zustand der Bauakademie aus meiner Hand zum Durchlesen anzunehmen. Mit Vergnügen bemerkte ich bey der damaligen Unterredung, welche Sie mir schenkten, den lebhaften Antheil, welchen Sie an diesem - sich bildenden - so wichtigen Institut nehmen.

Hiedurch sehe ich mich iezt auf's neue veranlaßt, Sie von einem Vorfall historisch zu unterrichten, welcher mich persönlich betrifft, und welcher, wie ich glaube, keinen unwichtigen Beleg von dem, was ich zum theil in meinen Bemerkungen über das Directorium sagte, abgiebt.

Ich ersuche Sie daher um die Gedult, folgende zwischen der Deputation der königlichen Bauakademie und mir gewechselten Noten durchzulesen. Ich darf nicht zweifeln, daß Ihnen die Sache sehr spaßhaft vorkommen werde.

Im Junius empfing ich nachstehende Note - A.

A. "Die Unterzeichnete akademische Deputation machet dem H. Hofrat Hirt hiedurch bekannt, daß von 1ten Oktober currentis an zwar die Collegia über kritische Geschichte der Baukunst ihren Anfang nehmen, daß aber in diesem Collegium weniger die Kritik des Aesthetischen der Decorationen gelehrt werden soll, u. an deßen Stelle mehr Encyclopedie, und Übersicht der gesammten Baukunst vorzutragen seyn würde. Wir wünschen hiernach die Art, wie der H. Hirt den bißherigen Unterricht abzuändern gedenkt, zu erhalten. Berlin der 18te Merz[!] 1801 Morgenländer Eytelwein, Riedel Becherer." | 2

Hierauf antwortete ich sogleich in folgender Note sub B. - Da aber vier Mitglieder der Deputation den Sommer über abwesend waren, so übergab ich die Note erst nach der Rückkunft des Præsidenten derselben.

Note B

"Ein vom 18ten May[!] datirtes Rescript einer hochlöblichen Deputation bedeutet mir, daß den 1ten Oktober wie gewöhnlich der Kursus meiner Vorlesungen bey der Bauakademie wieder ihren Anfang nehmen werde: daß ich aber dabey weniger die Kritik des Aesthetischen der Decorationen, und an deren Stelle mehr die Encyclopedie, und Übersicht der gesammten Baukunst behandeln sollte: - und daß eine hochlöbliche Deputation einen Bericht über diese einzurichtende Abänderung erwarte."

Hierauf habe ich die Ehre zu antworten: Zur Zeit, wo die Verhandlungen über einen beßer zu organisirenden Bauunterricht bey der königlichen Kunstakademie eingeleitet wurden, habe ich mich theils aus Liebe zu dem Baustudium, theils wegen dem wesentlichen Nuzen, welchen gutunterrichtete Baumeister dem Staate leisten können, freywillig, und unentgeltlich erbothen, diejenige Lehrstelle zu begleiten, zu der ich mir hinlängliche Kenntniße, und Kräfte zutrauen durfte. Zur nemlichen Zeit habe ich auch einen ausführlichen Plan der Gegenstände, welche den Umfang meiner Vorlesungen machen sollten, mit dem Wie, und Wann an das damalige Protocoll abgegeben. Ein hohes Curatorium hatte dann bey der wirklichen Einrichtung einer besondern Akademie für die Baukunst die Gefälligkeit mein patriotisches Anerbieten anzuerkennen, | 3 und meinen Plan zu approbiren.

Betrachtet man den Zustand der Sache aus diesem Gesichtspunkte, so würde dieß schon allein hinlänglich seyn, eine hochlöbliche Deputation deutlich einsehen zu laßen, daß ich keine Insinuationen über den Gegenstand meiner Vorlesungen anzunehmen verbunden bin.

Ungeachtet deßen werde ich keinesweges in Rücksicht des bißherigen Planes meiner Vorlesungen auf meinem Sinne beharren, wenn irgendwer mir darthun wird, daß die Gegenstände meines bißherigen Unterrichts bey einem Institute, das die Bildung des Architekten zum Zweck hat, überflüßig, oder unnüz sey: ja ob irgend einer den Namen eines Architekten verdienen könne, der nicht die Kenntniße, welche die Fundamenten meiner Vorlesungen machen, inne hat.

Wenn demnach die Gegenstände meiner Vorlesungen von der Art sind, daß sie jeder Architekt, der nicht ein bloßer Empiriker, ein Pfuscher, oder Charlatan in seiner Kunst werden, u. bleiben will, inne haben muß; und daher keine Akademie, den Namen eines Bauinstitutes verdient, wo diese Gegenstände nicht gelehrt werden; so muß dem Lehrer auch die Art und Weise des Vortrages überlaßen werden - so lange ihm nicht durch andere gezeigt werden kann, worin seine Methode fehlerhaft sey, und worin die Verbeßerung bestehen könnte.

"Ich soll in meinem Collegio weniger die Kritik des Aesthetischen der Decorationen lehren:"

Ich weiß wahrlich nicht, welche Begriffe eine hochlöbliche Deputation von den Gegenständen, welche ich bereits durch zwey | 4 Winterkurse vortrug, haben mag. Die Kritik des Aesthetischen der Decorationen komt allerdings auch darin vor: aber nur dieß? - Was heißt Geschichte der Baukunst? Kann man diese wißen, oder lehren, wenn man nicht die verschiedenen Constructionsarten in jeder Art von Material der verschiedenen Völker, und Zeiten ausführlich behandelt, und die verschiedenen Arten der Gebäude zergliedert? - Und was heißt Kritik der Geschichte? - Kann man hierunter, was anders verstehen, als daß der Lehrer nicht schlechthin das Geschichtliche darlegt, sondern daß er bey jeder Gelegenheit, bey jedem Gegenstande die Gründe zu geben strebet, warum dieß, oder jenes gut, warum dieß oder jenes schlecht war? - Doch hierüber nichts weiter: Der Plan der Vorlesungen, nach welchem ich bereits zwey Kurse lehrte, kann bey den Akten der Bauakademie nachgesehen werden.

Sollte daher die gegenwärtige Insinuation von Seite einer hochlöblichen Deputation nicht bloß ein Mißverständniß seyn? - ich muß es glauben, denn es heißt im Rescript:

"Ich sollte in meinem Collegio weniger die Kritik des Aesthetischen der Decorationen, und an deßen Stelle mehr Encyclopedie, und Übersicht der gesammten Baukunst vortragen."

Recht gut! Was versteht eine hochlöbliche Deputation unter Encyclopedie, und Übersicht der gesammten Baukunst? - Wenn je ein deutlicher Begriff mit diesem Worte, Encyclopedie, und Übersicht der gesammten Baukunst verbunden werden soll, kann derselbe in etwas anderm bestehen, als in dem, was mein bey den Akten der Bauakademie dargelegten Plan meiner iezigen Vorlesungen enthält? - | 5 Daß ich die Materien nicht rhapsodisch, sondern in ein System geordnet vortrage; dagegen wird hoffentlich Niemand anstoßen, der einen Begriff von Gründlichem Unterrichte hat.

Zudem ist es bekannt, daß meine Vorlesungen nicht allein für Bauzöglinge geeignet sind, sondern daß auf gleiche Weise die Zöglinge der Kunstakademie daran Antheil nehmen können.

Ich muß daher glauben: daß mir eine hochlöbliche Deputation nichts anders insinuiren wollte, als daß ich künftighin fortfahren sollte, zu lehren, was ich bißher gelehrt habe: und daß die Mitglieder der Deputation das vorliegende Rescript an mich bloß ergehen ließ, weil ihr der Gegenstand, der Umfang, und die Methode meines Unterrichtes bis zur Stunde unbekannt blieb. Berlin den 4ten Junius 1801. Hirt

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Resumé dieser meiner Note. 1mo laße ich die Deputation auf's neue bemerken, daß ich mich dem Curatorio nur bedingungsweise anboth, nemlich bloß zur Begleitung derjenigen Lehrstelle, worin ich mir vorzugsweise die nöthigen Kenntniße zutrauen konnte. 2do daß ich den Plan zu den Vorlesungen, wozu ich mich gern ohne weiteres Emolument engagiren würde, mit dem Wie, und Wann an's Protocoll schriftlich gab. 3io daß ein hohes Curatorium einen solchen Plan annahm, u. billigte (nach diesen drey ersten Punkten konnte ich daher nur Befehle von dem Curatorio annehmen, und in solchem Falle: müßte die erste Frage seyn: ob ich auch zur Übernehmung eines andern Lehrfaches die nöthigen Kenntniße, u. Fähigkeiten besizen würde?) 4to daß ich auführlich dabey bedingte (und diese | 6 Bedingung ward auch vom Curatorio angenommen) daß meine Vorlesungen eben so wohl von den Eleven der bildenden Künste, wie von denen der Bauakademie frequentirt würden: denn eine große Menge der Gegenstände, welche ich behandle, sind eben so wichtig für den Historien- Landschaft, u. Decorationsmahler u.s.w. wie für den Architekten. (folglich schon in Kraft dieses einzigen Punktes mir nicht blos das Recht gegeben ist, sondern sogar die Verbindlichkeit obliegt, mich einer wesentlichen Abänderung der Lehrgegenstände entgegenzusezen) 5to Suche ich das Wichtige der Gegenstände, welche ich bißher vortrug, für den Architekten anschaulich zu machen: und 6to das Unbestimmte der Worte in dem Rescripte der Deputation zu bemerken, und daher zu fragen: ob dieß Rescript nicht aus Unkenntniß der Sache entstanden sey? 7mo. Endlich zeige ich, daß dieß wirklich der Fall seyn müße, indem ich beweise, daß eben diese meine bißherigen Vorlesungen unter einem andern, u. schicklichern Namen gerade dasjenige enthalten, was man meinetwegen Encyclopedie, oder Übersicht der gesammten Baukunst nennen kann: - folglich ich wirklich durch zwey Winterkurse schon gelesen habe, was die Deputation in dem Rescripte von mir fordert, daß ich lesen soll.

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Auf diese meine Antwort erhalte ich nun folgendes Rescript sub C.

"Auf die Erklärung des H. HofRat Hirt vom 4ten Juni die den 10ten September currentis eingegangen, erwiedert die unterschriebene academische Deputation, | 7 daß das hochlöbliche Curatorium der königlichen Bauakademie sich auf ausdrücklichen Kabinettsordre des Königs vom 28. Februar 1801.
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Befehl des Königs Mayestät
veranlaßt gefunden hat, bey dem Unterricht zu dieser Anstalt, so viel unbeschadet des Zwecks geschehen kann, das theoretische, u. Aesthetische zu vermindern, dagegen den Unterricht im Praktischen zu vermehren, und überhaupt mehr Augenmerk auf die Bildung von Kammeral-Baumeister zu nehmen. Indem wir den H. HofRat Hirt auch seinerseits dazu mitzuwirken unter dem 18ten May dieses Jahres aufforderten, haben wir uns des speziellen Auftrages entledigen wollen, und haben uns der im hohen Rescripte uns zugebrachten Worte und Ausdrücke buchstäblich bedient; wir können daher auf die gemeinte kritische Erörterung dieser Worte, u. Redensarten, so H. HofRat Hirt sich erlauben will, gänzlich nicht einlaßen; an deßen Statt müßen wir denselben noch einmahl auffordern auf die oberwähnte allerhöchste, und hohe Veranlaßung verweisen, und werden erwarten, ob, und in wie fern der H. HofRat sich den Befehlen Seiner königlichen Mayestät, und des hohen Curatoriums, so wie der Leitung des Directoriums auch in diesem Falle unterwerfen kann, und will. Berlin den 21ten Okt. 1801. Bauakademische Deputation - Morgenländer - - - Becherer."

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Nun frage ich: Soll man bey Durchlesung dieser Diatribe seinen Augen trauen? - Nachdem ich in meiner Antwort sub B. wie mich däucht, alles Nöthige auf's deutlichste auseinandersezte: und sogar sehr bestimmt erklärt habe: daß ich bereits dasjenige durch zwey Kurse vorgetragen habe, und künftig vortragen werde, was die Deputation wünscht, und fordert: so erhalte ich einen Gegenrescript, worin man mit höhnisch-spizfindigen Worten sich hinter die Mayestät des Königs, und eines hohen Curatoriums stecket, und mir ein Crimen læsæ Majestatis | 8 aufdringen will. - Man beschuldigt mich, mich der erlauchten Leitung einer Deputation zu entziehen, indem ich mit den klaresten Worten ihr gesagt habe, daß ich bereits ihrem Wunsche in den zwey Lehrkursen zuvorgekommen sey. Ist ein solches Rescript nicht eines spanischen Großinquisitors aus dem 15ten Jahrhundert würdig? Ungeachtet des angedrohten Auto-da-fé konnte ich keine andere, als folgende Antwort Sub D. finden.

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"Auf das vom 11ten Oktober datirtes, und den 21ten dieß an mich erlaßenes geehrtes Schreiben einer hochlöblichen Deputation der königlichen Bauakademie - in Betreff des Gegenstandes meiner Vorlesungen - habe ich die Ehre verehrungsvollst zu antworten: "daß ich mich ganz und einzig auf meine Antwort vom 4ten Junius dieses Jahres beziehe." Berlin den 21ten Okt. 1801. Hirt.

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Ich füge noch bey, daß ich bereits vor dem Empfang des Rescript's Sub C. von dem Inhalte desselben durch eines der Mitglieder der Deputation (Gilly) unterrichtet war, u. der Verfaßer des Rescript's (Becherer) sich äußerte "Er würde schon Mittel finden, mich ins Bockshorn zu jagen."

Vergeben Sie, daß ich Sie mit meinen Partikularitäten behellige. Allein ich sah diesen Vorfall, als einen nicht unwesentlichen Nachtrag zu den Bemerkungen an, welche ich Ihnen zu übergeben die Ehre hatte.

Aufrichtig der Ihrige Hirt.

____________________________________________________________________________________________________Siehe hierzu auch das Schreiben der Bauakademischen Deputation an das Kuratorium, Berlin, 5. Dezember 1801: "An / Ein hohes Curatorium der Königlichen BauAcademie.Ein Königliches hohes Curatorium hat uns durch ein Rescript vom 5n May dieses Jahres aufgetragen, unter andern, auch den Hofrath Hirt, der die critische Geschichte bei der BauAcademie lehret, dahin anzuweisen, daß er in diesem Collegio weniger die Critik der Decorationen lehren, an dessen statt aber mehr die Encyclopädie und Uebersicht der gesammten Baukunst vortragen solle. Dieser Auflage zufolge haben wir ihn unter dem 18n May currentis das Nöthige und zwar wörtlich mitgetheilt; derselbe hat uns darauf sehr weitläuftige Bemerkungen gemacht; wir haben uns näher erkläret, allein das weitläuftige Hin- und Herschreiben bringt unsere gleich Anfangs geschöpfte Vermuthung zur Ueberzeugung, daß derselbe, diesen Befehl, von uns überbracht, um so weniger anzunehmen, geneigt ist, da er freywillig und unentgeldlich die Lehrstelle übernommen hat und bekleidet, wie er in seiner Deduction vom 4n Juny currentis sagt. | 2 Wir dürften bey diesen Umständen mit diesem wortreichen, und wie es scheint, kränklichen Mann, wohl nichts ausrichten; können aber doch diese Wiedersetzlichkeit nicht unangezeigt lassen, und legen, im Fall Ein hohes Curatorium ihn zur Folgsamkeit anzuweisen für nöthig erachten sollte, die Acta mit den gesammten Verhandlungen ganz gehorsamst und mit Bitte der Rücksendung bey, worin das Schreiben vom 18n May, currentis, dessen Antwort vom 4n Juny, unsere Erklärung vom 11n 8br. [Oktober], dessen Antwort vom 21n 8br:, Diese letzten vier Schreiben sind nicht überliefert.
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unsere Antwort vom 14n Novemb:, dessen Erklärung vom 20n Novbr:, unsere letzte Antwort vom 28n Novbr: und dessen endliche Erklärung vom 3n Decemb:
enthalten ist. Wir glauben hierdurch zugleich zu beweisen, daß wir mit Schonung und Nachsicht auf die Ausdrücke des Königs Majestät und des hohen Kuratoriums aufmerksam gemacht haben, dabei aber doch endlich unserer Seits alle Hoffnung aufgeben müßen. Berlin, den 5n December 1801. BauAcademie Deputation des Königl. Ober Bau-Departements. [gez.] Morgenländer [gez.] Riedel. [gez.] Gilly [gez.] FBecherer [gez.] Eytelwein" (GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt IV, Nr. 30, Bl. 5 r-v).