Beantwortung der, auf Veranlassung Eines Hohen In lateinischer SchriftCuratorii, durch die Herren, Rektor Berger, Hofrath Hirt und Senator Genelli, unterm 3ten März 1798.

ad § 1 Nebst der Pflicht §. 5. im In lateinischer SchriftReglement 1790. noch diese, laut meiner Bestallung als In lateinischer SchriftVice-Director, daß ich auch mit für das Beste der Akademie sorgen soll.

ad § 2. Ich lehre den Schülern eine Figur aus der Idee entwerfen, sie richtig zu stellen, und zu beleuchten; dann mehrere Figuren zusammengruppiren, damit sie dadurch vorbereitet werden historische Gegenstände verfertigen zu lernen; daß sie die Leidenschaften der handelnden Personen, sowohl in den Stellungen als auch in den Geberden, gehörig ausdrucken und das richtige Costum der Kleider p beobachten

ad § 3 Ich lehre nach meinen mir gesammelten Kenntnißen in der Kunst, ohne ein gedrucktes Lehrbuch zum Grund zu legen.
An guten Zeichnungen, Kupferstichen, und andern hierzu dienlichen Kunstwerken fehlt es mir nicht, und ich pflege durch diese, meine Schüler auf die Schönheiten sowohl, als auf die Fehler aufmerksam zu machen, die man in solchen Kunstwerken antrifft.

ad § 4. Nur die Schüler der Akademie, welche Architektur und Perspectiv verstehen und einen guten Akt nach der Natur zeichnen können, | 2 diese haben das Recht zu diesem Unterricht. Zu Prüfung dieser Fähigkeiten, lasse ich sie einen Entwurf in meiner Gegenwart machen.

ad § 5 Ich habe keine Zeit zu diesem Unterricht bestimmt; die Schüler kommen so lange zur mir, bis sie micht nicht mehr nöthig haben.
Die Anzahl meiner Schüler ist abwechselnd, zuweilen habe ich 13 bis 14 p gehabt, und jetzt habe ich ihrer nur 3.

ad § 6. Ich habe keine fixirten Tage oder Stunden zu meinem Unterricht, die Schüler kommen wenn sie was entworfen haben, zu welcher Zeit sie wollen. Dieses habe ich für die Lernenden sehr nützlich gefunden.
Mein Unterricht ist theoretisch und praktisch zugleich, und beydes ist unzertrennlich, denn ein Künstler muß mit Mund und Hand zugleich lehren.

ad § 7. Alle Quartale habe ich bey meinem In lateinischer SchriftRapport über die Fortschritte meiner Schüler, ihre componirten Entwürfe nebst meinen Anmerkungen hierüber, dem Herrn Director übergeben.

ad § 8. Das Drappiren der Gewänder gehört zum Costum, von ordentlichen Kleidungsstücken zum Gliedermann, kenne ich keine auf der Akademie, als die so ich habe machen lassen, und welche mit nächsten zum Nachzeichnen sollen benutzt werden
Die Aufsicht über dieses Nachzeichnen ist mir bis dato noch nicht aufgetragen. | 3

ad § 9. So wie ich jetzt den Schülern meinen Unterricht mittheile, fehlt mir nichts, sollte ich aber diesen Unterricht erweitern können, dann würde ich das mir Fehlende anzeigen.

ad § 10. Wenn derjenige der das Patent als In lateinischer SchriftEleve haben will, dasjenige kann, was die Akademie von ihm fordert, so ist es ganz gleich, ob er seine Kunstkenntniße durch mich oder durch einen andern erhalten hat. Freylich ist es doch nur ein In lateinischer SchriftTitular-Eleve

ad § 11. Für die bessere Beleuchtung des Modells auf der Akademie, wäre es gut, wenn die große Lampe etwas mehr in die Höhe gezogen werden könnte. Auch fehlen uns beym Stellen des Akts mancherley Kleinigkeiten, die dazu nöthig sind, das Modell in einer unbeweglichen und unveränderlichen Stellung zu erhalten.

Uebrigens werde ich jede Gelegenheit, die mir gegeben wird, zur Erweiterung nützlicher Einrichtungen mitzuwirken, mit vielem Vergnügen, und als Pflicht ergreifen, welches ich aufrichtig versichere, und mit vorzüglichster Achtung bin

J. W. Meil jun
den 7ten März / 1798.
Annotationen von Genelli

Annotazionen zu des Hrn Vicedirectors Meil Bescheid, d.d. 7. Merz - 98 -

ad N. 1. zeigt an daß Hrr. In lateinischer SchriftMeil In lateinischer SchriftVicedirektor ist.
ad. N. 2. Eine Figur richtig entwerfen, lernt der Künstler durch's Zeichnen nach der Natur, und durch fleißiges Beobachten derselben: was ihn zu ihrer richtigen Stellung noch beigebracht werden kan, lehrt die Gravitazionslehre. Sie richtig beleuchten, lehrt die Perspektive. Was an der Darstellung der Leidenschaften, oder allgemeiner zu reden, an der Karakteristik - denn auch die leidenschaftslosen Figuren sollen ihren Ausdruk haben - lehrbar ist, werde ich bei der Anatomie anzeigen. Das Kostum lehrt, für die Vorzeit, die Altertumskunde; die Sitten der Götter lernt man aus den Dichtern; unser eigen Kostum fangen schon Mütter und Ammen an, uns zu lehren.
Bleibt also für die Komposizionslehre, daß Gruppiren der Figuren. Wie stellt sie sich an dies zu lehren? Zeigt sie uns etwa alle die unpäslichen Gegeneinanderstellungen, in welchen ein paar Personen sich mit einander unterreden, gegen einander streiten, einander liebkosen, von einander scheiden, oder neben einander schweigen können? - oder lehrt sie blos - was man ebensowenig im allgemeinen lehren kan - die vortheilhafteste, d.h. die unzweideutigste, die reinste Ansicht jeder möglichen Zusammenstellung treffen? Aber was daran zu lehren, zeigt wiederum die Perspektive: und wird der je eine Darstellung hervorbringen dem die Phantasie nicht von Natur ihre Bilder von der rechten Seite vorstellt, oder hat ein solcher gar Phantasie, wie sie zum Künstler erfordert wird? und wer diese Phantasie hat, wird der wohl Maximen und Regeln im Gedächtniß haben können, wenn jene thätig ist?
Das Lehramt für die Komposizion ist unnüz. Denn, soll die Kunst der Erfindung und Zusammensetzung in der völligen eigentümlichen Freiheit erhalten werden, ohne welche sie überhaupt nichts mehr ist, so kan sie entweder gar nicht gelehrt werden; oder sie ist in zwei Worten vollendet - Schreibe nichts stükelweis hinter einander nieder, wie ein Hieroglyfenschreiber; sondern laß nur das zur Realität gelangen, was mit einemmal, ein völliges, gediegenes Ganzes, fertig und gerüstet, wie Minerva aus dem Haupte Jupiters hervorsprang, in deiner Seele aufstieg. Soll sie, um einen Lehrer zu beschäftigen, sich auf einseitige Maximen, auf kleinliche Stratageme, auf Koketerien, auf Handwerkskniffe einlassen; so muß man sich's zum Gesez machen, nur nach diesem Plunder zu urtheilen, um den Künstler, der ihn lieber nie gehört hätte, zu zwingen, | 2 sich in seinen Werken danach zu richten. Die Väter der Kunst werden vergessen in den Staub sinken; und die neue saubere Zucht wird ewig nur ihr armes In lateinischer Schriftpensum zu wiederholen wissen. Es ist unnüz: denn auch sie muß troz allem ungehorsam werden. Alle Pierre's und Boucher's, die nach solchen Systemen Schildereien zusammenwählten, und die so fertig in dieser Uebung waren, mußten dennoch immer von ihrem Gesez abweichen, um ihre Produkte nur einigermaßen über den Rang sinnloser Farbenmarmelade zu erheben.
Man stelle mir welchen Lehrer der Komposizion man will, entgegen, und ich werde ihm beweisen, daß er auch in seinen schlechtesten In lateinischer SchriftVignetten nicht einen Augenblik seiner eigenen Lehre treu bleibt: weil er's in der That nicht kan.
Dieses Lehramt ist aber auch schädlich. Denn es enthält ein implizites Verbot, nichts Eigenes, nichts Originelles, Genialisches; nichts Selbstempfundnes - was nur allein wieder verstanden werden kan, und allein nur genießbar ist - je wieder hervorzubringen. Mit dem Werth der Gedanken, geht auch der Werth richtiger Zeichnung, und Karaktervoller Darstellung des Einzelnen verloren: und so tödtet es die Kunst; und ist folglich dem Zwek einer Akademie entgegen.
Ich trage demnach auf Einstellung dieses LehrAmtes an. Ein so verdienstvoller Mann wie Hrr In lateinischer SchriftMeil, ist schon als Vize-Direktor der Akademie so nüzlich, oder kan es noch werden, daß er auch ohne dieß Lehramt auf ihren Dank rechnen kan. Sollte man aber aus Deferenz diese Lehrstelle einstweilen noch beibehalten wollen, so trage ich darauf an, daß sie in Zukunft nicht wieder besezt werde.
ad N. 3. Die einzige Gute Uebung für die Komposizion, ausser das eigene Komponiren, ist, gute Kunstwerke zu beurtheilen. Dies sollte aber nicht einer ausschließlich, sondern jeder akademische Künstler, vor den Schülern anstellen.
ad N. 4. Architektur und Perspektive verstehn, soll mahl hier soviel bedeuten, als einen architektonischen Aufriß in Perspektivische Projekzion zu bringen wissen.
ad N. 5. Die Zahl der Schüler haben glüklicherweise schnell abgenommen.
ad N. 7. Ich wünschte wohl einen solchen Rapport zu Gesicht zu bekommen, denn ich bezweifle nicht wie er anders als ungefähr so abgefaßt sein könne " NN ist ein vortreflicher Schüler: denn er komponirt | 3 grade wie ich haben will. NN aber taugt nichts zum Künstler: denn er will immer nach eigener Grille entwerfen" Und da möchte der meist Gelobte wohl der Hofnungsloseste für die Kunst sein: und soll ihn der Senat beurtheilen, so möchte ihr Tadel über sein Werk öfters den Meister treffen.
ad N. 8. Ueber die Gliedermänner und ihre Gewander, wird im Rapport über die Klassen folgen.
ad N. 10. Was liegt an dem Unterschied zwischen wirklichen und Titular-Eleven, so bald man nicht vor allem sich in Authorität sezen will.
ad N. 11. Diese Anmerkung finde ich richtig. In lateinischer Schrift
Genelli