Rom den 14ten August 1790
Herzogliche DurchlauchtGnädigste Fürstin!
Ew. Durchlaucht erlauben, Ihnen meine Freude über Ihre glückliche Anna Amalia
war nach fast 2-jährigem Aufenthalt in Italien am 18. Juni 1790 nach
Weimar zurückgekehrt.
[Schließen]Rückkunft ins Vaterland zu bezeigen, mit dem herzlichen Wunsche, daß Sie in
der Rück
erinnrung
erinnerung
an das schöne Italien noch
lange den frohen genuß von Ihrem angenehmen Aufenthalte in diesem Lande haben
mögen. Lange wird Ihr Name in der Stadt der 7.
Hügel, eben so wie an den Gestaden der Partenope
blühen, und ein jeder, der sich Ihrer hohen Person zu nähern das
Glück hatte, ein süßes Andenken von Ihrer huldvollen Herablaßung, Ihrem
cultivirten Geiste, und Ihrem sichern Gefühl für alles was schön ist,
beybehalten. Das im Süden von Weimar gelegene Schloss
Belvedere mit großem Park wurde von Herzog Ernst August von
Sachsen-Weimar und Eisenach zwischen 1724 und 1748 als barocke
Sommerresidenz errichtet. Anna Amalia hielt sich regelmäßig in den
Sommermonaten dort (wie auch im Schloss Tiefurt) auf.
[Schließen]Das Belvedere welches Ew.
Durchlaucht iezt bewohnen, mag Ihnen freylich keinen Himmel, und keine Aussicht wie der Hügel in Neapel, direkt am Meer, in der Nähe des
Königspalastes. In dem vornehmen Wohngebiet hatte die Reisegesellschaft
von Anna Amalia bei ihrem zweiten Aufenthalt in Neapel neben einer Villa
in Portici noch eine Unterkunft westlich des Palazzo Reale am
Pizzofalcone-Hügel Monte Echia gemietet.
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Pizzofalcone
anbieten: hingegen haben Sie schöne Waldung, grüne Wiesen, und eine
Anzahl gewählter Freunde
| 2 um sich, welche Ihnen die Ruhe nach einer
zweyjährigen Lärmvollen Die Reise von Anna Amalia nach Italien dauerte
vom 15. August 1788 bis zum 18.Juni 1790. Am 4. Oktober 1788 war sie mit
ihrer Gesellschaft in Rom eingetroffen. Zum Jahreswechsel 1788/89 reiste
sie erstmals für sieben Wochen nach Neapel (Abreise aus Rom am 1. Januar
1789; Ankunft in Neapel: in der Nacht vom 4. zum 5. Januar 1789; Abfahrt
von Neapel: 18. Februar 1789; Rückkehr nach Rom: 20. Februar 1789). Ein
zweites Mal hielt sich die Herzogin vom 21. Mai 1789 bis 12. April 1790
in Neapel auf.
[Schließen]Reise sehr erwünscht machen müßen.
In der Kunst ist seither nicht viel merkwürdiges erschienen, außer einem
Gemälde von dem Thiermahler
Wenzelaus Peter
, Adam und
Eva im Irdischen Paradies. - Auf dem großformatigen Bild sind
mehr als 200 Tiere aus aller Welt um die Figuren von Adam und Eva
versammelt. Papst Gregor XVI. kaufte 1831 20 Werke des Malers für die
Ausstattung der Sala del Concistoro in dem für Empfänge bestimmten
Päpstlichen Wohnbereich. - Graf Friedrich Leopold zu Stolberg beschreibt
einen Besuch im Atelier des Malers: "Wenzeslaus Peter, ein Böhme, hat
durch entschiedenes Talent sein Schicksal selber gemacht. Noch im sieben
und zwanzigsten Jahre war er ein Büchsenschmied. Ein vornehmer Mann
lernte ihn kennen und ließ ihn im Zeichnen unterrichten. Er begann die
Bildhauerkunst zu lernen. Der Pinsel verhieß ihm schnelleres Glück,
reizte auch mehr seinen Geschmack. Als die Loggien Rafael's im Vatican
für die Kaiserin von Rußland copirt wurden, half er an den Arabesken
arbeiten. Bald wurden diese nur ihm anvertraut. Aber sein Hang zog ihn
zur Thiermalerei. Er malte Thiere aller Art und ist nun ohne Zweifel der
erste Maler in dieser Gattung. Ich sah bei ihm ein großes Gemälde, das
Paradies. Die Landschaft ist schön. Die Thiere hat er fast alle in
Handlung zu setzen gewußt. Die Menschen zeigt er im Augenblick, da Eva
den Apfel an Adam reicht. / Zwei Zimmer sind voll von abgebildeten
Thieren. Die meisten sind in Lebensgröße. Der Löwe geräth diesem Meister
wie die Taube, der Fuchs wie das Lamm. Jedes einzelne Thier scheint mir
fast ein größeres Meisterstück als das große, zwar schöne, doch
vielleicht überladene Gemälde des Paradieses." (Stolberg, Reise, Bd. 1,
Mainz 1877, S. 384-385).
[Schließen]das Paradies vorstellend. Man kann dieses Stück in seiner Art klassisch nennen, und gewiß haben
die berühmtesten niederländischen
Thiermaler nichts aufzuweisen, welches in Rücksicht der Composition, der
Zeichnung und Karaktere der Thiere, und der Ausführung an die Seite gestellt
werden könnte. Aber der Künstler verlangt auch den Preis von 1000 Zecchinen
davor. Trippel hat die zweyte Büste
Zur Porträtbüste vgl. Hirt an Herder,
21.05.1790.
[Schließen]von Herder
, da ihm die erste durch einen unglücklichen Schlag eines seiner Arbeiter
verunglückt ist, wieder weit avancirt.
Vorigen Mittwoch kam ein Courier aus den Bädern von Lucca, der die Nachricht von dem Der Kurienkardinal war am 9. August 1790 in den
Bädern von Lucca gestorben.
[Schließen]Tode des Cardinal
Buoncompagni
überbrachte. Jederman bedauert diesen Mann, als den Aufgeklärtesten,
| 3 den das heilige Collegium hatte. Seine Krankheit war sehr
complizirt, und viele glauben, daß der Disgusto wegen seiner abgelegten Würde
als Staatssekretär viel dazu beygetragen.
Von Der auf Sizilien geborene Giuseppe Balsamo hatte unter dem
Namen Graf Cagliostro als Okkultist und Alchemist ganz Europa bereist
und an vielen Höfen Vertrauen erlangt und Geldzuwendungen erhalten, was
ihm einen aufwändigen Lebensstil erlaubte. Er gab sich u.a. als
Begründer einer ägyptischen Freimaurerei aus. Durch seine Verwicklung in
die sogenannte Halsbandaffaire musste er Frankreich verlassen und ließ
sich in Rom nieder, wo er im Dezember 1789 von der päpstlichen Polizei
verhaftet und wegen Häresie, Zauberei und Freimaurerei angeklagt wurde.
Cagliostro war seit Dezember 1789 in der Engelsburg eingesperrt, im
April 1790 begann der Prozess gegen ihn. Das am 21. März 1791 verkündete
Todesurteil wurde in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Er starb
1795 im Gefängnis von San Leo bei San Marino. - Angelika Kauffmann
schreibt am 16. Juni 1790 an Carl Ulysses von Salis-Marschlins: "von
Cagliostro kann ich Ihnen gar nichts sagen, die ganze sache ist hier ein
geheimnus - schon lange wirt er täglich examiniert, die zeit wirt es
zeigen was daraus erfolgt. seine frau ist in einem kloster sehr zu
frieden. Ihme aber wirt die zeit lange werden, und es wollen einige daß
er seine wohnung so bald nicht änderen wirt, gesteren sagte mier jemand
daß er alle die fragen mit stillschwigen beantworte" (Kauffmann-Briefe,
S. 151-152).
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Cagliostro
höret man wie gewöhnlich nichts. Vor zwey Tagen kam ein Avignon und die Grafschaft Venaissin standen
unter Verwaltung eines päpstlichen Gesandten. Nach der Französischen
Revolution sollten die päpstlichen Gebiete an Frankreich angegliedert
und ein neues Département Vaucluse gebildet werden, was in Avignon zu
einer papsttreuen Konterrevolution führte. Der Papst ließ daraufhin dem
Cardinal Bernis, der
zugleich Frankreichs Angelegenheiten am Römischen Hof bisher besorgt
hatte, folgende Depesche zustellen: "Die von den Feinden der Religion,
der Souvränitätsrechte, und der öffentlichen Ruhe gepredigten, und mit
Wuth verbreiteten Grundsätze der Unabhängigkeit, und einer zügellosen
Freyheit, haben die Einwohner der Stadt Avignon zu den schrecklichsten
Verbrechen, zu der abscheuwürdigsten Treulosigkeit verleitet. Dieß Volk,
das seit mehrern Jahrhunderten unter der glücklichen und gemäßigten
Regierung des heil. apostolischen Stuhles lebte, hat sich unbesonnener
Weise verblenden, und durch die Verwegenheit und List einiger Aufwiegler
verführen lassen, welche, mitten im Tumulte und in der Anarchie, endlich
eine offenbare Rebellion erreget haben. Vergeblich überhäufte Seine
Heiligkeit diese so übel geleiteten Unterthanen, um allem Vorwande zu
Klagen und Unruhen zuvor zu kommen mit Beweisen seines Wohlwollens,
schickte ihnen auf eigene Unkosten beträchtliche Getreidelieferungen,
befahl die Verminderung der Auflagen, erleichterte die
Gerechtigkeitspflege, und lud sie väterlich ein, alle Mängel und
Mißbräuche, welche sich in die Gesetzgebung eingeschlichen haben
könnten, anzuzeigen, um denselben abzuhelfen, und die nöthigen
Gegenmittel vorkehren zu können. Weit entfernt, daß alle diese sorgsamen
Vorkehrungen Seiner Heiligkeit, alle diese Nachgiebigkeit den Herzen
dieser Unterthanen Empfindungen der Dankbarkeit und Mäßigung hätten
einflößen, und tiefe Wurzel schlagen lassen sollen, dienten sie nur, sie
hartnäckiger und unverschämter zu machen, so daß sie Tag vor Tag
fortfuhren, Verbrechen auf Verbrechen, Ausschweifung auf Ausschweifung
zu häufen. Nachdem sie das bisherige System der Magistratur und
Gerichtsstellen umgestürzt und vernichtet, das Militär verführet und
aufgewiegelt, die Rechte der Souveränetät und des Heiligthums
gemißbrauchet, den Repräsentanten des heiligen Vaters und seiner
Minister beschimpft, die höchste Gewalt antastende Schriften verbreitet,
geistliche und weltliche Rechte verletzet und mit Füßen getreten, und
Eidschwur und Treue gebrochen hatten; gelangten sie endlich zu dem Ziele
ihres Unternehmens, und drückten das Siegel auf alle ihre Schandthaten.
Am 12. und 13. des verflossenen Monaths Junius war es, da sie mit
Händen, die noch vom Blute ihrer Mitbürger trieften, den Vicelegaten des
heil. Stuhls Msgr. Casoni zwangen, die Stadt und das Gebieth von Avignon
zu verlassen und es wagten, die Wapen des regierenden Papstes, ihres
rechtmäßigen Souveräns, tumultuarisch abzureißen, um dafür jene des
allerchristlichsten Königs anzuheften; allein die bekannte Gerechtigkeit
dieses Monarchen, seine Regierung, und seine Ehrfurcht für den
Apostolischen Stuhl, sind uns sichre Bürgen, daß Se. Majestät, weit
entfernt dergleichen ungerechte Schritte zu billigen, vielmehr solche
Verbrechen nicht ungeahndet lassen werde. / Diese kurze Schilderung des
Aufstandes und der Revolution zu Avignon hat der Cardinal
Staatssecretär, auf Befehl des heil. Vaters die Ehre Eurer Eminenz
mitzutheilen, damit es Ihnen belieben möge, selbige an Ihren Hof
gelangen zu lassen: er zweifelt nicht, daß dieser Hof denjenigen
Antheil, der der Wichtigkeit der Sache, welche die gemeinschaftliche
Sache aller Souveräns ist, und der besondern Freundschaft, welche Se.
Majestät für die geheiligte Person des heil. Vaters hägen, angemessen
ist, daran nehmen werden. Den 17. Jul. 1790." (Zitiert nach: Carl
Christian Viktor: Chronicon Viennense oder neueröffneter
Österreichischer Bildersal vom Jahre 1790 […]. Bd. 2, Wien 1791, S.
203-205).
[Schließen]Courier an Nach der Französischen Revolution wurde
er seines Gesandtschaftspostens entsetzt und verlor sein hohes
Gehalt, blieb aber in Rom, wo er von seinem Freund, dem
spanischen Diplomaten José Nicolás de Azara, finanziell
unterstützt wurde.
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Cardinal de
Bernis
, um die Geschäfte mit Avignon wieder in Ordnung zu bringen. Die römische Licenz zu sprechen ist seit einiger Zeit sehr restringirt,
und mehrere Franzosen sind wegen zu freyer Zunge theils exilirt, theils gewarnet
worden. Sonst ist in diesen und den angränzenden Staaten alles sehr ruhig.
Das wichtigste was ich diesen Sommer schrieb, ist eine historisch-architektonische Abhandlung über das Pantheon. Meine Freunde, worunter auch Cardinal Borgia ist, wollen, daß ich diese Schrift in Romitalienisch herausgebe, allein es giebt noch Hinderniße wegen den Unkosten der hiezu erforderlichen Kupferplatten, ohne welche ich sie nicht in die Welt geben kann.
Ich empfehle mich der fernern Huld Ew. Durchlaucht, und verbleibe in tiefester VerehrungIhr dankbarester u gehorsamster Diener - Hirt.