Mein Vorhaben war, vorigen Herbst bey meiner Rückkunft aus Sizilien Ew. Durchlaucht einen Auszug meiner Bemerkungen über jenes Land, welches zu bereisen Sie selbst so oft den Wunsch äußerten, zu übersenden, – überzeugt, daß Ew. Durchlaucht meine kleine Gabe mit der gewöhnlichen Nachsicht, und Huldvollen Güte aufgenommen hätten. Allein das gewühlvolle Neapel giebt so viele Zerstreuungen, daß ich nicht zur Erfüllung des besten Wunsches kommen konnte. In Rom glaubte ich es ruhiger, und ordentlicher thun zu können, kaum war ich aber hier angekommen, bemächtigten sich fremde Reisende meiner Muße, so daß ich seither noch keinen freyen Tag hatte. Die andauernde Schwächlichkeit sezte den Herrn Rath Reiffenstein außer Stand, etwas für Fremde zu thun, und so wandte sich alles an mich.
Graf und Gräfin v. Egloffstein, welche Ew.
Durchlaucht an mich zu adreßiren die Gnade hatten, verließen Rom seit dem Anfang dieses Monats.
Die Gräfin bezeigte sich sehr
liebenswürdig, und fand vielen Beyfall sowohl hier, als in Neapel.
| 2 Im ersten Monate
besahen wir zusammen mit viel Fleiß und Aufmerksamkeit alles Beobachtungswerthe,
und die Gräfin machte große
Fortschritte in der Zeichnung. Nach ihrer Rückkunft von Neapel konnte ich nicht mehr so viel um
sie seyn; die Schwangerschaft der Gräfin störte auch zuweilen ihre muntere, lebhafte Laune.
Indeßen werden Ew. Durchlaucht eine Nebenbuhlerin in der Ghittara francese an
ihr finden. Trippel machte ihre, und des Grafen
Die Porträtbüste Graf Leopold von Egloffstein ist
verloren. Von der Büste Henriette von Egloffstein befindet sich ein
alter Gipsabguss nach dem Marmororiginal im Goethe-Nationalmuseum
Weimar.
[Schließen]Büsten sehr schön.
Mit dem Grafen Friedrich
Leopold von Stolberg
Vgl. die Anmerkung zu Hirts Brief an Sophie von La Roche,
27.05.1792
[Schließen]brachte ich auch einen angenehmen Monat zu. Iezt ist er auf seiner Reise in Sicilien . Meine übrigen Bekanntschaften waren Kurländer,
Liefländer, Rußen, Pohlen, Schlesier, Sachsen, Ungarn, Engländer, worunter auch
der Prinz August von England war.
Schön war es, daß diese Fremden, die ich nach und nach alle zusammenbrachte,
hier durch drey Monate einen besondern Zirkel formirten, die römischen
Gesellschaften wenig sahen, und unter sich (Es waren nemlich mehrere sehr
hübsche und artige Frauen dabey) äußerst angenehm lebten. Iezt erwarte ich noch
aus Neapel den Fürsten v. Auersperg, nebst zwey andern
Familien.
Über Sizilien, Kalabrien und Malta habe ich wirklich noch keine Zeit,
etwas nähers zu schreiben. Ich lernte
| 3 auf dieser Reise sehr viel.
Das Haus des Cavaliere
Gioeni in Catania ist sehr angenehm; er hat zwey
mannbare Töchter, die sehr artig
sind, vortrefflich singen und Klavir spielen, und einen Jungen von 10 Jahren, das wahre Ebenbild
vom Antinous. Die sogenannten 17 verlorenen Bücher des Livius
wurden 1795/96 durch den österreichischen Philologen Joseph Hader als
Fälschung entlarvt und Vella
als Betrüger zu 15 Jahren Haft verurteilt. - Friedrich Münter hatte schon Mitte
der 1780er Jahre den Eindruck: "Abbate Vella scheint ein anderer Annius
Viterbiensis seyn und die Lükken in der Litteratur mit seinen eigenen
Erdichtungen ausfüllen zu wollen: so behauptete er auch bald nach seinen
ersten Entdeckungen eine arabische Uebersetzung verschiedener von den
verlornen Büchern des Livius, nemlich von 66ten bis zum 77ten Buch
gefunden zu haben. Allein dies ist höchstwahrscheinlich eine Betrügerei
und kein vernünftiger Mann in Sicilien glaubt mehr daran. Die einzige
wahre Entdekkung bleibt denn wohl die Correspondenz zwischen den Emiren
in Sicilien unter sich, und mit dem Fürsten von Kairvan; die vielleicht
bei dem Abbate Vella die Luft rege gemacht hat sich durch mehrere noch
wichtigere Entdekkungen einen Namen zu machen" (Nachrichten von Neapel
und Sicilien, auf einer Reise in den Jahren 1785 und 1786 gesammlet, von
M. Friedrich Münter. Aus dem Dänischen übersezt. Kopenhagen 1790, S.
203). - In der ALZ, Bd. 1, Nr. 49, 16. Februar 1802, S. 390f., werden in
einer Rezension die Betrügereien Vellas benannt: "Ein Zögling der
orientalischen Akademie zu Wien, Dr. Hager, hat dreyerley Betrügereyen
zur völligen Gewissheit gebracht. 1) War der von Abbate Vella dort
vorgeblich entdeckte vollständige Livius nichts als eine
maltesisch-arabische Version der Epitome des Florus, so, wie Vella
maltesisch-arabisch versteht. S. Hagers Reise von Warschau nach der
Hauptstadt von Sicilien. (Wien 1795. 8.) 2) Ist der zwischen 1789 und
1792 in vollen sechs Quartanten, mit einem Aufwand von ungefähr 10.000
Kaisergulden übersetzt erschienene Codice Diplomatico di Sicilia von
eben diesem Abbate, welcher dadurch Prof. der arabischen Sprache zu
Palermo und Abt von St. Pancrazio wurde, nichts als eine betrügerische
Zusammensetzung, welche der Vf. nicht einmal aus arabischen Quellen,
sondern aus den fehlerhaften, lateinischen Uebersetzungen derselben bey
Caruso und Jveges, nebst den dortigen Fehlern, aushob. [...] 3) Ist auch
die auf den Codice diplomatico gefolgte Urkundensammlung: Libro del
Consiglio di Egitto tradotto da Giuseppe Vella, [...] Napoli T. I. fol.
1793. 370 S. ein von Vella erdichteter Briefwechsel der normännischen
Fürsten Robert Guiscards und Rüdiger mit Almostanser Billah, ihrem
Nachbar in Africa, in welchen zugleich Gesetze dieser Normannen
eingerückt sind". - Anna Amalia hatte den Abbate im Oktober 1789 bei
ihrem Aufenthalt in Neapel kennengelernt. Louise von Göchhausen schreibt
u.a. am 11. Oktober 1789 in ihrem Reisetagebuch: "Vormittag war der
Beichtvater und Abbate Vella bey der Herzogin [...] Der Abbate hat einen
Sicilianischen Cotex in Arabischer Sprache gefunden und übersezt"
(Göchhausen-Reisetagebuch, S. 109). An Wieland berichtet Louise von
Göchhausen, Neapel, 6. Oktober 1789: "Diesen Abend werde ich die
Bekandschaft vom Abate Vella machen, der aus Malta kommt und sich heute
der Herzogin vorstellen läßt. Sie wissen daß er vorgiebt eine Arabische
Handschrift gefunden zu haben, die er jezt übersezt, und die 10 bis jezt
noch unbekande Bücher von Titus Livius enthalten soll. Da ich ohngefehr
das nähmliche Talent des Klosterbruders im Nathan, zum Erforschen und
auf dem Zahn zu fühlen habe, so wird diese Bekandschaft zur Ergrüntung
der Warheit wohl wenig beytragen; indeßen bin ich doch neugierig einen
Mann kennen zu lernen der sich rühmt daß ihm die Götter so günstig
gewesen sind" (Wielands Briefwechsel, Bd. 10, Berlin 1992, Nr. 309, S.
261, Z. 52-58).
[Schließen]Der Abbé Vella in
Palermo hatte schon
vorigen Sommer angefangen, seinen arabischen Codex von den 17
neuaufgefundenen Büchern des T.
Livius zu übersezen.
Der heilige Vater hat noch immer das
Fieber, Das malariaverseuchte Sumpfgebiet, durch das die
Via Appia von Rom nach
Neapel führte. Die Trockenlegung erfolgte erst im 20.
Jahrhundert.
[Schließen]das er sich in den pontinischen
Sümpfen holte; deßwegen er dieser Tage den gewöhnlichen Funktionen nicht assistirte.
Dazu komt noch ein großer Ärger, daß Spanien den neuen Der Graf de Ségur wurde 1791 von Ludwig XVI. als
Nachfolger des in Rom beliebten Kardinal de Bernis als Gesandter nach
Rom geschickt, aber Papst Pius VI. wollte ihn nicht annehmen. 1792 ging
er als Gesandter an den Hof nach Berlin.
[Schließen]
französischen Gesandten
angenommen, und sich neutral erklärt hat. - Die Römer freuen sich sehr,
daß die Franzosen mit den Österreichern die erstenmale so übel angekommen. Ich
kann eben nicht sagen, daß ich sehr unter den Frohlockenden bin, doch würde es
mir auch leid thun, wenn die Deutschen sich schlagen ließen.
Bury hat eine sehr hübsche Das Original wie die Kopie konnten nicht
ermittelt werden. - Bury erwähnt das Bild seinerseits in einem Brief an
Goethe, Rom, 21. September 1792: er habe die Kopie vor acht Tagen nach
Weimar abgeschickt.
[Schließen]Zeichnung von dem Benvenuto
Garofalo
In der Pinakothek des Kapitolinischen Museums auf
dem Kapitolshügel.
[Schließen]auf dem Kapitol
gemacht. Heigelin kam hier
durch, ich konnte ihn aber nicht sprechen.
Rom den 31 ten May 1792.